Ausländische Arbeitskräfte - "Unfreundlich" und "kompliziert": Warum Deutschland viele Expats unglücklich macht
Deutsche sind unfreundlich, die Bürokratie nervt, die Sprache ist schwer. Viele Klischees über die Bundesrepublik empfinden Arbeitskräfte aus dem Ausland laut einer Umfrage tatsächlich als Realität - sie werden in Deutschland nicht glücklich.
Mit dem Bezahlen ist es hier so eine Sache. Ausländische Arbeitskräfte, die selbst in den kleinsten Geschäften ihrer Heimatländer ganz selbstverständlich ihre EC-Karten zücken, stellen an deutschen Kassen häufig fest, dass sie ohne Bargeld nicht weit kommen.
Das Bezahlen mit Münzen und Scheinen ist hierzulande noch immer Normalität - im internationalen Vergleich ist das Fehlen bargeldloser Optionen aber durchaus auffällig. Das zeigt eine Umfrage, die das Netzwerk Inter Nation unter ausländischen Studierenden und Arbeitnehmern in verschiedenen Ländern durchgeführt hat. In der Rubrik bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten belegt Deutschland dabei den letzten Platz: 53 von 53.
Deutschland im Gesamtranking weit hinten
In der Befragung haben Expats und Fachkräfte aller Welt Deutschland zu einem der unattraktivsten Standorte überhaupt gewählt: Im Gesamt-Ranking schaffte es die Bundesrepublik nur auf Platz 49 von 53. Die Bargeldkultur ist laut Umfrage nur einer von vielen Gründen für das schlechte Abschneiden.
Die Hauptgründe dafür liegen im zwischenmenschlichen Bereich, das Ankommen in der deutschen Gesellschaft empfinden viele Befragte als schwer. Fast jeder Dritte gab an, sich etwa aufgrund fehlender sozialer Kontakte oder dem Umgang mit Deutschen unwohl zu fühlen. Zudem nimmt ein Großteil der Befragten die deutsche Bevölkerung als unfreundlich wahr: Die Deutschen rangieren laut Befragung unter den fünf unfreundlichsten heimischen Bevölkerungen.
Mit mehr als 12.000 Befragten ist die sogenannte "Expat Insider Studie" eine der größten Umfragen zum Thema Leben und Arbeiten im Ausland. Sie gibt Einblicke in das Leben von Expats in 53 Ländern weltweit und bietet detaillierte Informationen zu ihrer Zufriedenheit mit der Lebensqualität, der Eingewöhnung, dem Arbeiten im Ausland sowie den persönlichen Finanzen.
Mexiko, Spanien und Panama liegen vorne
Die regelmäßige erscheinende Studie von InterNations verrät natürlich auch, welche Länder bei Expats besonders beliebt sind. Dass Mexiko auf Platz 1 landet, überrascht nicht. Seit 2014 rangiert das Land bereits in den Top 5, unter anderem, da es Expats die Eingewöhnung besonders leicht macht. Ebenfalls beliebt sind Spanien, Panama, Malaysia und Taiwan.
Nach Angaben von Inter Nations arbeitet ein großer Anteil der Befragten in Deutschland in den Bereichen IT (18 Prozent), Industrie (zehn Prozent) und Finanzwesen (sieben Prozent). Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern beträgt unter den Befragten ungefähr 50:50, die meisten Expats kommen aus den USA (zehn Prozent), Großbritannien (zehn Prozent) und Indien (neun Prozent). Im Schnitt waren die Befragten 42 Jahre alt.
Vergleichsweise unfreundlich
Den vorliegenden Ergebnissen zufolge war es für Expats in Deutschland besonders schwer, Freunde zu finden. Jede dritte Arbeitskraft aus dem Ausland gab an, keine Freunde und kein Umfeld gefunden zu haben, das sie um Hilfe bitten könnte - die Quote liegt zwölf Prozent höher als der Durchschnitt. In dieser Rubrik hatte die Bundesrepublik laut Inter Nations schon in den Umfragen vergangener Jahre unterdurchschnittlich abgeschnitten.
Der Experte für interkulturelle Kommunikation, Alexander Reeb, sagte in einem Interview der ARD-Infonacht, man müsse sich damit auseinandersetzen, dass es Deutschland eher eine sachorientierte Kultur gebe. Viele Menschen, die zum Arbeiten vorübergehend in die Bundesrepublik ziehen würden, kämen aus kollektivistischen Kulturen, in denen der soziale Miteinander durch Familie oder Freunde einen höheren Stellenwert habe - diese kulturellen Unterschiede machten sich auch im Arbeitskontext bemerkbar.
Ebenfalls negativ ins Gewicht fallen laut Umfrage frustrierende Erfahrungen von Expats mit der deutschen Bürokratie. Komplizierte Verfahren und umständliche Regelungen erschweren vielen das Leben in Deutschland.
Auch der angespannte Wohnungsmarkt stellt ausländische Arbeitnehmer vor Probleme, 58 Prozent der Befragten haben laut Umfrage Schwierigkeiten eine Unterkunft zu finden, 27 Prozentpunkte mehr als der weltweite Durchschnitt.
Hohe Sprachbarrieren und schlechter Internetempfang
Bei den Themen Digitales Leben, Wohnen und Sprache liegt Deutschland im Vergleich ebenfalls weit hinten. Abgesehen von einer schlechten digitalen Infrastruktur machen auch Sprachbarrieren (51. Platz) den Befragten zu schaffen.
Die Hälfte der Expats findet es schwierig, in Deutschland zu leben, ohne die Landessprache zu sprechen - weltweit liegt dieser Wert bei 32 Prozent. Problematisch ist das für viele auch deshalb, weil 60 Prozent der Befragten das Erlernen der deutschen Sprache als schwierig empfinden - der weltweite Durchschnitt liegt hier bei 38 Prozent.
Zwei Drittel der Expats sind zufrieden in Deutschland
Deutschland liegt in der Zufriedenheitsskala weit hinten, trotzdem fühlen sich 64 Prozent der Expats, die in Deutschland leben, wohl. Immerhin zwei Drittel. Bei den anderen Ländern liegt der Durchschnitt bei über 70 Prozent. Dennoch ziehen jedes Jahr die meisten Expats nach Deutschland.
Positiv zu vermerken ist vor allem, dass Deutschland im Working Abroad Index (15.) recht gut abschneidet. Deutschlands Arbeitsmarkt (4.) und Arbeitsplatzsicherheit (5.) schaffen es weltweit in die Top 5, auch wenn das Land bei den persönlichen Finanzen (28.) nur mittelmäßig abschneidet. In Bezug auf die Lebensqualität (18.) schätzen Expats sowohl die Infrastruktur für Autos als auch die einfache Verfügbarkeit umweltfreundlicher Waren und Dienstleistungen (jeweils 7.).
Ein nigerianischer Expat sagte Inter Nation: "Mir gefällt, dass ich hier die Möglichkeit habe, mich beruflich weiterzuentwickeln und insgesamt ein nachhaltiges Leben zu führen."
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 4:45 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 18.06.2023 um 13:40 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.