Berlin und Brandenburg - Empörung über Vertreibungspläne von AfD und Rechtsextremisten

Do 11.01.24 | 20:00 Uhr
  79
Archivbild: Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. (Quelle: dpa/Kalaene)
Video: rbb24 Abendschau | 11.01.2024 | D. Knieling, S. Chahbani | Bild: dpa/Kalaene

Ein Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern, bei dem Pläne zur Ausweisung von Millionen von Menschen geschmiedet worden sein sollen, hat massive Kritik ausgelöst. Ein Politikforscher warnt vor Gefahren für die Demokratie.

  • Brandenburger AfD-Politiker Krause bestätigt Teilnahme an Treffen mit Identitären
  • Rechtsextremismusforscher: Identitäre Bewegung in AfD aufgegangen
  • Brandenburger Linke fordert AfD-Parteiverbot
  • Potsdamer Oberbürgermeister Schubert: Potsdam kein Ort konspirativer Netzwerktreffen

Nach Bekanntwerden eines Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremen in Potsdam haben Politiker und Gesellschaftsträger aus Berlin und Brandenburg scharfe Kritik und Sorge geäußert.

Das Recherchenetzwerk "Correctiv" hatte am Mittwoch Ergebnisse einer Recherche über ein Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, unter anderem aus Brandenburg, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende November veröffentlicht. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt. Danach sollen nach dem Willen der Rechtsradikalen nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen müssen, sondern auch deutsche Staatsbürger mit internationalen Wurzeln, die ihnen nicht passen.

Der Potsdamer Rechtsextremismus-Forscher Gideon Botsch bezeichnete das Treffen am Donnerstag als "gefährlich für die Demokratie". Die durch "Correctiv" bekanntgewordene Zusammenkunft im November vergangenen Jahres berühre die "Grundprinzipien unserer Verfassung", sagte er im rbb24 Inforadio. Botsch leitet die Emil-Julius-Gumbel-Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) am Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam.

Der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) kündigte an, das Treffen zusammen mit dem Verfassungsschutz in der nächsten Hauptausschuss-Sitzung thematisieren zu wollen. Auch strafrechtliche Schritte seien denkbar. Schubert betonte, Potsdam sei kein Ort für konspirative Netzwerktreffen, in denen rassistisches Gedankengut geteilt werden könne. Auch das Bündnis "Potsdam bekennt Farbe" zeigte sich empört und mahnte Engagement gegen Rechtextremismus an.

Die Linke im Brandenburger Landtag forderte ein schnelles Verbot der AfD. Linken-Landtagsabgeordnete Andrea Johlige sagte dem rbb am Mittwoch, es sei um einen Plan gegangen Millionen Menschen systematisch aus Deutschland zu vertreiben. Es handele sich um eine rein völkische Ideologie. Es gehe darum, dass Menschen nach rassistischen Kriterien aussortiert werden sollen. "Wenn da eine AfD mitmacht, dann zeigt das, wo sie mit diesem Land hin will. Und dann zeigt das, dass sie systematisch die Grundlagen unseres Zusammenlebens in Frage stellt. Das ist eine Grenzüberschreitung, die muss auch Folgen haben."

Benjamin Raschke, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Brandenburg, teilte schriftlich mit: "Wir verurteilen die rassistischen und menschenverachtenden 'Geheimpläne', die Rechtsextreme in direkter Nachbarschaft zu unserem Landtag und damit dem Herz der Demokratie gefasst haben, aufs Schärfste. Spätestens jetzt kann niemand mehr die Augen davor verschließen, wofür die AfD steht: für Hass, Ausgrenzung, eine Spaltung unserer Gesellschaft, das Ende unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung." Die Grünen würden die Vorgänge im Landtag zur Sprache bringen.

Nach Einschätzungen des Rechtsextremismusforschers Botsch liefert das jüngste Treffen mit AfD-Vertretern weitere Argumente für ein Verbotsverfahren gegen die Partei. Dabei seien Punkte berührt, die im NPD-Verbotsverfahren aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Hauptmerkmale für die Verfassungswidrigkeit waren. Der Unterschied zum damaligen Verfahren gegen die NPD bestehe darin, das "wir jetzt eine Partei haben, die in der Lage ist, an diesen Zielen wirkungsvoll zu arbeiten", sagte Botsch.

Rechtfertigungen aus der AfD

Der stellvertretende Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause bestätigte dem rbb, dass er bei dem Treffen dabei war. Er betonte, die Teilnehme sei privat gewesen. Bei einem Vortrag von Martin Sellner, einem führenden Mitglied der rechtsextremen identitären Bewegung, sei er jedoch nicht anwesend gewesen. Er würde jedoch grundsätzlich mit jedem das Gespräch suchen, so Krause.

Der Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag, Hans-Christoph Berndt, betonte gegenüber dem rbb, dass es legitim und wünschenswert sei, Lösungen für das Problem der illegalen Migration zu finden. Sowohl Krause als auch Berndt wollten in den rbb-Interviews aber nicht näher darauf eingehen, dass die von Rechtsextremisten Martin Sellner vorgestellten Geheimpläne auch vorsahen, deutsche Staatsbürger auszuweisen. Es habe sich um ein Oppositionellentreffen auf dem "Grund der freiheitlich demokratischen Grundordnung" gehandelt, sagte Krause nur.

