Kriminalität - Berliner Palliativarzt soll vier Patientinnen getötet haben
Ein Berliner Palliativarzt soll vier Patientinnen umgebracht und anschließend die Tatorte in Brand gesetzt haben. Nach rbb-Informationen hat sich der Arzt in seiner Dissertation wissenschaftlich mit Tötungsdelikten beschäftigt.
- Ein 39-jähriger Arzt sitzt wegen Totschlags in vier Fällen und Brandstiftung in U-Haft
- Er arbeitete im Palliativ-Team eines Berliner Pflegedienstes
- Im Juni und Juli soll er vier Patientinnen im Alter zwischen 72 und 94 getötet haben
- Um die Tötungen zu vertuschen, soll er Feuer in ihren Wohnungen gelegt haben
- Nach rbb-Informationen hat er sich in seiner Dissertation mit Tötungsdelikten befasst
Ein 39 Jahre alter Arzt, der im Palliativ-Team eines Pflegedienstes tätig war, befindet sich in Untersuchungshaft. Ihm werden Totschlag in vier Fällen sowie ein Fall der vollendeten und drei der versuchten besonders schweren Brandstiftung vorgeworfen. Das teilten die Berliner Generalstaatsanwaltschaft und die Polizei am Mittwoch mit.
Die Staatsanwaltschaft habe wegen der Vorwürfe am Dienstag einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten erwirkt, hieß es. Der Mann sei verdächtig, zwischen dem 11. Juni und dem 24. Juli vier in der Betreuung des Pflegedienstes stehende Patientinnen auf bislang noch unbekannte Weise getötet und anschließend in deren Wohnung Feuer gelegt zu haben, um diese Tötungen zu vertuschen.
"Bei den ersten Vorfällen wurde ursprünglich noch wegen Brandstiftung mit Todesfolge ermittelt. Dann aber hat sich dieses Muster so langsam herauszukristallisieren begonnen. Tatsächlich ist man wohl auch bei seinem Arbeitgeber skeptisch geworden. Man hat viele Zusammenhänge gesehen und nochmal die Polizei eingeschaltet", sagte Sebastian Büchner, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, am Mittwoch dem rbb.
Nach rbb-Informationen hat der Verdächtige sich in seiner Dissertation als Mediziner wissenschaftlich mit Tötungsdelikten beschäftigt, dabei unter anderem mit der Dunkelziffer, also unentdeckten Tötungsdelikten, und mit Patiententötungen.
Wohnungsbrände nach Tötungsdelikten
Der erste Fall ereignete sich am 11. Juni. An diesem Tag soll der Arzt in der Niemetzstraße in Neukölln eine 87-jährige Frau getötet und anschließend deren Wohnung in Brand gesetzt haben. Nach Eintreffen der Feuerwehr gelang es den Rettungskräften zunächst, die Frau zu reanimieren. Kurze Zeit später verstarb die Seniorin jedoch im Krankenhaus. Drei weitere Mieter des Mehrfamilienhauses wurden durch den Brand verletzt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler der Polizei einen Verdacht auf Brandstiftung.
Am 8. Juli soll der Arzt dann eine 76-Jährige in deren Wohnung im Michael-Bohnen-Ring in Neukölln getötet haben. Sein Versuch einer anschließenden Brandlegung soll allerdings missglückt sein, da das Feuer eigenständig erlosch. Als er dies bemerkte, soll er noch einen Angehörigen der Frau informiert und behauptet haben, dass er vor deren Wohnung stünde und auf sein Klingeln niemand reagiere.
Eine Woche später, am 15. Juli, soll der Beschuldigte eine 94-Jährige in ihrer Wohnung in der Silbersteinstraße in Neukölln getötet und anschließend ein Feuer in ihrer Küche gelegt haben.
Am 24. Juli soll der 39-Jährige Mediziner eine 72 Jahre alte Seniorin in der Neuen Krugallee im Ortsteil Plänterwald getötet und anschließend ein Feuer in der Wohnung gelegt haben. Nach dem Tod dieser Frau kontaktierte schließlich der Pflegedienst die Polizei.
Staatsanwaltschaft: Keine der vier Frauen unmittelbar dem Tode nah
Über das mögliche Motiv der Taten habe man noch keine Erkenntnisse, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Sebastian Büchner. Auch auf welche Art und Weise der Mann die vier schwer kranken Frauen getötet haben soll, ist noch nicht bekannt. Der Arzt, der in der JVA Moabit in U-Haft sitzt, hat sich bisher zu keinem der Vorwürfe geäußert.
"Wir gehen im Augenblick von einem Totschlag aus, weil wir mangels weiterer Motive noch keine Mordmerkmale haben. Natürlich könnte man auch überlegen, ob hier möglicherweise eine Tötung auf Verlangen vorgelegen haben sollte, aber dann haben wir im Augenblick die Verdachtslage einer etwas seltsamen Koinzidenz: Wenn ich jemanden auf Verlangen töten würde, habe ich keine Notwendigkeit, anschließend noch einen Verdeckungsbrand zu legen", sagte Büchner. Ihm zufolge war keine der vier Frauen "unmittelbar moribund", also dem Tode nah.
Patientenakten sollen alle überprüft werden
Eine der Verstorbenen wurde bereits für weitere Untersuchungen exhumiert. Es werde jetzt auch darum gehen zu schauen, ob es möglicherweise noch weitere Taten gebe - noch stünden die Ermittlungen am Anfang. Laut Büchner will die Staatsanwaltschaft die Akten aller Patientinnen oder Patienten überprüfen, die der Arzt für den Pflegedienst betreut hat. Vor dieser Tätigkeit war er laut Social-Media-Profil unter anderem in Kliniken und Praxen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen tätig.
Die Leitung des Berliner Pflegedienstes teilte dem rbb am Mittwoch auf Anfrage mit, "dass der gesamte Sachverhalt für uns unbegreiflich ist und wir zutiefst erschüttert sind". Man kooperiere bestmöglich mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die vollständige Aufklärung habe jetzt oberste Priorität.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.08.2024, 19:30 Uhr