Fachkräfte-Gesetz im Bundestag - Neue Regelungen für Einwanderung beschlossen

Fr 23.06.23 | 18:37 Uhr
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Nancy Faeser, Innenministerin, spricht während der Debatte zur Fachkräfteeinwanderung im Deutschen Bundestag (Bild: imago images/Florian Gaertner)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.06.2023 | Philipp Eckstein | Bild: imago images/Florian Gaertner

Der Bundestag hat am Freitag eine Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes beschlossen. Mit den neuen Regelungen sollen Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten leichter nach Deutschland kommen können.

  • Der Bundestag hat Änderung bei der Einwanderung beschlossen
  • Ziel soll sein, dass mehr Arbeitskräfte ins Land kommen
  • Erleichterungen gibt es für Fachkräfte, aber auch ungelernte Kräfte sollen verstärkt zuziehen können

Der Bundestag hat eine Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes und eine Ausweitung der sogenannten Westbalkan-Regelung beschlossen. Mit einer Ausnahme stimmten die Ampel-Fraktionen am Freitag für den Beschluss, die oppositionellen CDU und AfD dagegen.

Mit der Reform sollen Arbeitskräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union leichter zuwandern können - beispielsweise durch ein neues Punktesystem. Zudem soll ein Aus- und Weiterbildungsgesetz das Arbeitskräfte-Angebot erhöhen. Neu sind eine Ausbildungsgarantie und ein Qualifizierungsgeld bei Weiterbildung.

Hinzu kommt eine Verordnung, die nicht vom Bundestag beschlossen, sondern vom Arbeitsministerium erlassen wird. Darin ist erstmals ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen.

Die neuen Regeln im Detail:

Erstmals führt Deutschland für die Einwanderung von Arbeitskräften ein Punktesystem ein. Es richtet sich an Menschen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben, aber über gutes Potenzial verfügen, eine Beschäftigung zu finden. Für zwölf Kriterien - wie Qualifikation, Alter und Sprachkenntnisse - werden Punkte vergeben. Wer mindestens sechs Punkte hat, erwirbt eine Chancenkarte, die für ein Jahr zur Jobsuche in Deutschland berechtigt, sofern der Lebensunterhalt gesichert ist. Sie kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn es einen Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Beschäftigung gibt und die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat. Erhältlich sein soll die Chancenkarte etwa in der ersten Jahreshälfte 2024.

Auch für Fachkräfte werden die Hürden gesenkt. Voraussetzungen für ihre Zuwanderung sind bisher bereits ein in Deutschland anerkannter Berufs- oder ein Hochschulabschluss und ein Arbeitsvertrag. Neu ist, dass diese Fachkräfte künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen. Sie bleiben nicht auf ihren angestammten Beruf beschränkt. Für die seit vielen Jahren bestehende Blaue Karte EU als Arbeitserlaubnis für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten werden die Mindestgehälter gesenkt - für 2023 wären das 43.800 Euro brutto jährlich. Zugang dazu sollen auch IT-Kräfte mit Berufserfahrung auf akademischem Niveau bekommen.

Berufserfahrung soll stärker als bisher zur Einreise berechtigen. Voraussetzung sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein im Herkunftsland staatlich anerkannter
Berufsabschluss. In Deutschland muss der Abschluss noch nicht anerkannt sein. Das bedeutet eine deutliche Vereinfachung. Es wird ein Mindestgehalt festgelegt. Wer diese Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen. Neu ist, dass die Person bereits in Deutschland arbeiten darf, während das Anerkennungsverfahren noch läuft - wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitskraft für eine notwendige Qualifikation freizustellen.

In einer ergänzenden Verordnung wird die bis Ende 2023 befristete Westbalkan-Regelung entfristet. Auf deren Grundlage können Arbeitgeber in Deutschland bisher jährlich 25.000 Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, der Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien anwerben. Das Kontingent wird auf 50.000 erhöht. Die Regelung gilt als Erfolgsmodell, das viele qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland gebracht hat. Die Bundesregierung soll diese Regelung auch für andere Drittstaaten als Option ermöglichen, mit denen über Migrationsabkommen verhandelt wird.