Forscher: Identitäre Bewegung in AfD aufgegangen

Den Rechercheergebnissen von "Correctiv" zufolge war der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner Taktgeber des Treffens. Dort stellte er den anderen Teilnehmern Pläne einer von einer sogenannten "Remigration" vor.

Aus Sicht Botschs ist die rechtsextreme Identitäre Bewegung weitgehend in der AfD aufgegangen. Seit dem Aufstieg der AfD in den Parlamenten in den Jahren 2018/19 spiele die Identitäre Bewegung in Deutschland keine Rolle mehr. Dieses Label sei vielmehr in das Umfeld der AfD überführt worden.

"Wenn wir gucken, was identitäre Aktivisten heute tun und wo das identitäre Gedankengut sich heute findet, dann müssen wir in die Flure der Parlamente gucken, in die Flure der AfD-Fraktion", sagte Botsch. Dort säßen die Anhänger dieser Bewegung in den Mitarbeiterbüros der AfD-Abgeordneten. Auch bei der Parteijugend Junge Alternative seien Sprache und Aktionsformen der Identitären sehr präsent.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte auf Berichte über ein Treffen rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam mit einem Appell: "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", erklärte Scholz am Donnerstag auf der Internetplattform X, vormals Twitter. "Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist", ergänzte er.

Vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) hieß es, die Enthüllungen seien keine Überraschung. "Denn die AfD versucht ja, sich europaweit zu organisieren", sagt TBB-Gründer Safter Cinar. Die Angst bei Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland steige stark. "Die Menschen sind ohnehin verunsichert, weil der Rassismus immer mehr in die Mitte rückt." Dennoch hält Cinar ein Verbot der Partei nicht für den richtigen Weg: "Wenn die Partei verboten wird, wird eine Partei B gegründet."

Er plädiert für eine gerechtere Wohnungs-, Bildungs- und Sozialpolitik, damit die Wählerinnen und Wähler wieder zu demokratischen Parteien zurückfinden. "Ich denke, das hat auch was mit der sozialen Schieflage in unserem Land zu tun."

Dass Wirtschaftsvertreter sich mit Rechtsextremen und Vertretern von identitären Gruppen treffen sei "brandgefährlich", sagte Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, dem rbb. "Wir Gewerkschaften stellen uns da sehr deutlich dagegen. Wir sind in unseren Betrieben, in unseren Gewerkschaften für ein tolerantes, ein weltoffenes Land." Dies gelte unabhängig von Fragen nach Religion oder Herkunft, sagte sie.

Sie erwarte, dass Wirtschaftsvertretungen und Arbeitgeberverbände bei demokratie- oder verfassungsfeindlichen Aktivitäten genau hinschauen und dagegen vorzugehen, etwa durch Ausschlussverfahren. "Da wünsche ich mir sehr klare Konsequenzen und ich glaube, davon haben auch die Arbeitgeberverbände eine ganze Reihe an Möglichkeiten", sagte Karger.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.02.2024, 07:25 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 11.01.2024 um 22:37 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

79 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 79.

    Ich kann das gar nicht glauben, dass es Menschen gibt, die hier das Treffen verharmlosen wollen, indem Sie Fakten leugnen.
    Seid endlich laut gegen Rechtsextremismus und Menschenhass und Rassismus.

  2. 78.

    Das Denken von Rechten scheint so zu funktionieren, wie Sie es hier demonstrieren. Das ändert aber nichts an den Fakten, wer sich warum traf, oder mögen Sie keinen Faktencheck? Wo stehen Sie eigentlich?


  3. 77.

    Mit Vorsicht sollte man Menschen begegnen, die sich weniger über das Treffen empören, sondern um die Fakten der Recherche. Stehen Sie vor dem GG? Schützen Sie die Würde, die Gleichheit aller? Wie machen Sie das?

  4. 76.

    Ist aber so. Auch Correctiv sollte kritisch betrachtet werden. Ich bin auch schockiert über die angeblichen Inhalte des Treffens. Aber um einer Nachricht zu vetrauen, habe ich zu Correctiv geforscht. Leider sind sehr viele Fragezeichen aufgetaucht zu Corrctiv und deren Wahrheitsgehalt. Wir können alle anfangen, Nachrichten nach unserem Justus zu interpretieren, dann hat niemand etwas gewonnen.

  5. 75.

    Nach dieser "Lehnitzsee-Konferenz" ... AfD - einfach verbieten! Absolut! Das Maß ist voll. Was soll diese rumjammerei, dass dann noch mehr Leute ins rechte Lager wechseln würden und die AfD sich als Märtyrer aufspielen kann - na und? Das sollte das geringere Übel sein. Wollen wir hier noch länger diesen "Haufen vor sich hin gären" lassen mit immer gravierendere Auswirkungen für unsere Demokratie, Zusammenhalt und gesellschaftlich/wirtschaftlicher Entwicklung? Glaubt hier den wirklich jemand, das sich durch die AfD in Deutschland was verbessern würde?

