Hochwasser - Warum Berlin kaum von Überschwemmungen betroffen ist

Do 19.09.24 | 17:11 Uhr
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Archivbild: Die Oberbaumbrücke spiegelt sich am 22.12.2022 bei trüben, regnerischem Wetter im Wasser der Spree (Quelle: dpa / Jens Kalaene).
dpa / Jens Kalaene
Video: Der Tag | 16.09.2024 | Cenan Köhler | Bild: dpa / Jens Kalaene

In Nachbarländern haben Hochwasser zuletzt drastische Schäden angerichtet. Am Wochenende steigen die Pegel auch in manchen Regionen Brandenburgs laut der Vorhersagen deutlicher. Berlin dagegen ist von solchen Ereignissen kaum gefährdet - woran liegt das?

In Österreich, Tschechien und Polen haben die Wassermassen der vergangenen Tage Verheerendes angerichtet. Dämme brachen, mehrere Menschen starben in den Fluten. Nach den extremen Regenfällen steigen die Pegel von Oder und Elbe weiter, entsprechend bereitet man sich auch in Brandenburg auf Hochwasser vor - ohne mit ähnlich schlimmen Ausmaßen rechnen zu müssen wie in den Nachbarländern.

Der Pegel der Oder in Frankfurt soll den Prognosen zufolge erst Mitte kommender Woche seinen Höhepunkt erreichen. Im kleinen Ort Ratzdorf, wo die Oder zuerst brandenburgisches Gebiet erreicht, wird wohl am kommenden Montag die höchste Alarmstufe 4 erreicht, mit einem Wasserstand von um die 6 Meter. Schaufeln, Sandsäcke, Helfer vom Katastrophenschutz - aus Brandenburg kennt man diese Bilder schon seit Jahrzehnten, auch aus Großstädten wie Dresden.

Berlin aber ist fast nie von Überschwemmungen betroffen. Laut dem Gesamtverband der Versicherer sind nur 150 von 391.000 Adressen in der Hauptstadt hochwassergefährdet - das entspricht 0,04 Prozent [gdv.de].

Genug Auslauf

Die Metropole ist vergleichsweise flach, auch in der Umgebung kann das Wasser der breiten Spree durch mangelnde Berge oder überhaupt nur nennenswerte Hügel kaum Fahrt aufnehmen, bevor es durch die Stadt fließt – das gilt natürlich auch für die größten Teile Brandenburgs. Aber die Hauptflüsse Spree und Havel fließen sehr träge und haben viele Seen als natürliche Wasserreservoire. Das führt dazu, dass die Flüsse kaum über ihr normales Niveau ansteigen und Uferbereiche überfluten. Die Pegel von Spree und Havel werden außerdem mit Schleusen reguliert, sodass ihre durchschnittliche Wassertiefe stabil bleibt.

Nicht zuletzt gibt es einige natürliche Überflutungsflächen wie Wiesen und Auen, die Hochwasser aufnehmen können. Wenn es starke Niederschläge im oberen Lauf der Spree gibt, werden sie abgepuffert, bevor Hochwasser Schäden in Berlin anrichten kann. Der Spreewald wirkt dabei mit seinen vielen kleinen Nebenläufen wie ein Schwamm. Aber auch die ehemaligen Tagebaue in der Lausitz, die nun zu Seen geworden sind oder noch werden, können enorme Mengen Wasser aufnehmen, zum Beispiel der künftige Cottbuser Ostsee, ebenso Müggelsee und -spree – in Berlin selbst tritt die Spree dann nicht über die Ufer.

Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben bei einem Interview an der Spree mit dem rbb am 16.09.2024 (Quelle: rbb).
"Dümpeln ganz langsam vor sich hin": Der Sprecher der Wasserbetriebe, Stephan Natz. | Bild: rbb

Fünf Überschwemmungsbereiche im Stadtgebiet

Wassermassen wie aktuell in den Nachbarländern seien in Berlin in diesen Ausmaßen undenkbar, erklärt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. "Unsere beiden Flüsse, die hier durch die Stadt gehen, die Spree und die Havel, die sind ja eher aufgestaute Seen-Ketten, die dümpeln ganz langsam vor sich hin. Sie kommen beide nicht aus Gebirgen, an denen sich große Regenwolken abregnen lassen können", sagt Natz.

Problematisch können eher die kleinen Gewässer werden: Panke, Erpe, Müggelspree einschließlich der Gosener Wiesen, das Tegeler Fließ und die Untere Havel/Untere Spree sind laut der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die einzigen fünf offiziellen Überschwemmungsgebiete im Stadtgebiet. In diesen Gebieten darf nicht gebaut werden, nehmen anderen Schutzmaßnahmen. Insgesamt ist davon aber nur ein Prozent der Berliner Landesfläche betroffen.

