Mutmaßliche Mordserie - Neue Vorwürfe gegen Berliner Palliativarzt - über 40 Todesfälle werden überprüft
Der Fall von mutmaßlichen Morden eines Palliativmediziners scheint sich massiv auszuweiten. Nachdem zunächst vier Fälle untersucht wurden und später acht, ermittelt die Polizei nun in mehr als 40 Fällen von Verstorbenen.
Ein Berliner Palliativarzt könnte deutlich mehr Menschen getötet haben als bisher bekannt. Nach rbb-Informationen von Mittwoch ermitteln die Berliner Behörden nun in mehr als 40 Fällen. Vorher hatte die Bild-Zeitung [Bezahlinhalt] darüber berichtet.
Schon vor Wochen hieß es von der Staatsanwaltschaft, dass es wohl nicht nur vier Opfer gibt. Eine Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamts hat nun deutlich mehr Patienten ausfindig gemacht, die als Opfer infrage kommen, heißt es in der Zeitung. In dem Zusammenhang sind auch schon im Herbst mehrere Leichen exhumiert worden.
Arzt seit Sommer in U-Haft
Der 40-jährige Arzt sitzt seit Sommer in Untersuchungshaft. Bei seiner Festnahme wurde ihm vorgeworfen, vier Patientinnen getötet zu haben. Dazu habe er ihnen eine Mischung verschiedener Medikamente verabreicht. Später ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft wegen achtfachen Mordes. Die Opfer waren zwischen 61 und 94 Jahre alt.
Laut der zuständigen Behörden gehen die Ermittler davon aus, dass Johannes M. aus Mordlust getötet hat. Die Vorwürfe: Er soll mehrere seiner Patienten getötet und im Anschluss deren Wohnungen angezündet haben, um die Taten zu verdecken. Ein Motiv war zunächst unklar. Habgier schlossen die Ermittler schnell aus, da bei keinem der Opfer Wertgegenstände fehlten.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch Brände, die der 40-Jährige gelegt haben soll, um seine Taten zu verdecken. Dazu beigetragen haben auch Hinweise des Pflegedienstes, für den der Palliativarzt gearbeitet hatte.
Verdächtiger hat sich in Dissertation mit Tötungsdelikten befasst
Nach rbb-Informationen hat der Verdächtige sich in seiner Dissertation als Mediziner wissenschaftlich mit Tötungsdelikten beschäftigt, dabei unter anderem mit der Dunkelziffer, also unentdeckten Tötungsdelikten, und mit Patiententötungen.
Vor seiner Tätigkeit in Berlin war er laut Social-Media-Profil unter anderem in Kliniken und Praxen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen tätig. Nach Angaben von vergangener Woche habe er sich bisher zu keinem der Vorwürfe geäußert.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert, schnellstmöglich alle Patientenkontakte des Palliativarztes zu überprüfen. Die Hinterbliebenen hätten ein Recht auf lückenlose Aufklärung, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch am Mittwoch.
Image-Schaden für Palliativversorgung befürchtet
Der Vorstansdsvorsitzende des Vereins Home Care, Thomas Schindler, befürchtet einen Image-Schaden für die Palliativmedizin. "Solche Geschichten, die können ausstrahlen", sagte der Palliativmediziner am Mittwochabend im rbb-Fernsehen. Die Behandlung der Patienten basiere auf einem Vertrauensverhältnis. "Und dieses Vertrauensverhältnis darf nicht gebrochen werden."
Bei der Frage nach mehr Kontrolle verwies Schindler darauf, dass Palliativmediziner Patienten häufig nicht allein Zuhause aufsuchen. Sie würden mit Pflegekräften im Team arbeiten. Er räumte aber ein, dass die Anbieter von palliativmedizinischen Leistungen sich überlegen müssen, was sie tun können, "damit sich so etwas keinesfalls wiederholt".
Der Verein Home Care berät Patienten und Angehörige, aber auch Fachpersonal über das Angebot der Palliativversorgung.
Nicht der erste Fall von Tötungen im Pflegebereich
In der Vergangenheit gab es immer wieder Todesfälle in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, die für Schlagzeilen sorgten. So tötete im April 2021 eine Pflegekraft in einem Behinderten-Wohnheim vier Bewohner. Die 52-Jährige wurde wegen Mordes zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Die bislang wohl größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte dürfte der Fall von Ex-Pfleger Niels Högel in Niedersachsen sein. Er wurde 2019 wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Motiv für die Taten blieb unklar.
Sendung: rbb24 Spezial, 04.12.24, 20:15 Uhr