  6. 74.

    Bitte nicht ignorieren und herablassend behandeln. Es ist nicht nur bei Wikipedia zu finden, auch beim Spiegel, FAZ und anderen Infoquellen im Netz. Dass Correctiv schon diverse Niederlagen vor Gericht erfahren hat, scheint auch zu stimmen. Und leider halten sie es mit der selbst propagierten Transparenz nicht so genau, wenn es um ihre Finanzen geht. Daher muss man skeptisch sein. Correctiv ist leider sehr einseitig ausgerichtet, was die Arbeit anbelangt. Es ist in Sachen Finanzen schon bemerkenswert, dass Correctiv den Skandal um Spitzenbeamte im Finanzministerium nicht recherchiert und aufgedeckt haben. Da ging es in Vorträgen um Tricks zur Vermeidung von Steuern...............

  7. 73.

    "Correctiv ist alles ander als seriös."

    Ihre Argumente - Finanzierung, Gerichtsniederlagen - aufreifend; dazu Straftäter in ihren Reihen, solche geheimen Treffen: die AfD ist alles andere als seriös.

  8. 70.

    Wenn es journalistisch i. O. und gesetzlich völlig ok ist, in Häuser hinein zu filmen und Personen zu dokumentieren, die nicht beim öffentlichen Termin sind, na dann. Meine, es ist Filem in den geschützten persönlichen Bereich hinein, (angemieteten) Wohnraum.

  9. 69.

    Allerdings: Sieht man die Probleme dieser Zeit, sieht man auch, dass die Machthabenden und politisch Gestaltenden, Verantwortlichen der letzten Dekaden genau diese Probleme ungebremst haben entstehen lassen. Vieles davon ist auch nicht verfassungsgemäß, wenn z. B. Ausreisepflichtige völlig freies Spiel haben. Und überhaupt erst an diesen Punkt kommen konnten.

  10. 68.

    Sie haben sowas von recht! Rechts darf nie eine Wahl sein. Aber die, die sich warum auch immer abgehängt fühlen, wählen AFD. Die Partei, die auf die momentanen Stimmungen aufspringt, aber Lösungsvorschläge…na ja. Purer Populismus und Hetze. Ich mag nicht in den Abgrund der 1930er Jahre..da führt die AFD hin. Können rhetorisch alles super verpacken, das war es dann aber auch schon. Gute Nacht, wenn die drankommen!

  11. 66.

    Das ist Quatsch. Flüchtlinge haben ja das Recht Asyl zu beantragen. Illegal wäre man nur, wenn man das nicht macht und heimlich hier lebt.
    Die Frage ist dann, wo sollte das sein?

  12. 65.

    Ich kann Ihnen in allen Punkten beipflichten. Es ist widerlich.

  13. 64.

    Ich gebe Ihnen recht. Correctiv ist alles ander als seriös. Das Geld kommt zum größten Teil von Facebook und einer Stiftung mit doch dubiosen Kontakte. Auch sind in der Vergangenheit viele " Recherchen " von correctiv durch verschiedene Gerichte verworfen oder einfach als falsch festgestellt worden . Ist alles bei Wikipedia nachzulesen. Also schon mal mit Vorsicht zu genießen.

  14. 63.

    Wow! Pures Gaslighting in den ersten paar Dutzend Kommentaren!! Ihr wollt nur Ablenken davon dass Leute Pläne gemacht haben um deutschen Staatsbürgern auf Grund von "Rassenmerkmalen" das Leben in ihrem Land zu verbieten. Schön und gut nach der Quelle zu fragen. Trotzdem: Schande auf alle die es okay finden wenn solche Pläne gemacht werden. Schämt euch!

  15. 62.

    Also ich würde meine Informationen nicht von "Correktiv" beziehen. Was soll ich da erfahren?? Für mich ist das kein objektiver Journalismus. Erstmal abwarten was da wirklich dran ist......

  16. 61.

    Da sind sie wieder die Biedermänner und die Brandstifter. Und was machen viele rbb Foristen? Verharmlosen, rechtfertigen und persönlich angehen.

  17. 60.

    Solche Treffen sind einfach nur Ekelhaft. Das gleiche trifft auf die Teilnehmer zu. Hier soll offenbar ausgetestet werden, wie weit die AfD in ihrer Politik gehen kann. Verantwortlich für diese Situation ist tatsächlich in erster Linie die CDU und zwar die CDU unter Merkel. Millionen Menschen unüberprüft einreisen lassen, in der Hoffnug diese dann auf die EU-Staaten verteilen zu können. Die haben aber keine Lust sich unsere Migrationsprobleme ins Land zu holen. Und die SPD trägt ihren Teil (Staatsbürgerschaft nach fünf Jahren) bei. Migration ist per se nichts schlechtes, wenn sie kontrolliert erfolgt. Wie hoch die Zuwanderung sein soll und aus welchen Ländern sollte die Regierung auch unter wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten entscheiden. Für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschft sollte es kein Rechtsanspruch geben. Sie sollte Fall für Fall verliehen werden wenn die Integration erfolt ist.

Nächster Artikel