Prozessbeginn in Stettin - Anklage: Prenzlauer Frauenärztin soll Frauen in Polen bei Abtreibung geholfen haben

Do 17.10.24 | 18:01 Uhr
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Die Prenzlauer Chefärztin Maria Kubisa und ihre Unterstützer vor dem Bezirksgericht Stettin. (Quelle: rbb)
Die Ärztin Maria Kubisa mit mehreren Unterstützern vor dem Bezirksgericht Stettin. | Video: Brandenburg aktuell | 17.10.2024 | Michael Lietz | Bild: rbb

Die leitende Gynäkologin des Prenzlauers Krankenhauses muss sich vor der polnischen Justiz verantworten. Sie soll Frauen in Polen zu Abtreibungen verholfen haben. Die polnische Ärztin sagt, die Frauen seien im Lebensgefahr gewesen.

Ein Prozess gegen die leitende Gynäkologin im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark), die Frauen widerrechtlich bei einer Abtreibung geholfen haben soll, hat am Donnerstag in Polen begonnen.

Die Staatsanwaltschaft Stettin wirft der Angeklagte Maria Kubisa vor, in sechs Fällen aufgrund finanziellen Vorteiles den Frauen beim Schwangerschaftsabbruch geholfen zu haben. Sie soll Medikamente zum Schwangerschaftsabruch nach Polen geschickt haben. Schwangerschaftsabbrüche sind in Polen nach Paragraf 152 des polnischen Strafgesetzbuches illegal, es drohen bis zu drei Jahre Haft.

Staatsanwaltschaft hatte Akten von tausenden Patientinnen beschlagnahmt

Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe: "Das ist eine Lüge", sagte sie vergangene Woche dem rbb. Sie sei im Krankenhaus Prenzlau angestellt und werde für ihre Arbeit nicht zusätzlich honoriert. Ihre Arbeit in Deutschland ist nach deutschem Recht legal.

Konkret geht es im Prozess um die Zeit der Corona-Pandemie. Als die Grenze geschlossen war, konnten polnische Schwangere nicht in Prenzlau behandelt werden. Stattdessen seien etwa Abtreibungspillen nach Polen geschickt worden. Damit, so die angeklagte Gynäkologin, sei Frauen in lebensbedrohlichen Situationen medizinische Hilfe geleistet worden.

In einem Büro der Ärztin im polnischen Stettin hatte die dortige Staatsanwaltschaft tausende Akten beschlagnahmt und Fälle von Abtreibungen herausgefiltert. Frauenrechtsgruppen hatten kritisiert, die Polizei verstoße damit gegen das Patientengeheimnis.

Diese Tat des Staatsanwalts sei "skandalös" gewesen, sagte Kubisas Anwalt Rafal Gawecki dem rbb. Er habe absolut keinen Grund gehabt, zu solchen Maßnahmen zu greifen. Es seien tausende Akten beschlagnahmt worden, obwohl es nur Informationen auf einen möglichen Fall gegeben habe. Gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft habe er Berufung eingelegt und weitgehend Recht bekommen, so Gawecki.

Maria Kubisa ist Frauenärztin in Prenzlau. Bild: rbbDie Gynäkologin Maria Kubisa. Bild: rbb

Keine Parlamentsmehrheit für Legalisierung von Abtreibungen

Polen hat aktuell eines der restriktivsten Abtreibungsrechte in Europa. Der Abbruch einer Schwangerschaft ist nur möglich, wenn diese aus einer Vergewaltigung oder Inzest hervorging oder wenn das Leben und die Gesundheit der Frau gefährdet sind. Wer einer Frau zur Abtreibung verhilft, kann mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden.

Die seit einem Jahr regierende Mitte-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk versucht bisher erfolglos, das von der nationalkonservativen Vorgängerregierung der PiS-Partei umgesetzte nahezu vollständige Abtreibungsverbot zu lockern.

Zuletzt forderte Tusks Regierung im August die Justiz auf, auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit einer Frau als ausreichenden Grund für einen Schwangerschaftsabbruch anzuerkennen. Eine Entscheidung steht noch aus. Eine Parlamentsmehrheit für eine Legalisierung von Abtreibungen werde es bis zur nächsten Wahl aber wohl nicht geben, räumte Tusk ein.

Ärztin will weitermachen

Nach dem ersten Prozesstag sagte die leitende Gynäkologin Kubisa, sie werde - egal wie das Urteil ausfällt - weiterhin auch polnische Frauen in der Not helfen. "Nach 33 Jahren ununterbrochener Arbeit für Frauen, wo man jeden Tag einen Fehler machen kann, habe ich keinem was Schlechtes getan", sagte sie am Donnerstag dem rbb. Sie helfe den Frauen gern mit dem, was sie gelernt habe.

Am 11. Dezember wird sich wahrscheinlich entscheiden, ob Kubisa mit einem Freispruch das Bezirksgericht Stettin verlassen kann oder verurteilt wird. Das Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Sendung: Brandenburg aktuell, 17.10.2024, 19:45 Uhr

37 Kommentare

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  1. 37.