Erstmals ist ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte auch aus anderen Ländern als dem West-Balkan vorgesehen, die einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Im Gespräch ist eine Zahl von 30.000 - festgelegt werden muss dies von der BA je nach Bedarf. Sie dürfen innerhalb eines Jahres für acht Monate jede sozialabgabenpflichtige Tätigkeit ausüben, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und vollständig die Reisekosten trägt. Zudem soll ein Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Pflegehilfskräfte unterhalb des Fachkräfteniveaus geschaffen werden. Etwa 1.200 zusätzliche Pflegende erhofft man sich so.

Ermöglicht wird auch ein Spurwechsel aus dem Asylverfahren in den Arbeitsmarkt. Das soll nur für Asyl-Suchende gelten, die zum Stichtag (29. März 2023) im Land waren - wenn sie Fachkräfte sind und einen festen Arbeitsplatz haben.

Die Neuregelung enthält Förderinstrumente für Ausbildungssuchende und Beschäftigte. Künftig haben junge Leute einen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung, wenn sich keine anderen Ausbildungsmöglichkeiten finden. Ein Qualifizierungsgeld soll bei Strukturwandel und Transformation unterstützen: Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt bei Weiterqualifizierung die Lohnzahlung in Höhe von bis zu 67 Prozent des Netto-Gehalts.

Gestrichen wurde vorerst die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Bildungszeit. Dafür sollten sich Beschäftigte ein Jahr freistellen lassen können und Unterstützung von der BA in Höhe des Arbeitslosengeldes erhalten. Das Vorhaben wurde auf ein zweites Weiterbildungsgesetz verschoben.

Ampel-Fraktionen fast geschlossen dafür

Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten laut Bundestagsverwaltung alle mit Nein. In der Summe stimmten 388 Abgeordnete mit Ja. 242 Parlamentarier lehnten den Entwurf ab. 31 Abgeordnete enthielten sich.

Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs "das modernste Einwanderungsrecht der Welt" bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, "maßgeblich Bürokratie abzubauen", um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen.

In der abschließenden Debatte dazu prallten am Freitag im Bundestag allerdings sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration aufeinander. Die Ampel-Fraktionen betonten den Nutzen der erleichterten Einwanderung für die Wirtschaft. Die Union kritisierte die aus ihrer Sicht zu geringen Anforderungen an arbeitswillige Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Von der AfD hieß es, Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern ein "Heimatland", wie Norbert Kleinwächter sagte. Es kämen nicht zu wenige Menschen nach Deutschland, sondern zu viele Menschen, die sich nicht integrieren wollten.

Das Gesetz muss noch vom Bundesrat beraten werden. Die Länderkammer muss einigen der neuen Regelungen zustimmen, damit sie in Kraft treten können.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2023, 17:00 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    aber auch ungelernte Kräfte sollen verstärkt zuziehen können
    äh, weil ?

  2. 16.

    Dieser Problematik wäre am ehesten durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags abzuhelfen.

  3. 15.

    Weil man darin faktisch ein weiteres Einwanderunskontingent untergebracht hat. Wirkliche Fachkräfte machen seit Jahren einen Bogen um Deutschland, weil für sie die Bedingungen anderswo deutlich besser sind, als in Deutschland. Das wird sich auch jetzt nicht ändern. Stattdessen wäre Deutschland gut beraten, erst mal das Potential zu nutzen, das sich bereits im Land befindet, auch und gerade für gering qualifizierte Tätigkeiten.

  4. 14.

    Leider nur pro forma. Sie haben leider die kalte Progression in Ihrer Behauptung ausgeblendet. Die Steuerbelastung steigt trotz niedrigerer Steuersätze ständig an.

