Fachkräfte-Gesetz im Bundestag - Neue Regelungen für Einwanderung beschlossen
Der Bundestag hat am Freitag eine Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes beschlossen. Mit den neuen Regelungen sollen Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten leichter nach Deutschland kommen können.
- Der Bundestag hat Änderung bei der Einwanderung beschlossen
- Ziel soll sein, dass mehr Arbeitskräfte ins Land kommen
- Erleichterungen gibt es für Fachkräfte, aber auch ungelernte Kräfte sollen verstärkt zuziehen können
Der Bundestag hat eine Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes und eine Ausweitung der sogenannten Westbalkan-Regelung beschlossen. Mit einer Ausnahme stimmten die Ampel-Fraktionen am Freitag für den Beschluss, die oppositionellen CDU und AfD dagegen.
Mit der Reform sollen Arbeitskräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union leichter zuwandern können - beispielsweise durch ein neues Punktesystem. Zudem soll ein Aus- und Weiterbildungsgesetz das Arbeitskräfte-Angebot erhöhen. Neu sind eine Ausbildungsgarantie und ein Qualifizierungsgeld bei Weiterbildung.
Hinzu kommt eine Verordnung, die nicht vom Bundestag beschlossen, sondern vom Arbeitsministerium erlassen wird. Darin ist erstmals ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen.
Die neuen Regeln im Detail:
Erstmals führt Deutschland für die Einwanderung von Arbeitskräften ein Punktesystem ein. Es richtet sich an Menschen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben, aber über gutes Potenzial verfügen, eine Beschäftigung zu finden. Für zwölf Kriterien - wie Qualifikation, Alter und Sprachkenntnisse - werden Punkte vergeben. Wer mindestens sechs Punkte hat, erwirbt eine Chancenkarte, die für ein Jahr zur Jobsuche in Deutschland berechtigt, sofern der Lebensunterhalt gesichert ist. Sie kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn es einen Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Beschäftigung gibt und die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat. Erhältlich sein soll die Chancenkarte etwa in der ersten Jahreshälfte 2024.
Auch für Fachkräfte werden die Hürden gesenkt. Voraussetzungen für ihre Zuwanderung sind bisher bereits ein in Deutschland anerkannter Berufs- oder ein Hochschulabschluss und ein Arbeitsvertrag. Neu ist, dass diese Fachkräfte künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen. Sie bleiben nicht auf ihren angestammten Beruf beschränkt. Für die seit vielen Jahren bestehende Blaue Karte EU als Arbeitserlaubnis für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten werden die Mindestgehälter gesenkt - für 2023 wären das 43.800 Euro brutto jährlich. Zugang dazu sollen auch IT-Kräfte mit Berufserfahrung auf akademischem Niveau bekommen.
Berufserfahrung soll stärker als bisher zur Einreise berechtigen. Voraussetzung sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein im Herkunftsland staatlich anerkannter
Berufsabschluss. In Deutschland muss der Abschluss noch nicht anerkannt sein. Das bedeutet eine deutliche Vereinfachung. Es wird ein Mindestgehalt festgelegt. Wer diese Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen. Neu ist, dass die Person bereits in Deutschland arbeiten darf, während das Anerkennungsverfahren noch läuft - wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitskraft für eine notwendige Qualifikation freizustellen.
In einer ergänzenden Verordnung wird die bis Ende 2023 befristete Westbalkan-Regelung entfristet. Auf deren Grundlage können Arbeitgeber in Deutschland bisher jährlich 25.000 Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, der Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien anwerben. Das Kontingent wird auf 50.000 erhöht. Die Regelung gilt als Erfolgsmodell, das viele qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland gebracht hat. Die Bundesregierung soll diese Regelung auch für andere Drittstaaten als Option ermöglichen, mit denen über Migrationsabkommen verhandelt wird.
Erstmals ist ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte auch aus anderen Ländern als dem West-Balkan vorgesehen, die einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Im Gespräch ist eine Zahl von 30.000 - festgelegt werden muss dies von der BA je nach Bedarf. Sie dürfen innerhalb eines Jahres für acht Monate jede sozialabgabenpflichtige Tätigkeit ausüben, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und vollständig die Reisekosten trägt. Zudem soll ein Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Pflegehilfskräfte unterhalb des Fachkräfteniveaus geschaffen werden. Etwa 1.200 zusätzliche Pflegende erhofft man sich so.
Ermöglicht wird auch ein Spurwechsel aus dem Asylverfahren in den Arbeitsmarkt. Das soll nur für Asyl-Suchende gelten, die zum Stichtag (29. März 2023) im Land waren - wenn sie Fachkräfte sind und einen festen Arbeitsplatz haben.
Die Neuregelung enthält Förderinstrumente für Ausbildungssuchende und Beschäftigte. Künftig haben junge Leute einen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung, wenn sich keine anderen Ausbildungsmöglichkeiten finden. Ein Qualifizierungsgeld soll bei Strukturwandel und Transformation unterstützen: Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt bei Weiterqualifizierung die Lohnzahlung in Höhe von bis zu 67 Prozent des Netto-Gehalts.
Gestrichen wurde vorerst die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Bildungszeit. Dafür sollten sich Beschäftigte ein Jahr freistellen lassen können und Unterstützung von der BA in Höhe des Arbeitslosengeldes erhalten. Das Vorhaben wurde auf ein zweites Weiterbildungsgesetz verschoben.
Ampel-Fraktionen fast geschlossen dafür
Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit Nein. In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.
Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs "das modernste Einwanderungsrecht der Welt" bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, "maßgeblich Bürokratie abzubauen", um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.
In der abschließenden Debatte dazu prallten am Freitag im Bundestag allerdings sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration aufeinander. Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Von der AfD hieß es, Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein "Heimatland", wie Norbert Kleinwächter sagte. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.
Das Gesetz muss noch vom Bundesrat beraten werden. Die Länderkammer muss einigen der neuen Regelungen zustimmen, damit sie in Kraft treten können.
Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2023, 17:00 Uhr