Schwangerschaftsabbrüche - Ärzte in Brandenburg verhelfen Polinnen zu Abtreibungen – und werden juristisch verfolgt

Fr 11.10.24 | 17:30 Uhr | Von Michael Lietz
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Die polnische Ärztin Maria Kubisa leitet die Gynäkologie im Krankenhaus Prenzlau und wird von der Stettiner Staatsanwaltschaft verfolgt.(Quelle:rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 12.10.2024 | Michael Lietz | Bild: rbb

Ärzte helfen in der Uckermark Frauen aus Polen, die abtreiben wollen oder müssen. In ihrem Heimatland sind Schwangerschaftsabbrüche immer noch illegal. Die Mediziner gehen dabei ein Risiko ein: Die Stettiner Staatsanwaltschaft geht juristisch gegen sie vor.

Das Versprechen des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, nach seiner Amtsübernahme im vergangenen Dezember das Abtreibungsrecht in Polen zu liberalisieren, ist bisher nur ein Versprechen geblieben: Weil innerhalb seiner Regierungskoalition manche dagegen sind, Schwangerschaftsabbrüche in mehr Fällen als bisher zu erlauben, bleiben diese im Nachbarland fast komplett verboten. Das hat auch Auswirkungen auf Brandenburg, wo viele schwangere Frauen medizinische Hilfe suchen.

Ärztin drohen mehrere Jahre Haft

Die polnische Ärztin Maria Kubisa kümmert sich in der Mark um viele dieser Frauen. Sie leitet im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark) die Gynäkologie. Viele ihrer Patientinnen kommen aus dem nahen Stettin in Polen. Die dortige Staatsanwaltschaft geht juristisch gegen die Ärztin vor. Am kommenden Donnerstag wird ein Gerichtsverfahren am Amtsgericht Stettin gegen sie eröffnet.

Kubisa drohen laut dem Paragraf 152 des polnischen Strafgesetzbuches bis zu drei Jahre Haft für sechs Taten, die sie in Polen begangen haben soll – denn ihre Arbeit hierzulande ist nach deutschem Recht legal.

"Die Staatsanwaltschaft wirft Maria Kubisa sechs Straftaten vor, die darin bestehen, dass sie aufgrund finanzieller Vorteile den schwangeren Frauen beim Schwangerschaftsabbruch geholfen hat...", teilte die Staatsanwaltschaft Stettin mit.

Die Ärztin bestreitet die Vorwürfe: "Das ist eine Lüge", sagt sie. Es habe mehrere Situationen in der Pandemiezeit gegeben, in denen schwangere Frauen in Polen wegen geschlossener Apotheken und Krankenhäuser kaum Hilfe bekommen hätten. "Sie schwebten in Lebensgefahr." Der ärztlich begleitete Schwangerschaftsabbruch kostet den Patientinnen aus Polen in Prenzlau als Privatpatientinnen etwa 500 Euro. Sie selbst habe jedoch keinen Cent daran verdient, betont die Ärztin.

Die polnische Ärztin Maria Kubisa leitet die Gynäkologie im Krankenhaus Prenzlau und wird von der Stettiner Staatsanwaltschaft verfolgt.(Quelle:rbb)
ie polnische Ärztin Maria Kubisa leitet die Gynäkologie im Krankenhaus Prenzlau und wird von der Stettiner Staatsanwaltschaft verfolgt. Bild: rbb | Bild: rbb

"Sie wäre nicht mehr am Leben"

Eine der Patientinnen von Kubisa ist Marcelina*. Sie sei beim Arzt in Stettin nicht einmal untersucht worden. Man habe ihr stattdessen zur erneuten Schwangerschaft gratuliert, sagt die Frau. "Ich wusste in diesem Moment nicht, was ich denken sollte. Ich war unsicher nach dem Arztbesuch. Ich überlegte sogar, dieses Kind zur Welt zu bringen, aber ich hatte Angst. Ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte und das jetzt böse enden könnte." Wie die Patientin erzählt, hatte sie bereits viele Kaiserschnitte erlebt.

Das Gefühl der Frau bestätigte sich: Was sich schlecht anfühlte, war tatsächlich eine lebensbedrohliche akute Blutung im Unterleib. "Das, was ich in ihrem Bauch gefunden habe, das war eine direkte Lebensbedrohung. Wenn die Frau noch einen Tag länger gewartet hätte, wäre sie nicht mehr am Leben", sagt die Gynäkologin Kubisa. Die Patientin wäre ohne Hilfe verblutet, so die Ärztin.

Arzt: Ein "mittelalterliches" Gesetz

Die Staatsanwaltschaft Stettin verfolgt auch den Mediziner Janusz Rudzinski, der sich seit Jahrzehnten mit Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigt. Jahrelang hat er in Prenzlau Schwangerschaftsabbrüche bei polnischen Frauen vorgenommen. Seit 2021 ist er freiberuflicher Frauenarzt in Schwedt (Uckermark) und gibt nur noch Online-Sprechstunden. Der deutsch-polnische Arzt im Ruhestand berät nun von Schwedt aus telefonisch polnische Patientinnen und vermittelt Termine im Krankenhaus Prenzlau. Auch das ist nach polnischem Recht strafbar.

