Brandenburgs ältester Plattenladen - "Den Tonarm rauflegen, wieder runternehmen am Ende - nur das macht mich glücklich"

Sa 17.08.24 | 09:43 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Brandenburgs ältester Plattenladen, innen (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.08.2024 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Musik von der Schallplatte - das ist schon was Besonderes. Ein fester Anlaufpunkt für Vinyl-Fans ist seit 30 Jahren der wohl älteste Plattenladen Brandenburgs: Kontor Records in Kyritz. Björn Haase-Wendt über die Faszination der schwarzen Scheibe.

Wer den kleinen Plattenladen in Kyritz betritt, taucht ab in eine andere Welt. Eine große Diskokugel hängt im Geschäft, unzählige bunte Vinyls kleben an der Decke, und in den Regalen stehen Tausende Schallplatten - vor allem Alben, denn sie sind immer mehr im Kommen.

Der Besitzer vom Brandenburgs ältesten Plattenladen (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Ulf Karge in seinem Geschäft | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Es sollte schon was Cooles sein, was Modernes für diese Zeit

"Jeder Künstler, der etwas auf sich hält, bringt von seinem Album auch eine Vinyl, manchmal zwei oder drei oder sogar ne Vinylbox raus", sagt Ulf Karge. Der 53-Jährige hat vor 30 Jahren den Plattenladen am Rande der Kyritzer Innenstadt gegründet, weil er als Techno DJ nicht immer nach Berlin zum Platteneinkauf fahren wollte. Damals war er 23 Jahre alt. "Ich dachte mir, inzwischen habe ich soviel Erfahrung und Ahnung von dieser Szene, wie wäre es wenn ich selber ein Plattenladen aufmachen würde." Mit Erfolg: Im Nordwesten Brandenburgs wurde er zur festen Anlaufstelle von Musikfans und DJs - auch durch seine Kontakte in die Szene.

Daher stammt auch "Kontor Records", der Name des Geschäfts. Denn Ulf Karge und seine DJ-Kollegen nutzten Anfang der 90er-Jahre ein kleines Lagergebäude, einen Kontor, am Bahnhof von Breddin für ihre Partys. " Ich wollte auf jeden Fall nicht, dass es hier 'Ulf Plattenstübchen' oder 'Ulfs Plattenkiste' heißt. Es sollte schon was Cooles sein, was Modernes für diese Zeit."

"Jeder Plattenladen-Betreiber hat ein anderes Einkaufsverhalten"

In der Musikszene hat sich Karge einen Namen gemacht - auch weil DJs hier andere Musik als in den sonstigen Geschäften bekamen. "Jeder Plattenladen-Betreiber hat ein anderes Einkaufsverhalten. Ich habe bei einer bestimmten Klientel von DJs ein großes Interesse geweckt, die lieber zu mir kamen, weil sie etwa in Magdeburg eher die harten Sachen Techno fanden und bei mir eher die House-Richtung.“

Ulf Karge hört heute immer wieder, dass die Vinyl ihr Comeback feiert. Für ihn war sie nie weg. Aber die Kundschaft habe sich in den letzten 10 Jahren geändert. "Vor 30 Jahren, als ich aufgemacht habe, habe ich sehr viele Maxis verkauft. Mit denen haben wir DJs ja aufgelegt. Die haben leider 20 Jahre später, also vor etwa 10 Jahren, der Schallplatte, dem Auflegen mit Vinyl, völlig den Rücken gekehrt. Und kommen heute nur mit einem USB Stick zum Musikmachen."

Jetzt sind es Musikliebhaber, die nach neuen Alben und Schätzen suchen. Einer von ihnen ist Andreas Berg aus Wusterhausen/Dosse. "Man findet hier wirklich ältere Sachen aus den Achtzigern, Neunzigern. Und wenn aktuelle neue Sachen kommen, ist er immer bereit, die zu bestellen, falls er sie noch nicht da hat. Und ich bin ehrlich gesagt sehr froh, weil er in der Gegend hier bei uns der einzige ist."

Den Reiz der Vinyl mache das Gefühl, das Prozedere des Musikgenusses aus, sagt Karge. "Die Haptik des Auflegens, des Herausnehmens der Platte und des Saubermachens, den Tonarm raufenlegen, wieder runternehmen am Ende - nur das macht mich dann glücklich beim Musikhören."

"Wenn man als Unternehmer nicht mit der Zeit geht, dann geht man halt mit der Zeit"

Doch was macht Ulf Karge anders, dass er sich seit 30 Jahren mit seinem Plattenladen in der Kleinstadt in Ostprignitz-Ruppin halten kann? Zum einen konnte er recht schnell seine Geschäftsräume kaufen, spart sich also hohe Mietkosten. Zum anderen setzte er recht früh schon auf den Versand von Vinyl. Heute macht das Online-Geschäft den Großteil aus. "Selbst aus der eigenen Stadt bestellen Leute im Internet Platten oder CDs, obwohl sie nur um die Ecke zu gehen brauchen. Da sieht man mal: Wenn man als Unternehmer nicht mit der Zeit geht, dann geht man halt mit der Zeit - und verschwindet vom Markt."

