Offener Brief an Regierenden Bürgermeister - Verbände fordern vom Senat mehr Transparenz beim Klima-Sondervermögen
Mit einem Sonderhaushalt will der Berliner Senat mehr für den Klimaschutz tun. Fünf Milliarden sollen verteilt werden, doch mehrere Verbände kritisieren nun das Vorgehen und die Präferenzen, wohin das Geld fließen soll.
Ein Bündnis von Verbänden und Initiativen hat vor einem "Etikettenschwindel" beim Klima-Sondervermögen des Senats gewarnt.
In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und weitere Senatsmitglieder mahnen unter anderem der BUND, Fridays for Future und die Klimaliste Berlin mehr Transparenz und die Einbeziehung von Experten an.
Es müsse "unbedingt sichergestellt werden, dass die Mittel ausschließlich in Klimaschutz und Klimaanpassung fließen", heißt es in dem Schreiben. "Wir stehen vor einem großen Koffer Geld", so der Klima-Referent beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Matthias Kümmel. Noch sei aber völlig unklar, wo der Senat Prioritäten setzen wolle.
Befürchtung: Sanierung von Polizeiwachen statt Klimaschutz
Die Unterzeichner fürchten, dass beispielsweise die Sanierung von Polizeiwachen aus dem 5-Milliarden-Euro schweren Sondertopf bezahlt werden könnte. Entsprechende Andeutungen hatte es aus Koalitionskreisen gegeben. Die Verbände und Initiativen warnen vor einer Zweckentfremdung, bei der das Sondervermögen als "Sammelbecken unliebsamer Regierungs-Hausaufgaben" missbraucht werden könnte. Außerdem bestehe die Gefahr, dass im Gegenzug notwendige Klimaschutzausgaben im regulären Haushalt gekürzt werden.
Für Reiner Wild, der im Klimaschutzrat des Landes sitzt, ist insbesondere die Reduzierung der Co2-Emissionen im Gebäudebereich eine "gigantische Aufgabe". Mit Blick auf höhere Kosten für Mieterinnen und Mieter müsse aber auf "Sozialverträglichkeit" geachtet werden, verlangt Wild, der viele Jahre Geschäftsführer des Berliner Mietervereins war.
Lenkungsausschuss ohne wissenschaftliche Expertise?
Die Verbände und Initiativen warnen den Senat auch davor, einseitig auf die Fernwärme zu setzen und dabei die energetische Gebäudesanierung zu vernachlässigen. "Wir sehen noch nicht, dass die Fernwärme klimaneutral sein wird", so BUND-Experte Kümmel. An Energieeinsparung und Effizienzsteigerungen im Gebäudebereich führe "kein Weg vorbei", ergänzt Ex-Mieterverein-Chef Wild. Den vom Senat forcierten Rückkauf der Kraftwerke und Fernwärmenetze stuft Wild als ein "Risiko" ein.
Darüber hinaus kritisiert das Bündnis das Verfahren, mit dem der Senat die Vergabe der Milliardensummen steuern will. Diese Aufgabe soll ein Lenkungssauschuss mit Vertretern von vier Senatsverwaltungen übernehmen. Hier fehle es an "wissenschaftlicher Expertise", schreibt das Bündnis in seinem offenen Brief und schlägt vor, dass der bestehende Berliner Klimaschutzrat in die Entscheidungen einbezogen werden sollte. Zusätzlich müsse es eine unabhängige "Klima-Taskforce" - besetzt mit Wissenschaftlern, Verbandsvertretern und Akteuren der Zivilgesellschaft - geben, um die Verwendung der Klima-Milliarden zu steuern und zu überwachen.
Grundsätzlich begrüßen die Verbände und Vereine aber die Einrichtung eines Sondervermögens Klimaschutz. Zuletzt hatte jedoch der Landesrechnungshof Zweifel daran geäußert, dass das kreditfinanzierte Sondervermögen mit der Schuldenbremse vereinbar ist. "Weder der Klimawandel noch die Reduzierung der energiepolitischen Abhängigkeit stellen eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne der Schuldenbremse dar", so die Präsidentin des Landesrechnungshofes Karin Klingen in ihrer Stellungnahme.
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.11.23, 19:30 Uhr