Proteste auf dem Land - Wer hinter den Demos gegen Rechtsextremismus in Brandenburg steht
An über 30 Orten in Brandenburg wird am Wochenende gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie protestiert. Hinter den Protesten steckt ein breites Bündnis aus der Zivilgesellschaft – und auch viele bislang Inaktive beginnen sich zu engagieren. Von Jonas Wintermantel
In diesen Tagen läuft bei Thomas Prenzel in Potsdam das Telefon heiß. Die Geschäftsstelle des Aktionsbündnis Brandenburg ist ansprechbar für politisch Aktive im ganzen Land – und für solche, die es werden wollen. Das Aktionsbündnis ist ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Gruppen im Land und vor allem gegen Rechtsextremismus und Rassismus aktiv. Prenzel hilft bei der Organisation von Demonstrationen und bei deren Bekanntmachung. Über einen eigenen Initiativen-Fonds unterstützt das Bündnis auch finanziell.
"Für uns ist das beeindruckend", sagt Prenzel. "Wir merken seit ein, zwei Jahren, dass es eine wachsende Sorge gibt, was den Rechtsextremismus und die kommenden Wahlen in Brandenburg angeht. Gleichzeitig gibt es eine wachsende Bereitschaft der Menschen, auf die Straße zu gehen." Die meisten Anfragen erhält das Bündnis derzeit über Instagram – auch das ist möglicherweise ein Hinweis dafür, wer hier aktuell aktiv wird.
"Es sind viele neue Leute dabei, gerade Jugendliche, die sich erstmals bei den Klimaprotesten eingebracht haben. Andere organisieren jetzt zum ersten Mal eine Demo – denen helfen wir z.B. mit unserem Demo-Leitfaden. Was wir bemerkenswert finden: Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Aus der Kultur, aus dem sozialen Bereich, von den Klimaprotesten. Sie alle organisieren sich gemeinsam gegen Rechtsextremismus. Weil sie merken, dass der Rechtsextremismus all ihre Aktivitäten und die Demokratie in der Substanz bedroht."
Mindestens 30 Demos angemeldet
Es regt sich etwas auf dem Land. Zumindest kann man diesen Eindruck nach dem vergangenen Wochenende bekommen, an dem an vielen Orten in Brandenburg Hunderte und Tausende Menschen auf die Straßen und Marktplätze gingen. Vielerorts wurden die erwarteten Teilnehmerzahlen weit übertroffen.
Für das kommende Wochenende sind noch einmal deutlich mehr Demonstrationen angemeldet. Rund 30 waren es bis Donnerstagmittag, nicht wenige nehmen den Holocaust-Gedenktag am Samstag zum Anlass, ein Zeichen zu setzen. Oft sind es die ohnehin engagierten Gruppen aus der Zivilgesellschaft - Kirchen, Parteien, Initiativen - die zum Protest aufrufen. Doch immer öfter mischen auch Neu-Engagierte mit.
Plötzlich aktiv
Thore Redepenning aus Ribbeck war in seinem Leben noch nie auf einer Demo – nun hat er zum ersten Mal eine angemeldet. "Für ein vielfältiges und menschliches Havelland" wollen die Ribbecker am Sonntag demonstrieren – unter ihrem Birnenbaum, der Ribbeck durch das berühmte Fontane-Gedicht auch weit über die Grenzen des Havellands hinaus berühmt gemacht hat.
"Wir wollen nicht übereinander hetzen, sondern miteinander reden", sagt Redepenning. Die Idee zur Demo entstand spontan in einer lokalen WhatsApp-Gruppe, dem "Dorfklatsch". Für die Ribbecker war es wichtig, die Demonstration nicht gegen etwas oder jemanden zu richten, sondern vielmehr für das Miteinander im Ort. 20 Teilnehmer sind für die Demonstration in Ribbeck offiziell angemeldet.
"Wir haben verlernt, miteinander zu reden. Ich erhoffe mir etwas ganz Kleines - und zwar, dass wir uns im Ort gegenseitig anschauen können und reden können über die Zukunft. Wenn sich dann noch ein paar Kontroverse dazugesellen, mit denen man ins Gespräch kommt - dann wäre das genau das, wo wir hinwollen."
Alte Hasen und Neu-Engagierte
Auch in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) wird am kommenden Wochenende zum ersten Mal seit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherchen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus protestiert. Der Protest wird hier vor allem von Jugendlichen, Schülerinnen und Schülern aus Neuruppin getragen. Corvin Drößler ist seit mehreren Jahren bei Fridays For Future aktiv und Mit-Organisator der Demonstration in Neuruppin. 50 Teilnehmer wurden angemeldet, Drößler hofft aber mindestens auf eine dreistellige Teilnehmerzahl.
"Es sind natürlich auch immer die üblichen Verdächtigen mit dabei. Aber es hat sich - besonders durch die Correctiv-Recherchen - ein Gefühl bei anderen breit gemacht, die vorher weniger aktiv waren. Ich würde sagen, dass viele, die zur schweigenden Masse gehört haben, jetzt den Moment sehen, aktiv zu werden."
Noch unklar ist, wie stark der Gegenwind von Rechts wird. Immerhin sei Neuruppin und die Ost-Prignitz schon lange durch eine aktive Neonazi-Szene geprägt. "Es gibt selbstverständlich Gegenwind, das ist überall so in Brandenburg. Man sieht sehr viele Kommentare in den sozialen Medien, seit die ersten Artikel über die Demo veröffentlich wurden. Unser Aufruf wurde auch in Vernetzungsgruppen geteilt, die normalerweise eher rechte Proteste bewerben. Wir wissen noch nicht, ob es eine Gegendemo geben wird, aber wir sind darauf vorbereitet, dass es Gegenwind geben wird", sagt Drößler.
"Es war überfällig"
Der Gegenwind von Rechts - davon können die am besten berichten, die schon seit Jahren antifaschistische Arbeit auf dem Land leisten. Christian N. ist schon lange politisch aktiv - unter anderem als stellvertretender Landesvorsitzender von "Die Partei" in Brandenburg.
Durch seine Arbeit ist er den Rechtsextremen schon länger ein Dorn im Auge. Seine Familie und er wurden bedroht, die Polizei und sogar der Verfassungsschutz schaltete sich ein, Gefährderansprachen wurden in Richtung der Rechten ausgesprochen – N. macht trotzdem weiter.
Über seine politische Arbeit gegen Rechtsextremismus spricht er in einem fast ironischen Ton: "Immer wenn Höcke irgendwo war, sind wir hingefahren und haben Lärm gemacht, um die Nazis zu ärgern", sagt N. "Inzwischen zeichnet sich ein komplett anderes Bild. Langsam machen die Faschos ernst, die fangen an, Deportationen zu planen. Was Correctiv auf die Bühne gebracht hat, rüttelt hoffentlich viele Leute auf."
N. hat für das kommende Wochenende eine Demonstration in Herzberg (Elster) angemeldet. Vor ein paar Tagen gründete er außerdem die Instagram-Seite "Netzwerk gegen Rechts Elbe-Elster", die schon jetzt über 200 Follower hat.
"Im Moment ist da ein ganz neuer Spin drin. In den letzten Jahren war es sehr schwierig, Leute zu mobilisieren. Inzwischen bekommen wir Angebote aus dem Umland, Menschen aus dem Nachbardorf bieten ihre Hilfe an, es kommt zu ersten Vernetzungstreffen. Es war überfällig, aber es ist schön zu sehen, dass die Demokrat:innen aufstehen und beginnen, sich zu vernetzen und zu organisieren."
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.01.2024, 12:40
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