#wiegehtesuns | Die Pflege-Azubi - "Was mir an der Gewerkschaft gefällt, ist dieser Solidaritätsgedanke"

Mi 22.02.23 | 07:34 Uhr
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Tabea wird 2023 an der Charité zur Krankenflegerin ausgebildet. (Quelle: rbb)
Video: rbb24-Abendschau | 18.02.2023 | Carla Spangenberg | Bild: rbb

Tabea wird gerade in Berlin zur Krankenpflegerin ausgebildet. Es ist ihr Traumberuf – aber die Bedingungen müssen sich ändern, sagt sie. Auch deshalb ist sie jetzt in der Gewerkschaft und hat vor zwei Wochen an ihrem ersten Streik teilgenommen. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Gewerkschaften verlieren seit Jahren Mitglieder – vor allem die jüngere Generation gilt nicht mehr als sehr gewerkschaftsnah. Vielleicht ändert sich das aber auch gerade angesichts der aktuellen Arbeitskämpfe. Tabea jedenfalls ist seit letztem Sommer verdi Mitglied. Die Zwanzigjährige ist aus Erlangen nach Berlin gezogen und absolviert gerade eine Pflegeausbildung an der Charité. Anfang Februar hat sie an ihrem ersten Streik teilgenommen. So geht es Tabea.

"Seit Oktober 2021 bin ich auszubildende Pflegefachkraft und habe mich schon sehr früh in der Auszubildendenvertretung engagiert. Dadurch bin ich dann zur Gewerkschaft gekommen und im letzten Sommer eingetreten.

Was mir an der Gewerkschaft gefällt ist dieser Solidaritätsgedanke, also gemeinsam für etwas zu kämpfen und gemeinschaftlich etwas ändern zu können.

Am 9. Februar habe ich dann das erste Mal an einem Streik teilgenommen und da sogar direkt eine Rede gehalten. Ich war schon sehr früh dort vor dem Abgeordnetenhaus und den ganzen Tag schon mega aufgeregt. Aber dann ging’s los: Verdi-Jacke angezogen und dann haben eine Mit-Auszubildende und ich direkt eine Rede gehalten. Das war ein bisschen wie im Film, ich habe auch gar nicht so richtig wahrgenommen, vor welchen Massen an Leuten ich da gesprochen habe. Ich glaube, so ein Gefühl bekommt man nicht nochmal im Leben.

Zum einen geht es mir beim Streik sicherlich um die Bezahlung. Beispielsweise dass wir Azubis 200 Euro mehr bekommen sollten. Das brauchen wir, weil es einfach gerade super schwer ist mit der Inflation und auch den Mieten hier in Berlin. Es kann einfach nicht sein, dass Azubis nebenbei noch arbeiten müssen oder Angst haben, dass sie Rechnungen nicht bezahlen können, obwohl sie so viel leisten in der Gesellschaft

Auf der anderen Seite ist es eben auch eine super anstrengende Arbeit und mir ist es wichtig, immer wieder Sichtbarkeit für die Arbeitssituation in der Pflege zu schaffen. Wir sind so ein wichtiges Bindeglied für die Gesellschaft, ohne uns würde vieles nicht funktionieren und mir ist es sehr wichtig, das auch auf die Straße zu bringen.

Die Ausbildung ist sehr anstrengend und dadurch, dass Fachkräftemangel herrscht, müssen wir als Azubis sehr schnell sehr viel Verantwortung übernehmen. Da wird man manchmal ganz schön ins kalte Wasser geworfen, indem man beispielsweise die Körper- oder Grundpflege allein übernehmen muss. Man wird zwar immer gefragt, ob man sich das alles zutraut, aber man muss doch schon sehr schnell über sich hinauswachsen.

Manchmal würde ich mir mehr Betreuung in der Ausbildung wünschen. Es ist ja auch körperlich eine sehr anstrengende Arbeit, und durch den Personalmangel bleibt einfach viel an den einzelnen Personen hängen. Und der Schichtdienst ist eben auch sehr belastend, das führt manchmal dazu, dass man sieben Tage am Stück arbeitet. Im Privatleben bin ich eigentlich fast nur noch mit Leuten aus der Pflege befreundet, die auch im Schichtsystem arbeiten und da mehr Verständnis haben. Für Sport zum Beispiel, was ich früher gemacht habe, habe ich jetzt gar keine Kraft und Zeit mehr.