Eine Hochwasserschutzkarte des Berliner Senats weist drei Zonen in der Stadt auf, die von Starkregen besonders betroffen sein könnten, 16.09.2024 (Quelle: rbb).
Bisher sind drei gefährdete Gebiete auf der Karte des Senats ausgewiesen: Nahe des Flughafensees, in Moabit und am Obersee. Hier könnte sich Starkregen besonders auswirken. | Bild: rbb

Wasser eher von oben gefährlich - wenn es Starkregen ist

Wenn Wasser in Berlin zum Problem wird, dann durch Starkregenereignisse, wie zum Beispiel im Sommer 2017: Damals wurde Berlin vom bundesweiten drittschwersten Starkregen seit mehr als 100 Jahren getroffen, innerhalb von 24 Stunden fielen mehr als 200 Liter Regen pro Quadratmeter. Wenn in kürzester Zeit soviel Wasser von oben kommt, können Boden und Kanalisation es nicht mehr aufnehmen. "Durch den Klimawandel gehen wir davon aus, dass Starkregenereignisse intensiver und häufiger auftreten werden", sagt Benjamin Creutzfeldt, der Leiter der Leitung der Landeshydrologie von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. Auch die zunehmende Versiegelung spielt eine Rolle.

Dass dieser Starkregen zu regelrechtem Hochwasser führt, dazu müsste aber einiges zusammenkommen, sagt Creutzfeldt. "Eine geringe Wahrscheinlichkeit ist stets gegeben, insbesondere wenn ein Flußhochwasser und ein Starkregenereignis in einem extrem seltene Fall aufeinander treffen würden, dann käme es in kritischen Bereichen zu Schäden", erklärt der Hydrologe.

Dr. Benjamin Creutzfeldt, Leiter der Landeshydrologie, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in Berlin, bei einem Interview an der Spree mit dem rbb am 16.09.2024 (Quelle: rbb).
"Starkregenereignisse intensiver und häufiger": Der Hydrologe Benjamin Creutzfeldt von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. | Bild: rbb

Interaktive Karte für die lokale Gefahr bei Starkregen

Der Senat hat deshalb mit dem Erstellen einer Starkregen-Gefahrenkarte begonnen, die man im Internet genauer ansehen kann [berlin.de]. Die Karte zeigt für drei unterschiedlich intensive Regenszenarien beispielsweise wie hoch das Wasser an verschiedenen Standorten steigen könnte oder die prognostizierte Fließgeschwindigkeit der Wassermassen. Statistisch sind nach aktuellen Berechnungen, vor allem Teile von Lichtenberg, Reinickendorf und Moabit betroffen.

Vor allem Grundstücks- und Hausbesitzer sollten sich mit den Starkregenkarten auseinandersetzen, sagt der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, Stephan Natz. "Das wissen die Wenigsten: Vorsorge für solche temporären Überflutungen liegt jeweils bei den Grundstücksbesitzenden", sagt Natz. Bisher ist die Karte allerdings nur für bestimmte Gebiete verfügbar. Weil man bis auf die Grundstücksgröße heranzoomen kann, hat die Datenschutzbeauftragte bislang Bedenken. Die Karte soll laut Senatsverwaltung und Wasserbetrieben aber in den kommenden Jahren sukzessive erweitert werden.

"Auf Dauer gesehen viel zu wenig Wasser"

Das Risiko für Überflutungen wie aktuell in Polen und Tschechien sei auch im Umland von Berlin gering, weil es auch da keine nennenswerten Flüsse gebe, sagt der Wasserbetriebe-Sprecher Natz. "Wir werden es natürlich erleben, dass im Randbereich von Brandenburg, nämlich im Odertal, nämlich die Oder sehr stark ansteigen wird. Wir werden aber letztlich keine Überflutungen in Städten erleben, wo Brücken weggerissen werden oder Häuser unterspült werden. All das kann es in unserem Bereich nicht geben", sagt Natz. Auf Dauer gesehen habe man in Berlin eher viel zu wenig Wasser - "nicht vom Himmel, sondern auch in unseren Flüssen."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 19.09.2023, 19:30 Uhr

23 Kommentare

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  1. 23.

    …und es genauso wenig schlau zu leugnen, dass der Mensch den Planeten gerade fertig macht…da hilft es auch nicht mit dem ‚schlauem‘ (Narrativ) Begriff um sich zu werfen, den sowieso jeder Zweite benutzt!

  2. 22.

    In Berlin trinkt keiner aus der Spree, Berlin hat hunderte Brunnen wo noch Wasser gefördert werden kann, wenn Deutschland eine Wüste wäre.

  3. 21.

