Berlin und Brandenburg - Behörden schätzen Zahl der "Reichsbürger" in der Region auf 1.300 Menschen
In Brandenburg hat die Reichsbürgerszene schon während der Corona-Pandemie einige neue Anhänger bekommen. Aber auch in Berlin rechnen Polizei und Verfassungsschutz der waffenaffinen und radikalisierten Szene hunderte Mitglieder zu.
Polizei und Verfassungsschutzbehörden in Berlin und Brandenburg schätzen, dass in der Region insgesamt 1.300 "Reichsbürger" und Selbstverwalter leben. Dabei werden in jedem der beiden Bundesländer jeweils 650 Menschen diesem Spektrum zugerechnet.
Der Gefahr durch diese "sehr radikalisierte" Szene und ihrer Waffenaffinität sei man sich schon lange bewusst gewesen und habe immer wieder darauf hingewiesen, sagte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag im Innenausschuss. Daher werde auch "konsequent jeder Waffenbesitz" im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bei entsprechenden Personen durch die Polizei und den Senat unterbunden.
"Erheblicher Zuwachs" in Brandenburg
Spranger nannte eine ganze Reihe von Gruppen, die zu der Szene gehören würden: "Staatenlos.info", "Gelbe Westen Berlin", "Verfassungsgebende Versammlung" und "Vaterländischer Hilfsdienst". Zu der großen deutschlandweiten Razzia am Mittwoch und die vielen Festnahmen äußerte sich Spranger mit Verweis auf die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) nicht weiter.
Das Brandenburger Innenministerium hatte bei der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2021 bereits auf einen "erheblichen Zuwachs bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern" aufmerksam gemacht. 2020 seien dieser Gruppe noch noch 570 Menschen zugerechnet worden, also 80 Personen weniger. Die Zunahme im vergangenen Jahr ist laut Innenministerium "im Wesentlichen auf die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen".
Umsturz geplant - Schießtraining in Bayern
Die Polizei hatte am Mittwoch bei einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik in 11 Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festgenommen. Es gab mehr als 50 Verdächtige und mehr als 150 Durchsuchungen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Unter ihnen ist auch eine frühere Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin. Gegen sie läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren.
Die vergangene Woche ausgehobene "Reichsbürger"-Gruppierung hatte offensichtlich noch deutlich mehr Mitwisser als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten am Montag, die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter "Verschwiegenheitserklärungen" mit Unterschrift von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.
Die mutmaßlichen Verschwörer sollen geplant haben, bundesweit 286 "Heimatschutzkompanien" zu bilden. Diese hätten nach Auskunft eines Vertreters der Bundesanwaltschaft im Falle eines Umsturzes Menschen "festnehmen und exekutieren" sollen, sagte Ausschussmitglied Clara Bünger (Linke). In Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg habe es dafür bereits konkrete Vorbereitungen gegeben. Mehrere Verdächtige hätten in Bayern an einem Schießtraining teilgenommen.
400.000 Euro, Gold- und Silbermünzen
Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen, betonte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU). Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Fall sei "erschreckend", sowohl was die Anzahl der Beteiligten angehe, als auch die Finanzmittel der Gruppe.
Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Bünger. Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollten. Für den engeren Kreis der Verschwörer habe es Satelliten-Telefone gegeben, um intern sicher zu kommunizieren. In einer von den Sicherheitsbehörden abgefangenen Kommunikation sei es um den Zugang zum Bundestag gegangen, berichtete Bünger aus der Sitzung.
"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene in Deutschland rund 21.000 Anhänger zu.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.12.2022, 17:00 Uhr
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