Trotz dieser Bedingungen will ich aber auf jeden Fall in der Pflege bleiben. Pflege ist einfach eine Berufung, ich glaube, das sucht man sich nicht aus. Ich mache das mit vollem Herzen und will auch nichts anderes machen. Deshalb hoffe ich, dass sich etwas verändert, denn wenn sich nichts verändert, dann kann man diesen Beruf einfach nicht bis zur Rente durchhalten und müsste sich eine Alternative suchen. Aber wenn sich etwas verändern, will ich das auch jeden Fall weitermachen."

Gesprächsprotokoll: Carla Spangenberg

Sendung: rbb24-Abendschau, 18.02.2023, 19:30 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Sie haben absolut Recht. Das Hauptproblem, vor allem im Gesundheitssystem, ist gar nicht die Bezahlung selbst, es ist die permanente Überlastung der Mitarbeiter. Mehr Gehalt verschärft die Situation oft sogar noch weiter, weil die Einnahmen des Arbeitgebers, egal ob Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, aber nicht im gleichen Maße steigen, entsteht ein Druck, Kosten einzusparen. Dann bekommen die Mitarbeiter vielleicht 5% mehr Gehalt, werden aber bei Weggang einfach nicht mehr ersetzt und so hat dann jeder 10% mehr Arbeit. Dazu kommt die unendliche Bürokratie, deren Zeit am Patienten fehlt. Wir können uns in Deutschland zwar nicht adäquat um die Bedürfnisse der Patienten kümmern, aber immerhin dokumentieren wir diesen Umstand fein säuberlich.
    Wir brauchen eine neue Umverteilung der Gelder im Gesundheitssystem, so dass mehr Personal, gern auch besser bezahlt, beschäftigt werden kann und weniger sachfremde Tätigkeiten. Gewerkschaften schauen leider viel zu einseitig auf die Misere.

  2. 10.

    Ich habe nicht gesagt, dass man kein frei hatte oder keinen Ausgleich bekam.
    Nach 10 Tagen, gab es dann 4 Tage frei und nach 7 Tagen zwei.
    Eigentlich ganz normal.
    Ich habe vorher ein FSJ gemacht und auch da war es üblich 7 Tage zu arbeiten und dann hatte man zwei Tage frei.
    Dieses Prinzip habe ich nicht unbedingt als anstrengend empfunden.

  3. 9.

    Man kann vor Tabea und ihren Kollegen/innen nur höchsten Respekt haben. Ein Streik zur Durchsetzung minimaler Forderungen scheint mir völlig legitim.

  4. 8.

    Es als üblich und selbstverständlich anzusehen, das man in der Ausbildung 7 btw 10 Tage am Stück zu arbeitet ist einfach falsch. Es ist klar geregelt, das Auszubildende in der Regel an 5-6 Werktagen arbeiten dürfen, max 8 Stunden am Tag. Wenn darüber hinaus gearbeitet wird muss es einen Ausgleich in der nächsten Woche geben (wobei es auch hier Grenzen dafür gibt). Niemand muss sich schon in seiner Ausbildung über den Tisch ziehen lassen. Dazu gibt es klare Regeln. Und aufgrund des Mangels an Fachkräften ist es leicht diese Regeln auch durchzusetzen. Man möchte ja eigentlich auch, das diese Menschen die Ausbildung absolvieren, weil man sie braucht. Deswegen bildet man ja aus. (Sollte zumindest so sein)

  5. 7.

    Ich bin irritiert. Als ich meine Ausbildung gemacht habe, war es normal zu Hause zu wohnen oder in einer WG, war bei Freunden und Bekannten nicht anders, ebenso bei denen die studiert haben. ..und ja auch bei uns war das Geld knapp. Gejammert hat da aber keiner, wir waren eben in Ausbildung.