    Der Polnischen Staatsanwaltschaft lag genau EIN Verdachtsfall gegen das Büro in Stettin vor, und daraufhin wurden tausende Akten beschlagnahmt und umgekrempelt. Aus dieser Mega-Ermittlung hat man nun ganze SECHS Fälle konstruieren können, bei denen sich die Ärztin während der Corona-Zeit schuldig gemacht haben soll, da sie offenbar in Not befindlichen Frauen, die aufgrund der Beschränkungen nicht nach Deutschland einreisen konnten, geholfen hat.

    Ihre "Geschäftszweck" Unterstellung, die ja nichts anderes meint, als dass Maria Kubisa das Info Büro in Stettin nur zum Zwecke der Umsatzsteigerung für ihre Tätigkeit in Prenzlau betreibt, ist mehr als unredlich, "Frau Doktor".

  2. 36.

    So so, Sie wollen also nicht "voreilig sein", unterstellen der Ärztin aber, sie betreibe in Polen eine "nebengewerbliche Praxis". Dass diese Einrichtung in Stettin keine Praxis, sondern aller höchst wahrscheinlich lediglich Informationsbüro und Anlaufstelle für sich in Not befindliche Frauen ist, kommt Ihnen nicht in den Sinn, "kowalski"?

  3. 35.

    Welches Verbrechen hat die Gynäkologin ihrer Meinung nach begangen, ohne natürlich den polnischen Behörden vorgreifen zu wollen?

  4. 34.

    Es ist ja bemerkenswert, dass die Diskussion immer nur darum geht, bis wann frau abtreiben darf und ob die Ärztin jetzt belangt werden kann...die massiv ungerechte Situation der Frau (Armutsfalle, ökonomische Zwangsehe) wird von vielen geflissentlich unter den Tisch gekehrt...

  5. 33.

    Due Sache wird eingestellt, ganz wie alle andere Prozessen gegen protestierenden Frauen in Polen.

  6. 32.

    Ich bin ja im Grunde sogar bei Ihnen, nur ist es nicht an Deutschland, polnische Gesetze zu bewerten, die dort demokratisch legitimiert sind und nicht direkt gegen Menschenrechte verstoßen. Polnische Frauen haben immerhin die Möglichkeit, für den Abbruch nach Deutschland zu kommen. Da macht sich dann auch keiner der Ärzte strafbar. Wer aber die Abtreibung innerhalb Polens unterstützt, muss damit rechnen, von der dortigen Justiz belangt zu werden. Ein Versand von Abtreibungsmedikamenten klingt nicht glaubhaft nach Unterstützung bei Lebensgefahr. Und da liegt eben das Problem. Ich würde mir persönlich wünschen, dass Polen wieder zu frauenfreundlicheren Gesetzen zurück kehrt, aber im Moment gab es dafür eben keine Mehrheit und daher müssen Ärzte entweder bessere Wege finden oder die Strafen dann auch in Kauf nehmen.

  7. 31.

    Na, der Geschäftszweck liegt doch auf der Hand. Da will ich nicht voreilig sein und die Ergebnisse der polnischen Ermittlungsbehörden abwarten. Aber weshalb betreibt eine leitende Gynäkologin des Prenzlauers Krankenhauses im polnischen Stettin sozusagen nebenerwerblich eine Praxis?

  8. 30.

    "In einem Büro der Ärztin im polnischen Stettin hatte die dortige Staatsanwaltschaft tausende Akten beschlagnahmt und Fälle von Abtreibungen herausgefiltert. ". Was war der Geschäftszweck des Büros der Ärztin aus der Uckermark in Stettin?

  9. 29.

    Juristisch gesehen ist das geregelt. Es ist die moralische oder ethische Dimension, die nun ins Spiel gebracht wird. Ich habe da eine klare Haltung zu.
    Es geht auch nicht darum, dass bis kurz vor der Geburt abgetrieben wird, sondern es im Rahmen der gesetzlich festgelegten Fristen eine freie Entscheidung der Frau sein muss.
    Illegale Abtreibungen braucht keine Frau, das können Sie glauben. Wer es aus moralischen Gründen ablehnt, wird davon sicherlich nicht Gebrauch machen.

  10. 28.

    Es ist rechtlich möglich. Denken sie z.B. an Kriegsverbrecher Anklagen und Prozesse. Die und die Verfolgung von IS-Kämpfern werden auch aktuell in Deutschland und Europa realisiert. Aber auch bei anderen Delikten wird Länder übergreifend ermittelt und angeklagt, obwohl die Tat nicht in Deutschland verübt wurde, Beispiel Nord-Stream Anschlag.

  11. 27.

    Was da geschieht ist laut §218 bis zur 12. Woche entwickelt. Danach ist es, wenn Wissenschaft §218 kennt, Tötung!

  12. 26.

    >"Der Versand nach Polen ist illegal,"
    Der Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne Arztgespräch und ohne Rezept ist bei uns auch illegal - davon mal abgesehen.

  13. 25.

