Landgericht Neuruppin - Prozess nach Überfall auf Landstraße: "Ich sah aus wie nach einem Boxkampf"

Mi 22.11.23 | 17:23 Uhr
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Das Schild vor dem Eingang zum Landgericht Neuruppin. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Im Landgericht Neuruppin muss sich seit Mittwoch ein 21-Jähriger verantworten, der nachts eine Autofahrerin auf einer Landstraße überfallen haben soll. Er war aus einer psychiatrischen Klinik geflüchtet. Von Lisa Steger

Der 21 Jahre alte Benjamin S. ist im Landgericht Neuruppin wegen eines gefährlichen Angriffs auf eine Kraftfahrerin angeklagt. Ihm drohen mindestens fünf Jahre Haft oder eine lange Unterbringung in der Gefängnispsychiatrie.

Äußerlich unbewegt hört er am Mittwoch zu, wie die Staatsanwältin die Anklage verliest. Friedfertig sieht er aus. Schmal und blass, unauffällig - man würde ihn als Anhalter jederzeit mitnehmen.

Der Mann schweigt vorerst zu den Vorwürfen. Bekannt ist nur: Er war in der Nacht zum 8. Mai aus einer psychiatrischen Klinik weggelaufen. Er wurde dort wegen einer paranoiden Schizophrenie behandelt. Ungeklärt ist noch, wie er aus der Klinik flüchten konnte. Auch sein Motiv ist vollkommen offen.

Aussage unter Tränen

Die erste Zeugin ist die Autofahrerin Diana A. (48), die auch als Nebenklägerin auftritt. Unter heftigem Schluchzen sagt sie aus, sie sei bis heute in Therapie und krankgeschrieben. Also seit mehr als einem halben Jahr. Sie schlafe schlecht und könne nachts nicht mehr Auto fahren.

Folgt man der Aussage, so wurde Diana A. ihre Hilfsbereitschaft zum Verhängnis. Um kurz vor vier Uhr sei sie auf der Landstraße L 16 bei Gentzrode nahe Neuruppin auf dem Weg zur Arbeit gewesen, als der Mann auf die Fahrbahn gesprungen sei, berichtet sie. Sie hielt an und kurbelte die Scheibe einen Spalt breit hinunter. Der Fremde teilte ihr mit, er wolle "nach Hause", nach Schönermark. Ob sie ihn mitnehmen könne? Sie verneinte dies. Sie habe einen anderen Weg, gab sie zurück.

Völlig unvermittelt, so ihre weitere Aussage, riss der 21-Jährige sodann die Fahrertür auf, zerrte sie sie aus dem Wagen, trat, schlug und würgte sie. Zudem habe er sie mit einem Leitpfosten, den er aus dem Boden gerissen habe, bedroht, erinnert sich die 48-Jährige. Sie habe Todesangst gehabt, erzählt Diana A., immer wieder von Schluchzen unterbrochen.

Lange Haftstrafe möglich

Unterdessen hatte Benjamin S. der Aussage zufolge den Platz hinter dem Steuer eingenommen, versuchte, den Wagen zu starten. Erfolglos. Als ein zweites Auto heranfuhr, flüchtete Benjamin S. in den Wald. Der Autofahrer rief sofort die Polizei, die unter anderem mit einem Hubschrauber nach Benjamin S. suchte. Erst am nächsten Morgen wurde er gefunden, mehrere Kilometer vom Tatort entfernt, nahe der Ortschaft Krangen.

Diana A. wurde in der Nacht zum 8. Mai von einem Krankenwagenteam in Empfang genommen. "Ich sah aus wie nach einem Boxkampf, auch im Auto war Blut", erinnert sie sich.

Die sichtbar angeschlagene Frau kann an diesem ersten Prozesstag nicht am Stück aussagen, eine Pause ist nötig. Sie will den Platz gleich neben ihrem Anwalt nicht verlassen und der Angeklagte wird, während sie aussagt, in einen anderen Raum gebracht. Das haben die Richter angeordnet. Sie zeigens sich überzeugt, dass die Anwesenheit des Mannes das Opfer einschüchtern würde.

Benjamin A. drohen jetzt mindestens fünf Jahre Haft oder die Unterbringung in der Gefängnispsychiatrie. Eine wichtige Rolle wird die Aussage des psychiatrischen Gutachters spielen, der den gesamten Prozess begleitet. Ein Urteil könnte Mitte Dezember verkündet werden.

Sendung: Brandenburg aktuell, 22.11.2023, 19:30 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Ich weiß nicht, ob Frau Steger früh um vier Uhr, allein im Auto auf einer einsamen Landstraße, noch ihre vollmundige Einschätzung, einen (unscheinbaren) Anhalter mitzunehmen, wahr machen würde. Da ist sie wohl die Einzigste - das "Anhalterwesen" existiert nicht mehr. Genauso halte ich "Mitfahrbänke", vor allem auf dem Land, für verhängnisvoll.

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