"Nirgendwo in Europa gibt es solche Gesetze, nur in Polen. Die Polen halten sich für sehr fortschrittlich, modern usw. Aber das ist nicht wahr", sagt der 85-jährige Arzt. Er nennt das polnische Abtreibungsverbot, das seit 1993 gilt, und 2020 von der rechtsnationalen Partei PiS verschärft wurde, "mittelalterlich". Das Gesetz verletzte die Menschenrechte der Frauen.

Der deutsch-polnische Arzt Janusz Rudzinski berät polnische Frauen zum Thema Schwangerschaftsabbruch.(Quelle:rbb)
Der deutsch-polnische Arzt Janusz Rudzinski berät polnische Frauen zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Bild: rbb | Bild: rbb

Reform des Abtreibungsrechts ohne Mehrheit im Parlament

Aktuell erlaubt Polen Abtreibungen nur noch im Fall von Inzest oder einer Vergewaltigung sowie bei einer eindeutigen Lebensgefahr für die Frau. Doch viele Ärzte würden sich auf eine Gewissensklausel berufen und sie nicht vornehmen, sagt Rudzinski.

Im vergangenen Juli versuchte Polens Premierminister Tusk, das zu ändern, doch er scheiterte. Ihm fehlten nur drei Stimmen im Parlament. Der 85-jährige Rudzinski will deswegen weiterhin etwas für die Frauen tun. "Ich bin bereit, sogar ins Gefängnis zu gehen, aber ich werde den Frauen weiter helfen. Ich bin Arzt und bin dazu verpflichtet", sagt der Arzt. "Das, was in Polen passiert, ist sehr betrüblich."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.10.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Michael Lietz

29 Kommentare

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  1. 29.

    Es wird ermittelt wegen in Polen begangener Taten. In sechs Fällen soll Frau Kubisa auf polnischen Hoheitsgebiet Beihilfe zur Abtreibung geleitet haben. Es geht um Fälle während der Pandemie, als die Grenze geschlossen war. Frau Kubisa sagt, es habe sich um medizinisch notwendige Eingriffe gehandelt, es stand das Leben der Schwangeren auf dem Spiel. Es geht darum, dass in Polen Abreibungspillen verteilt wurden, was eben dort strafbar ist.

  2. 28.

    Zuerst mal ist Polen wirklich sehr katholisch, was die Überzeugung und den Ursprung erklärt. Aber das ist unwesentlich in der Sache.

    Was ich nicht verstehe ist, wie eine Ärztin in Prenzlau zu Straftaten in Polen kommt? ,,für sechs Taten, die sie in Polen begangen haben soll – denn ihre Arbeit hierzulande ist nach deutschem Recht legal"
    Hier fehlen grundlegende Informationen.

    Wer in Polen Straftaten begeht, die in anderen Ländern keine sind, wird in Polen natürlich bestraft. In den USA gibt es die Todesstrafe und eine juristisch völlig inkompetente Jury entscheidet über Schuld.
    In jedem Land der Welt gilt die Gesetzgebung des jeweiligen Landes und nicht deutsches Besserwissertum. Ist das tatsächlich für irgendwen nicht verständlich?


  3. 27.

    Nein, auch bei einem durch eine polnische Staatsanwaltschaft ausgestellten Europäischen Haftbefehls wäre da niemand auszuliefern, da es sich nicht um eine der in Artikel 2 Absatz 2 des "Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten" handelt und somit vor einer Auslieferung zu prüfen wäre, ob die vorgeworfen Handlung auch in Deutschland strafbar wäre. Wird das verneint darf keine Auslieferung statt finden.

  4. 26.

    Auch nach zweimaligem lesen verstehe ich nicht wieso juristisch gegen die Ärzte vorgegangen wird es wenn doch hier legal ist?!?

  5. 24.

    Es ist belastend, dass konservative Staatsanwälte jetzt noch einmal freidrehen. Aber die Justiz ist nicht nur in Polen, sondern auch in Deutschland außer Kontrolle geraten.

  6. 23.

    Ach Tobias,
    Vielleicht versuchen Sie mal, sich dem Mainstream zu entziehen.
    "Und für ein rückwärtsgewandtes Frauenbild steht mit ihrem Programm hierzulande nun mal die rechtsextreme AFD." - Nun, diese Partei besteht seit 2015, dass von Ihnen "rückwärtsgewandtes Frauenbild" steht seit Jahrhunderten in Leitwerk der Katholischen Kirche, Die Bibel, wird in der CDu/CSu praktiziert und in dem Reformpapie der "Ampel", das Schwangerschaftsabrüche erschweren soll.

  7. 22.

