Prozessbeginn in Stettin - Anklage: Prenzlauer Frauenärztin soll Frauen in Polen bei Abtreibung geholfen haben
Die leitende Gynäkologin des Prenzlauers Krankenhauses muss sich vor der polnischen Justiz verantworten. Sie soll Frauen in Polen zu Abtreibungen verholfen haben. Die polnische Ärztin sagt, die Frauen seien im Lebensgefahr gewesen.
Ein Prozess gegen die leitende Gynäkologin im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark), die Frauen widerrechtlich bei einer Abtreibung geholfen haben soll, hat am Donnerstag in Polen begonnen.
Die Staatsanwaltschaft Stettin wirft der Angeklagte Maria Kubisa vor, in sechs Fällen aufgrund finanziellen Vorteiles den Frauen beim Schwangerschaftsabbruch geholfen zu haben. Sie soll Medikamente zum Schwangerschaftsabruch nach Polen geschickt haben. Schwangerschaftsabbrüche sind in Polen nach Paragraf 152 des polnischen Strafgesetzbuches illegal, es drohen bis zu drei Jahre Haft.
Staatsanwaltschaft hatte Akten von tausenden Patientinnen beschlagnahmt
Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe: "Das ist eine Lüge", sagte sie vergangene Woche dem rbb. Sie sei im Krankenhaus Prenzlau angestellt und werde für ihre Arbeit nicht zusätzlich honoriert. Ihre Arbeit in Deutschland ist nach deutschem Recht legal.
Konkret geht es im Prozess um die Zeit der Corona-Pandemie. Als die Grenze geschlossen war, konnten polnische Schwangere nicht in Prenzlau behandelt werden. Stattdessen seien etwa Abtreibungspillen nach Polen geschickt worden. Damit, so die angeklagte Gynäkologin, sei Frauen in lebensbedrohlichen Situationen medizinische Hilfe geleistet worden.
In einem Büro der Ärztin im polnischen Stettin hatte die dortige Staatsanwaltschaft tausende Akten beschlagnahmt und Fälle von Abtreibungen herausgefiltert. Frauenrechtsgruppen hatten kritisiert, die Polizei verstoße damit gegen das Patientengeheimnis.
Diese Tat des Staatsanwalts sei "skandalös" gewesen, sagte Kubisas Anwalt Rafal Gawecki dem rbb. Er habe absolut keinen Grund gehabt, zu solchen Maßnahmen zu greifen. Es seien tausende Akten beschlagnahmt worden, obwohl es nur Informationen auf einen möglichen Fall gegeben habe. Gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft habe er Berufung eingelegt und weitgehend Recht bekommen, so Gawecki.
Keine Parlamentsmehrheit für Legalisierung von Abtreibungen
Polen hat aktuell eines der restriktivsten Abtreibungsrechte in Europa. Der Abbruch einer Schwangerschaft ist nur möglich, wenn diese aus einer Vergewaltigung oder Inzest hervorging oder wenn das Leben und die Gesundheit der Frau gefährdet sind. Wer einer Frau zur Abtreibung verhilft, kann mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden.
Die seit einem Jahr regierende Mitte-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk versucht bisher erfolglos, das von der nationalkonservativen Vorgängerregierung der PiS-Partei umgesetzte nahezu vollständige Abtreibungsverbot zu lockern.
Zuletzt forderte Tusks Regierung im August die Justiz auf, auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit einer Frau als ausreichenden Grund für einen Schwangerschaftsabbruch anzuerkennen. Eine Entscheidung steht noch aus. Eine Parlamentsmehrheit für eine Legalisierung von Abtreibungen werde es bis zur nächsten Wahl aber wohl nicht geben, räumte Tusk ein.
Ärztin will weitermachen
Nach dem ersten Prozesstag sagte die leitende Gynäkologin Kubisa, sie werde - egal wie das Urteil ausfällt - weiterhin auch polnische Frauen in der Not helfen. "Nach 33 Jahren ununterbrochener Arbeit für Frauen, wo man jeden Tag einen Fehler machen kann, habe ich keinem was Schlechtes getan", sagte sie am Donnerstag dem rbb. Sie helfe den Frauen gern mit dem, was sie gelernt habe.
Am 11. Dezember wird sich wahrscheinlich entscheiden, ob Kubisa mit einem Freispruch das Bezirksgericht Stettin verlassen kann oder verurteilt wird. Das Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Sendung: Brandenburg aktuell, 17.10.2024, 19:45 Uhr