    In der Schleuse ist keine Wildwasserfahrt, na klar wird da auch das Wasser gestaut.

  4. 19.

    Die ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch den Überleiter kann man bei den über 200 Kubikmetern pro Sekunde am Dienstag in der Neiße getrost vernachlässigen.

  5. 17.

    Wenn sie das interessiert. dürften sich die Informationen online gut finden lassen.

    Beispiel: Für meinen Standort und die umliegenden Gewässer und Kanäle konnte ich in den Dokumenten zum Elbe-Hochwasser 2013 die nötigen Informationen herauslesen, zu Auswirkungen des Elbe-Hochwassers auf die Havel/Havelkanal, zu Pegelständen, Rückstau, Wehren und Überflutungsflächen, Risiken etc.

    Schauen Sie doch mal, ob sie ähnliches für die Oder finden können, der Oder-Spree Kanal sollte dort ja enthalten sein.

  6. 16.

    Nein, ich bin der DDR nicht dankbar dafür, dass die massiv auf braune Kohle gesetzt hat und deren Restlöcher jetzt Berlin angeblich vor Hochwassern schützen, die auch dank der Verbrennung der braunen Kohle häufiger und heftiger ausfallen.

  7. 15.

    Bevor es die Braunkohletagebaue gab, hat das Wasser für Berlin doch auch gereicht. Wie ging das denn damals? Irgendwann wird der Grundwasserspiegel auf die Höhe wie vor der Braunkohlezeit gestiegen sein und alle Tagebaurestlöcher voll sein. Dann müßte wieder genug Wasser nach Berlin fließen. Oder irre ich mich?

  8. 14.

    Aha, die Lausitzer Tagebaue versorgen also Berlin mit Trinkwasser? Und wie war das, bevor es diese Tagebaue gab?
    Und der Klimawandel ist nur ein Narrativ? Weltweite Extremwetterereignisse, Erwärmung der Ozeane, Klimaveränderungen etc.pp.?

  9. 13.

    Welches Argument meinen Sie denn?
    Und warum Unsinn und der Vergleich mit Brandenburg?
    Wenn der Autor über die Hochwasserrisiken in Berlin schreiben möchte oder soll, muss er ja noch lange nix über BRB schreiben? 150 von 390.000 gefährdete Adressen dürfte Brandenburg locker überbieten.
    Wenn Sie die Inhalte nach Ihrem Geschmack wollen, sollten Sie vielleicht die Stellenanzeigen beim rbb beobachten. Vielleicht ist da ja mal ein Chefposten dabei.

  10. 11.

    A la long wird Berlin das Wasser fehlen, das bisher im Zuge der Trockenlegung der Braunkohletagebaue in der Lausitz in die Spree gepumpt wird. Und das sind im Durchschnitt ca. 7 Kubikmeter pro Sekunde. Macht je nach Jahreszeit bis zu Dreiviertel von Berlins Trinkwasserverbrauch aus. Ab 2038, wenn die Tagebaue stillgelegt werden, fehlt dieses Wasser dann komplett. Aber zum Glück gibt’s ja das Narrativ vom menschgemachten Klimawandel, der für den dann herrschenden Wassermangel verantwortlich gemacht werden kann.

  11. 10.

    Gute Frage. Es gibt ja z.B. den Oder-Spree-Kanal. Aber wie der sich bei Hochwasser verhält, müsste mal ein Experte erklären.

  12. 9.

    Cölln-Berlin ist eigentlich ein Sumpfgebiet das künstlich trockengelgt wurde, deshalb stehen ja auch etliche alte Gebäude auf Pfählen. Wenn man Berlin renaturieren würde, würde es wieder zu Sumpf werden.

  13. 8.

    Das Argument ist doch Unsinn. Auch in Brandenburg ist nur eine ganz kleine Fläche durch Hochwasser gefährdet.

  14. 7.

    Schleusen dienen der Schiffahrt zum Überwinden des Höhenunterschiedes im Fluss, damit kann man nichts aufstauen. Die Regulierung erfolgt über Wehre.

  15. 6.

    Berlin macht die Schleusen zu, dadurch werden die Flächen in Brandenburg überflutet und der Grundwasserspiegel steigt. Im Ergebnis haben die Brandenburger das Grundwasser mal wieder in den Kellern und bleiben auf dem Schaden sitzen. Da zahlt weder eine Versicherung noch Berlin eine Entschädigung.

  16. 5.

    Kann man nicht die Neiße Richtung Spree entlasten? Es gibt doch diese Überleitung.

  17. 4.

    Nö, das war nur temporär. Sie führt wieder ganz normal Wasser; seh' ich jeden Tag, wenn ich zum Bahnhof radele.

    Gruß
    Navan

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