    „….. überstimmt zu sein und gehorchen. “
    Aus diesem Grund gibt es den zivilen Widerstand. Dabei steht der eigene moralische Kompass über dem „gehorchen“

  8. 21.

    Die rechten Konservativen die sofort bei den Wort "Abtreibung" ausarten, sind komischerweise auch die, die absolut das Intresse verlieren Kindern zu helfen sobald sie auf der Welt sind.

    Es geht beim Abtreibungsverbot nie ums "Kinderwohl" sondern immer nur um die Kontrolle und Machtausübung gehenüber Frauen.

  9. 20.

    Weil eben viele Aktivistinnen so massiv Abtreibung als Freiheitsrecht erkämpfen und damit den Eindruck erwecken,  Embryonen als Ungeziefer zu verstehen,  glaubt man den Frauen eben nicht mehr,  dass in der konkreten Situation gerade ein gefährlicher Notfall den Eingriff überlebenswichtig macht. 
    In einer Demokratie muss die Minderheit hinnehmen,  überstimmt zu sein und gehorchen.  In  Polen sind Embryonen Menschen mit den gleichen Rechten wie alle anderen.

  10. 18.

    Was soll man zu dieser Meldung sagen?
    Schlimm - zumal auch einige, zum Glück wenige, sich auf die Seite der Bestimmer über die Selbstbestimmung der Frauen stellen. Jeder Mann und Entscheider/in sollte beachten, dass das auch für die Frau keine einfache Entscheidung ist. Und jeder Einzelfall steht in einem anderen Zusammenhang, wenngleich sich sicherlich Tendenzen abzeichnen dürften. Und wenn die Frau eine Entscheidung trifft, kann einer, der die Motivationen nicht kennt, generell nicht zu einer Verurteilung kommen. Von daher braucht es generell eine Straffreiheit für die Frauen, die sich für diesen Weg entscheiden und für die Arxtpraxen, die den Frauen in dieser Situation beiseite stehen. Will die mod. Gesellschaft illegale Engelsmacher/innen? Die jungen Frauen in Polen brauchen Hilfe u. Beistand, aber nicht durch Gott, sondern durch Ärzt/innen.

  11. 17.

    Will Deutschland die Ärzte etwa an Polen ausliefern? Für ein Gesetz was hier nicht gilt und völlig daneben ist?

  12. 16.

    Abtreibung sollte, nein, MUSS immer eine selbstverständliche Option für alle Schwangeren sein und ausschliesslich sie dürfen entscheiden. Niemand, auch kein Kerl, erst Recht irgendwelche religiöse Ereiferer oder sogenannte "Lebenschützer" haben da mitzureden. Sie haben gefälligst zu schweigen. Gerade Letztgenannte sind verlogen und selbstgerecht.

  13. 15.

    Die Überschrift ist irreführend. Geht doch aus dem Text hervor, Tusk konnte sich bei der Abtreibung mit seinen Plänen nicht durchsetzen. Routinemäßige Abtreibungen sind in Polen verboten.

  14. 14.

    Würden Sie auch so denken, wenn das Kind Ihrer Frau durch eine Vergewaltigung entstanden ist?Wenn Sie so wollen verlieren Sie Ihr Leben was Sie bis jetzt hatten. Was kein Problem sein sollte, wenn man sich bewusst für ein Kind entscheidet.

  15. 13.

    Was für eine Überschrift, die überhaupt nicht zum Text passt. Hier in Deutschland wird kein Arzt verfolgt, wenn er hier legal abtreibt. Polen sollte endlich sein Wahlversprechen einhalten. An diesem Beispiel sieht man, wie langwierig es ist, Rechtspopulismus wieder rückgängig zu machen.

  16. 12.

    Ach herje, selbst bei diesem Thema darf die, "als gesichert rechtsextrem eingestufte" AfD nicht fehlen.
    Haben Sie gar kein Anstand? Es geht hier um polnische Frauen, die durch die erzkatohlische mittelalterliche Gesetzgebung in ihrem Land, gezwungen sind, Abtreibungen in der BRD auszuführen! Warum, aus welchen Gründen, darf, muss uns egal sein und eine Verurteilung steht uns schon gar nicht zu.
    Anzeichen einer Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in unserem Land stehen auch an.
    Daten sollten wir protestieren und wachsam sein. Nicht, dass wir das so wie in Polen bekommen. Anzeichen gibt es schon in diese Rrichtung.

  17. 11.

    Es ist traurig wie die Politik immer noch über schwangere Frauen bestimmt. Jede Frau hat das Recht eine Abtreibung durchzuführen. Es ist der Körper der Frau und nur sie hat das Recht über ihren Körper zu entscheiden!

  18. 10.

    Sie haben nicht zu entscheiden wie Polen dies rechtlich regelt. Wenn Ihnen die dortigen Gesetze nicht gefallen, organisieren Sie Demonstrationen, Beschwerden bei der Regierung etc.

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