    Nein, eben leider nicht so eindeutig. Der Versand nach Polen ist illegal, wenn er dort unter Strafe steht. Der Startpunkt ist dafür unerheblich. Der Tatbestand würde nur bei persönlicher Übergabe innerhalb Deutschlands nicht polnischem Recht unterliegen, da dann die Patientin die Medikamente "importiert" und nicht die Ärztin.
    Der Straftatbestand ist identisch mit dem Versand von Rauschgift nach Deutschland. Auch da macht sich nicht nur der Empfänger, sondern auch der ausländische Versender strafbar.

  14. 24.

    "Ist das überhaupt mit den Menschenrechten vereinbar?" Das ist eben nicht so banal zu beantworten, weil es dafür einer juristischen Regelung bedarf, ab wann menschliches Leben beginnt und damit auch dessen Schutz. Der Staat ist zu beidem verpflichtet: Zum Schutz der Freiheit der Frau, aber gleichzeitig auch zum Schutz des ungeborenen Lebens und befindet sich damit in einem absoluten Spannungsverhältnis. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich die deutsche Regelung gar nicht so schlecht, auch wenn sie durchaus noch etwas liberaler ausfallen könnte und gleichzeitig ein Gegner der polnischen Gesetzgebung. Aber wenn die Mehrheit in Polen, vertreten durch ihre Abgeordneten, die ja auch von Frauen gewählt wurden, das so entschieden hat, wie das jetzt ist, dann muss man das akzeptieren. Es gibt durchaus Mittel und Wege für polnische Frauen, abzutreiben. Viele Kliniken in Grenznähe sind dazu bereit. Dieser Weg ist mühsam, aber nach polnischem Recht derzeit beinahe durchgängig unumgänglich.

  15. 23.

    >"Mit dem Versand aber wurde gegen geltendes polnisches Recht verstoßen."
    ABER! Ihre Tätigkeit hat sie in Deutschland. Also gilt das bundesdeutsche Recht. In Deutschland kann auch niemand verhandelt und verurteilt werden, der in Polen nach nur polnischem Recht eine Straftat beging.

  16. 22.

    Zunächst einmal einleitend: Ich bin klar gegen das Abtreibungsverbot, da ich der Meinung bin, dass Frauen unter Abwägung aller Punkte am Ende selbst entscheiden können müssen, ob sie ein Kind austragen und danach auch versorgen können.
    Zur Anklage selbst: Ich gehe davon aus, dass es zu einer Verurteilung kommen wird, da das polnische Recht hier keinerlei Spielraum lässt. Der Fehler war der Versand von Abtreibungsmedikamenten nach Polen. Das heißt im Umkehrschluss aber wohl auch, dass sie die Patientinnen nie persönlich untersucht hat, sonst hätte sie die Medikamente ja mitgeben können. Dann und nur dann wäre sie außerhalb des polnischen Strafrechts geblieben, da die Tat auf deutschem Boden und damit nach deutschem Recht vollzogen wurde. Mit dem Versand aber wurde gegen geltendes polnisches Recht verstoßen. Dieses Gesetz muss aber politisch gekippt werden, nicht mittels Selbstjustiz.

  17. 20.

    Sehr nette Argumente. Jedoch haben viele Wissenschaftler und auch die Ethikkommission festgestellt, ab wann eine befruchtete Eizelle denn als menschenwürdiges Leben angesehn werden kann. Das hat was mit der Ausbildung des Hirnstamms zu tun und weiteren Voraussetzungen, die durch die Wissenschaft schon lange abgeklärt sind. Daran orientiert sich unser Abtreibungsrecht hier in Deutschland. Und das finde ich so völlig OK.

  18. 19.

    Abtreibung meint die Tötung eines Embryos oder Foetus. Ein Embryo oder Foetus ist ein wehrloser Mensch. Menschen darf man – außer im Falle von Notwehr – nicht töten. Ergo kann es auch kein Menschenrecht auf Abtreibung geben.
    Richtig: Ärzte sollten nicht mit illegalen Handlungen Geld verdienen. Auch die Rede von einem Abtreibungsrecht ist illegal. In Polen wie in Deutschland ist das Recht auf Leben zu fördern, das Leben der Frauen und Kinder zu unterstützen! Mit Anwendung des §218 wird eine legale Konfliktentscheidung geregelt. Niemand muß illegal handeln, wie der Artikel unwissend behauptet! Lebensgefahr ist für Mutter und Kind: die Ärztin nimmt dies als Falsche Schutzbehauptung für ihr vor Gericht zu verantwortendes Handeln!

  19. 18.

    Was mich jetzt ein wenig fragend zurücklässt ist, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, jemanden für eine Tätigkeit zu verurteilen, die in einem anderen Land ausgeführte wurde, in dem diese Tätigkeit nicht rechtswidrig ist.
    Obwohl... in Polen ist trotz EU ja vieles möglich Dank katholischer Politik. So richtig haben die Polen das noch nicht gebacken bekommen mit der Trennung zwischen Staat und Kirche.

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