Aber es ist eben auch das Stöbern und Entdecken, das die Kunden in dem Kyritzer Plattenladen schätzen. Ulf Karge erlebt deshalb auch so etwas wie einen Plattenladen-Tourismus. "Die verbringen ihren Urlaub in der Nähe und gucken, ob sie hier einen Plattenladen finden. Ich habe auch viele Geschäftskunden, die von Berlin nach Hamburg fahren, und das mit einem Aufenthalt hier verbinden." Auswahl gibt es im "Kontor" genug: Um die 10.000 Platten quer durch alle Genres stehen in den Regalen. Und Ulf Karge will noch lange weitermachen.

Brandenburgs ältester Plattenladen (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Kontor Records feiert 30. Geburtstag

Sendung: Der Tag, 16.08.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

8 Kommentare

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  1. 8.

    Interessanter Plattenladen und das gebäude ist chic!
    Ich lege ab und wann gern mal ne Platte auf, dreh die die Musik laut auf und diese warmen, tiefen und kristallinen Klänge, kommen dann aus den großen Boxen, nubertmäßig, der Plattenteller dreht sich gleichmäßig in Thorensart und Tom Waits brüllt, krächtzt und singt zart seine Geschichten. Aber ooch Bach oder Zappa oder Joss Stone, PJ Harvey und und und...!
    Vinyl macht Freude!

  2. 7.

    Ich habe meine 3 Meter LPs und Maxis nach und nach abgebaut, die letzten habe ich meinem Lieblingsfriseur <3 vermacht. Eine habe ich aber behalten und eingerahmt: Mink de Ville, B-Seite von miracle "I call your name"..... (mit Mark Knopfler, Dire Straits). Mit Guido reden wir bei fast jedem Haarschnitt über Musick und NEUE Schallplatten :-) weil's einfach gut ist!

    Ok, habe einen kleinen "Schaden", mein erster Freund war DJ und Plattenladenchef, er ist immer noch die Ikone im Heimathafen. Und es gab Zeiten, da war ich 6 von 7 Tagen die Woche in Discos, wie Clubs damals noch hießen. Damals, als DJs mit riesigen schwarzen Plattenkoffern zur Arbeit gingen und nach der Flasche Matteus Rose auf Wodka umstiegen, nix Mische, weißte... ;-)

  3. 6.

    ….“ es gibt doch kaum etwas, was es nicht auch elektronisch gibt, oder?“
    Wohl wahr… sogar fast unbekannte Bands die immer mal wieder im Quasimodo gespielt haben wie „Supercharge“ bekommt man elektronisch ….

  4. 5.

    Ich weiß, ich bin hier etwas fehl am Platze, aber: ich hatte auch Schallplatten. Sehr viele. Die habe ich nach und nach an Läden verkauft, an Freunde verschenkt, ein paar wenige, seltene, habe ich noch, auch wegen der Plattencover - wofür sich eine Sammlung anzulegen natürlich auch lohnt. Ansonsten, ich muss es leider sagen: mir ist ein störungsfreies Hören ohne Rauschen und Knistern inzwischen lieb geworen: so habe ich die ganze Qualität der Aufnahme im Studio resp. auf der Bühne, also den ganzen akustischen Genuss. Und, ja, auch weil man älter geworden ist, wird man fauler: man muss nicht wegen jeder Platte aufstehen und umdrehen, ein Knopfdruck genügt heutzutage man kann sich die Musik seines Geschmacks, seiner Stimmung und Laune sofort, ohne aufstehen zu müssen, in die Akustikanlage holen. Und falls jetzt jemand sagt: ach der hat ja keine Ahnung, wie Platten klingen, naja - ich bin Musiker. Und, mal ehrlich: es gibt doch kaum etwas, was es nicht auch elektronisch gibt, oder?

  5. 4.

    Ja die Schallplatte. Ich finde, da lebt Musik erst richtig auf - vor allem Oldies. Louis Armstrong z.B. Blueberry Hill oder C'est si bon - am liebsten auf 45er (Single) von "His Masters Voice" in Mono. Die Stimme und das leise knarzen dazu - unerreicht. Da kommt keine Dosenmusik mit.

  6. 3.

    Es ist schön, dass Schallplatten nicht am Aussterben sind und es noch hierfür Händler gibt.
    Aber für das gute Hören von Musik gehört etwas mehr. Das fängt bereits mit dem richtigen Händler an.
    Beim jeweiligen Abspielgerät, der dazugehörigen Stereoanlage, den richtigen auf die Anlage und der auf die Räumlichkeit abgestimmten Lautsprecherboxen darf man nicht sparen!
    Natürlich gehört auch die Pflege der Medien und der Anlage dazu. Sonst kommt statt Musik mit sauberen Klängen, nur Krach heraus...

  7. 2.

    Habe mich vor längere Zeit von all meinen Schallplatten getrennt. Freue mich aber immer wieder zu hören oder wie hier zu lesen die Platten sind einfach nicht totzukriegen. Gut so. Und wer dann auch noch die richtige Stereoanlage dafür hat kann sich täglich daran erfreuen.

  8. 1.

    Super! Vor allem, wenn jetzt die Bahn für lange Zeit ausfällt?
    Sehr schönes Geschäft, wie man besichtigen kann (hier vom Foto). Vielleicht sollte er dies als Postkarte in den Umlauf bringen? Er wird ja wissen, wie es gehen kann. Auch wenn ich so schnell nicht wieder nach Kyritz kommen kann/werde, aber der Laden in diesem Haus ist eine S e h e n s w ü r d ig k e i t.
    Schön, dass dazu berichtet wurde - rbb24 sozusagen als "Perlenfischer"!

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