  5. 13.

    Und Sprachkenntnisse. Janz wichtich. Zu der Kultur eines Landes, in dem man dauerhaft leben möchte, gehört die Sprache zu sprechen.

  6. 12.

    Hinzu kommen noch marode Infrastruktur, erschwerte Mobilität (DB) und die deutsche Sprache. Wer nach Kanada dauerhaft als Fachkraft einreisen möchte, geht auf eine Internetseite, gibt seine Daten ein und erhält seinen Punktestand und Infos über das weitere Prozedere. Mein Kumpel ist als ausgebildeter Maler vor 20 Jahren nach Kanada - mit 30 Jahren, 12 Jahren Berufserfahrung und rudimentären Englischkenntnissen (kein Pflichtfach in der DDR-Schule)...Er hat es nie bereut.

  7. 11.

    Die Steuern noch weiter senken? Seit der Schröder-Regierung ist die Einkommensteuer doch schon auf dem niedrigsten Niveau seit Gründung der Bundesrepublik. Eine Vermögenssteuer gibt es gar nicht.

  8. 10.

    Das sehe ich auch so, ähnlich wie eine Green Card in den USA. Dort werden Bedingungen geknüpft, Vorraussetzungen geprüft. So müßte es strikt in D funktionieren.

  9. 9.

    Wenn das wieder so wenig bringt wie in der Vergangenheit, dann wird das nichts. Und das Deutschland auf Bürokratie verzichtet, kann man gar nicht glauben. Also alles so wie vorher.

  10. 8.

    Wie wäre es, die bereits hier lebenden Fachkräfte mit Arbeit zu versorgen? Migranten sollten arbeiten dürfen um dem Staat, der ihnen Hilfe gibt, auch etwas zurückgeben zu können.

  11. 7.

    Nicht vergleichbar. Bei uns soll das ja zusätzlich zu den bisherigen Flüchtlingen und Migranten kommen…. Daher insgesamt viel zu viel

  12. 6.

    Welcher zivilisierte Mensch mit guter Ausbildung, evtl. mit Familie, sollte sich Deutschland antuen?

    Wohnen, Gesundheit, Schulen usw. alles marode.
    Es gibt andere Länder, die da bevorzugt werden.
    Das was lockt, ist das Soziale für wenig.

  13. 5.

    "Deutschland werde durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs "das modernste Einwanderungsrecht der Welt" bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)." Womit ist das verglichen und was genau meint 'modern' in den Zusammenhang?

  14. 4.

    -Darin ist erstmals ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen.

    Nur eine kleine Frage: Warum?

  15. 3.

    Warum sollte denn jemand aus dem Ausland überhaupt hier nach Deutschland wollen zum arbeiten?
    Wir überschätzen uns.
    Hier ist die Verwaltung dich extrem langsam, Digitalisierung pustekuchen, es herrscht Wohnungsnot und katastrofaler Lehrermangel. Ärzte fehlen auch.
    Und jede Menge Einheimische, die der Ansicht sind, es gäbe hier schon zu viele Migranten.
    Und wie sähe das mit der erworbenen Rentenanwartschaft aus, wenn der oder die nach fünf Jahren weiter oder zurück wollte?
    Nee, wir Deutsche machen uns was vor. Wie beim Fußball. Da leiden wir auch an Selbstüberschätzung.
    Wer nach Deutschland als qualifizierter Arbeitnehmer zum arbeiten will, hat sich wahrscheinlich im Land vertan, oder ist total verknallt. Tolle Frauen gibt es hier ja.

  16. 2.

    Vielleicht sollte die Ampel erst mal die Voraussetzungen schaffen, dass nicht Hunderttausende Fachkräfte jedes Jahr aus Deutschland abhauen.
    Zum Beispiel mal Steuern senken.

  17. 1.

    Das System Canada kommt 10 Jahre zu spät, was würde es damals negativ geredet

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