Brandenburgs ältester Plattenladen - "Den Tonarm rauflegen, wieder runternehmen am Ende - nur das macht mich glücklich"
Musik von der Schallplatte - das ist schon was Besonderes. Ein fester Anlaufpunkt für Vinyl-Fans ist seit 30 Jahren der wohl älteste Plattenladen Brandenburgs: Kontor Records in Kyritz. Björn Haase-Wendt über die Faszination der schwarzen Scheibe.
Wer den kleinen Plattenladen in Kyritz betritt, taucht ab in eine andere Welt. Eine große Diskokugel hängt im Geschäft, unzählige bunte Vinyls kleben an der Decke, und in den Regalen stehen Tausende Schallplatten - vor allem Alben, denn sie sind immer mehr im Kommen.
Es sollte schon was Cooles sein, was Modernes für diese Zeit
"Jeder Künstler, der etwas auf sich hält, bringt von seinem Album auch eine Vinyl, manchmal zwei oder drei oder sogar ne Vinylbox raus", sagt Ulf Karge. Der 53-Jährige hat vor 30 Jahren den Plattenladen am Rande der Kyritzer Innenstadt gegründet, weil er als Techno DJ nicht immer nach Berlin zum Platteneinkauf fahren wollte. Damals war er 23 Jahre alt. "Ich dachte mir, inzwischen habe ich soviel Erfahrung und Ahnung von dieser Szene, wie wäre es wenn ich selber ein Plattenladen aufmachen würde." Mit Erfolg: Im Nordwesten Brandenburgs wurde er zur festen Anlaufstelle von Musikfans und DJs - auch durch seine Kontakte in die Szene.
Daher stammt auch "Kontor Records", der Name des Geschäfts. Denn Ulf Karge und seine DJ-Kollegen nutzten Anfang der 90er-Jahre ein kleines Lagergebäude, einen Kontor, am Bahnhof von Breddin für ihre Partys. " Ich wollte auf jeden Fall nicht, dass es hier 'Ulf Plattenstübchen' oder 'Ulfs Plattenkiste' heißt. Es sollte schon was Cooles sein, was Modernes für diese Zeit."
"Jeder Plattenladen-Betreiber hat ein anderes Einkaufsverhalten"
In der Musikszene hat sich Karge einen Namen gemacht - auch weil DJs hier andere Musik als in den sonstigen Geschäften bekamen. "Jeder Plattenladen-Betreiber hat ein anderes Einkaufsverhalten. Ich habe bei einer bestimmten Klientel von DJs ein großes Interesse geweckt, die lieber zu mir kamen, weil sie etwa in Magdeburg eher die harten Sachen Techno fanden und bei mir eher die House-Richtung.“
Ulf Karge hört heute immer wieder, dass die Vinyl ihr Comeback feiert. Für ihn war sie nie weg. Aber die Kundschaft habe sich in den letzten 10 Jahren geändert. "Vor 30 Jahren, als ich aufgemacht habe, habe ich sehr viele Maxis verkauft. Mit denen haben wir DJs ja aufgelegt. Die haben leider 20 Jahre später, also vor etwa 10 Jahren, der Schallplatte, dem Auflegen mit Vinyl, völlig den Rücken gekehrt. Und kommen heute nur mit einem USB Stick zum Musikmachen."
Jetzt sind es Musikliebhaber, die nach neuen Alben und Schätzen suchen. Einer von ihnen ist Andreas Berg aus Wusterhausen/Dosse. "Man findet hier wirklich ältere Sachen aus den Achtzigern, Neunzigern. Und wenn aktuelle neue Sachen kommen, ist er immer bereit, die zu bestellen, falls er sie noch nicht da hat. Und ich bin ehrlich gesagt sehr froh, weil er in der Gegend hier bei uns der einzige ist."
Den Reiz der Vinyl mache das Gefühl, das Prozedere des Musikgenusses aus, sagt Karge. "Die Haptik des Auflegens, des Herausnehmens der Platte und des Saubermachens, den Tonarm raufenlegen, wieder runternehmen am Ende - nur das macht mich dann glücklich beim Musikhören."
"Wenn man als Unternehmer nicht mit der Zeit geht, dann geht man halt mit der Zeit"
Doch was macht Ulf Karge anders, dass er sich seit 30 Jahren mit seinem Plattenladen in der Kleinstadt in Ostprignitz-Ruppin halten kann? Zum einen konnte er recht schnell seine Geschäftsräume kaufen, spart sich also hohe Mietkosten. Zum anderen setzte er recht früh schon auf den Versand von Vinyl. Heute macht das Online-Geschäft den Großteil aus. "Selbst aus der eigenen Stadt bestellen Leute im Internet Platten oder CDs, obwohl sie nur um die Ecke zu gehen brauchen. Da sieht man mal: Wenn man als Unternehmer nicht mit der Zeit geht, dann geht man halt mit der Zeit - und verschwindet vom Markt."
Aber es ist eben auch das Stöbern und Entdecken, das die Kunden in dem Kyritzer Plattenladen schätzen. Ulf Karge erlebt deshalb auch so etwas wie einen Plattenladen-Tourismus. "Die verbringen ihren Urlaub in der Nähe und gucken, ob sie hier einen Plattenladen finden. Ich habe auch viele Geschäftskunden, die von Berlin nach Hamburg fahren, und das mit einem Aufenthalt hier verbinden." Auswahl gibt es im "Kontor" genug: Um die 10.000 Platten quer durch alle Genres stehen in den Regalen. Und Ulf Karge will noch lange weitermachen.
Sendung: Der Tag, 16.08.2024, 18:00 Uhr