#Wiegehtesuns | Sexpositive Beziehung - "Wenn ich eine andere Frau mit ihm sehe, geht mein Herz auf"
Die Berlinerin Lisa Rug und ihr Mann Christian gehen zusammen auf sexpositive Partys. Sie daten auch gern andere Menschen – gemeinsam und einzeln. Daten in einer Beziehung – wie kann das funktionieren? Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Lisa Rug ist angehende Paartherapeutin und in der sozialen Arbeit tätig. Die 29-Jährige ist seit drei Jahren mit ihrem Partner Chris zusammen. Seit einem Jahr sind sie verheiratet. Sie ist bisexuell und das Paar hat von Anfang an eine offene Beziehung geführt. Gemeinsam gehen sie oft auf sexpositive Partys in Berlin. Vergangenen Sommer haben sie sich zum ersten Mal getrennt voneinander mit anderen Personen verabredet.
Ich arbeite als Familienhelferin und möchte in Zukunft selbstständige Paartherapeutin werden. Ich möchte mich dann auf nicht-monogame Paare spezialisieren, da wir eine nicht monogame Ehe führen.
Am Anfang unserer Beziehung habe ich mich schnell in Chris verliebt. Aber Chris wollte keine Beziehung. Wenn ich wieder eine Beziehung eingehe, muss sie offen sein, hatte er erklärt. Das hat mich damals ein bisschen überrascht. Meine Ex-Freunde waren alle sehr eifersüchtig. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf andere Partnerinnen und Partner einlassen würde. Aber ich bin neugierig und unser erster Schritt war, in einen sexpositiven Techno-Club in Berlin zu gehen. Dort haben wir einfach mal in diese Welt reingeschnuppert.
Das war unglaublich befreiend. Am ersten Abend hat uns eine Frau angeflirtet. Chris und sie haben sich geküsst, und ich habe mir das so angeschaut. Ich habe bemerkt, wenn ich eine andere Frau mit ihm sehe und sehe, dass sie auch Spaß hat und beide es zusammen genießen, da geht mein Herz auf. Es war schön, das sehen zu dürfen.
Aber es ist ja nicht so, dass uns das von Anfang an alles superleicht fiel. Alles hat Schritt für Schritt begonnen.
Ich bin viel selbstbewusster geworden in dieser Welt. Ich bin offener damit geworden und jetzt kann ich es mir nicht mehr anders vorstellen. Wir sind beide in der sozialen Arbeit tätig, setzen uns den ganzen Tag mit Problemen anderer Menschen auseinander. Und das ist dann das, was wir am Wochenende machen, um Spaß zu haben. Das tut auch unserer Beziehung total gut.
Neben den sexpositiven Partys haben wir angefangen, Menschen auf Dating Apps gemeinsam zu daten. Wie Dennis zum Beispiel, mit dem wir befreundet und auch intim sind. Vor einem Jahr, als wir geheiratet haben, war er auf unserer Hochzeit. Ich kenne nicht so viele verheiratete Menschen in Berlin. Genau deshalb konnten wir heiraten: Weil wir keinen Keuschheitsgürtel angelegt haben. Durch Dreier und Vierer zum Beispiel müssen wir uns nicht nur untereinander, sondern auch mit den Menschen, mit denen wir Affären haben, auseinandersetzen. Diese Menschen müssen klar und offen wissen, dass wir nicht polyamorös sind, dass man nicht erwarten kann, dass wir in unserer Verbindung andere Beziehungen haben. Wir bieten nicht mehr als eine Freundschaft plus.
Wir haben zu Beginn des letzten Sommers zum ersten Mal entschieden, auch einzeln zu daten. Vorher hatten wir immer alles gemeinsam gemacht. Und dann haben wir uns total den Stress gemacht. Also ich vor allem, dass ich gesagt hab, ja, das muss aber ausbalanciert sein. Wenn ich ein Date habe, dann muss Chris auch ein Date haben, am besten sogar am gleichen Abend, damit er nicht alleine zu Hause sitzt. Und natürlich hat es so nicht geklappt. Oder ich hatte ein Date, das ich wiedersehen wollte, und dann hat Chris sich total gestresst gefühlt. Es war super angespannt.
Zum Glück haben wir durch die offene Beziehung gelernt, ganz offen und ehrlich direkt zu kommunizieren. Das fällt am Anfang superschwer, aber für uns gehört das mittlerweile zum Alltag dazu. Wir sprechen klar aus was wir denken, was wir fühlen, was für Unsicherheiten wir haben. Wir haben gelernt, uns dafür auch nicht zu schämen. Ich finde, dass sich die Arbeit miteinander total lohnt, weil wir ein wahnsinniges Gefühl an Freiheit empfinden können und dadurch auch viel weniger Streit-Potenzial haben, auch wenn wir was Neues ausprobieren. Manchmal gerätst du dann in so eine Angst, den anderen doch zu verlieren. Dann haben wir drüber gesprochen, was wir alles miteinander haben, was alles Positives dabei ist.
Am Ende des Sommers haben wir ein Fazit gezogen. Chris hat zwei Frauen getroffen und ich habe einen Mann gedatet, den dafür aber öfter getroffen, also ungefähr gleich viele Dates gehabt. Es war nicht einfach. Chris hatte teilweise mehr Probleme damit als ich – aber auch das ist ein Teil der Erfahrung.
Für mich war die Erfahrung positiver. Ich denke, dass es mir sehr gutgetan hat, dass ich mich ganz auf eine andere Person konzentrieren konnte - das war in Gruppenkontexten schwieriger. Bei diesen Zweier-Dates konnte ich wirklich eine tiefere Verbindung herstellen. Aber da die Beziehung zu Chris für mich immer noch oberste Priorität hat, bereichert es mich mehr, wenn ich Dinge erlebe, die auch etwas für unsere Beziehung bringen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir als Beziehung das alleine daten nicht so oft brauchen.
Gesprächsprotokoll: Marie Villetelle.
Sendung: F*ck Berlin, ARD Mediathek