    Ich bin auch ausgebildete Krankenschwester und es ist normal in dem Beruf und auch während der Ausbildung, 7 Tage am Stück zu arbeiten und auch bis zu 10 Tage waren in meiner Ausbildung normal.

    Ich bin eher für mehr Personal in der Pflege, dass man wieder mehr Zeit für das eigentliche hat, nämlich den Patienten.


  6. 6.

    Also, da gehört die Auseinandersetzung hin. Die junge Frau hat gut verstanden, was Frau Merkel seinerzeit in einer Talkshow zu einem jungen Pfleger gesagt hatte: „Ich werde alles unterstützen, was Sie für die eigene Organisation brauchen, um Ihre berechtigten Ziele zu erreichen.“ Oder so ähnlich. Sprich: Selber machen...
    Viele haben das gar nicht gleich verstanden. Und lieber den jungen Mann „gefeiert“, dass er sich getraut hat. Nur, es war die falsche Stelle. Das aber macht die junge Frau Tabea hier besser. Viel besser.
    Rahmenbedingungen festlegen ja, Löhne aber besser nicht. Siehe Herrn Heil....:-( Politiker können es nicht. Was nicht schlecht gemeint ist. Denen fehlt die Kompetenz Gehaltsgruppen festzulegen. Sie haben andere Aufgaben.

  7. 5.

    Jooh Zappa, wenn Sie nicht so derb auf die Sahne hauen würden, wäre das Statement pro Gewerkschaft auch glaubwürdig. Mit dem Elite-Geschwafel und gesellschaftlicher Spaltung haben Sie sich selbst ins Abseits gestellt.

    Die Forderungen aller Gewerkschaften sind nachvollziehbar. Und es ist ihr ureigenes Interesse für abhängig Beschäftigte eine Verbesserung der Lebenssituation, ob mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen usw. zu fordern.
    Die Pflege ist ein Bereich, allerdings bestehen durchaus noch mehr "Umgebungen" in denen die Unternehmen mit mehr Engagement für mehr Mitarbeiter:innen sorgen dürfen/müssen/können.... Allerdings wird das mit elitären Gedanken eher nix.

  8. 4.

    Solche Leute werden dringend gebraucht auch in anderen Branchen.
    Leider hat die Gesellschaft seit der "Wende" immer mehr Ellenbogenmentalität entwickelt.
    So sehr man den Pflegerinnen und Pflegern höhere Einkünfte wünscht, die Zeche zahlen die zu Pflegenden, von deren Rente nichts übrigbleibt, und natürlich die Einzahler in die Kassen.

  9. 3.

    Sobald x-viele Mitarbeiter Mitglied einer Gewerkschaft sind, kann die Gewerkschaft Einfluss auf den AG nehmen.
    Das wissen viele AN leider nicht.
    Auch, wenn der AG keinen Tarifvertrag mit irgendwem hat, kann, bei notwendig vielen Mitgliedern der selben Gewerkschaft, Einfluss genommen werden.
    Und; Geld ist ohne Ende da. Es ist nur schlecht verteilt.

  10. 2.

    Toll Tabea, Leute wie Dich brauchen Wir! Richtig, Wir leisten viel für die Gesellschaft (ich bin seit 15 Jahren in der Demenzpflege tätig) und ich sage immer: Wir Sind Die Elite! Nicht irgendwelche Investmentbanker oder sonstige Jongleure. Und Danke, daß Du erkannt hast, wie wichtig Gewerkschaften sind. ALLES GUTE!

  11. 1.

    Die Schwalbe und der Sommer? Gewerkschaften sind immer noch im im weiteren Sinne öffentlichen Dienst stark und in der Großindustrie. Insofern verwundert es nicht, dass die junge Dame in die Gewerkschaft eingetreten ist. Doch wie schaut es bei privat geführten Kliniken aus? Auch bei mittelständischen Betrieben bekommen die Gewerkschaften oft kaum noch einen Fuß in die Tür. Die Mitgliedschaft eines Arbeitgebers ohne Tarifbindung in einem Arbeitgeberverband nimmt seit Jahren bei abnehmenden Organisationsgrad der Arbeitnehmer zu. Dabei haben die Gewerkschaften damals viel für die Arbeitnehmer erreicht.

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