Kommentar | Rechtsextremes Netzwerk - Abwiegeln, kleinreden, ablenken - die AfD und das Treffen am See
AfD-Politiker diskutieren mit Rechtsextremisten über die Deportation von Millionen Menschen von Deutschland nach Afrika - und verkaufen das als unverbindlich und harmlos. Das war es aber mit Sicherheit nicht, meint Amelie Ernst.
Na klar, war doch alles ganz harmlos. Nur ein kleines, informatives Treffen in einer Villa am Lehnitzsee. Mehr oder weniger hochrangige AfD-Funktionäre waren zwar dabei, aber ja nicht in ihrer AfD-Funktion, mehr so als interessierte Bürger oder "privat", wie es Tim Krause, der stellvertretende AfD-Kreischef in Potsdam und Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag, nennt. Auch er sei nur als Privatperson bei dem Treffen dabei gewesen, behauptet Sachsen Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund. Und überhaupt sei das Treffen "kein AfD-Termin" gewesen.
Klar: Reines Privatvergnügen wie Kino, Lesen, Freunde treffen – oder eben mit Rechtsextremisten über die Deportation von Millionen Menschen von Deutschland nach Afrika diskutieren.
Ach nein, nicht "Deportation": "Remigration" heißt das doch in der Sprache der Rechtsextremisten - zumindest vorerst. Ein Begriff, der aus der Sozialwissenschaft übernommen wurde. Klingt dann auch gleich viel besser, ist nicht so radikal. Da wird man sich doch nochmal informieren dürfen - ganz unverbindlich, versteht sich.
Nach außen "Law and Order" und auf dem Boden des Grundgesetzes
Die Wortwahl passt perfekt zum Anschein, den sich die AfD nach außen geben will: Recht und Ordnung und alles auf dem Boden des Grundgesetzes. Nur das Beste für das eigene Volk. Doch wer dazugehört, das definieren die AfD und ihre Vordenker - beispielsweise bei Treffen wie dem am Lehnitzsee. Dass es bei der "Remigration", die dort diskutiert wurde, um Menschen mit deutschem Pass geht, auch um solche, die sich für Geflüchtete einsetzen, und dass dafür Grundrechte ausgehebelt werden müssten – nun ja. Auch im Brandenburger Landtag lanciert die AfD das Thema: Per Antrag hat sie die Landesregierung schon im vergangenen Jahr aufgefordert, einen "Remigrationsbeauftragten" einzusetzen.
Abwiegeln, kleinreden, ablenken
Er sei ja erst nach dem entsprechenden Vortrag des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner dazugekommen, wiegelt AfD-Sprecher Tim Krause ab. Und er habe gar nicht gewusst, dass dieser dort anwesend sein würde, behauptet Roland Hartwig. Er war früher Bundestagsabgeordneter und ist heute Berater von AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, obwohl Sellner laut Correctiv in der Einladung angekündigt wurde.
Abwiegeln, kleinreden, ablenken – so die Strategie der AfD in solchen Fällen oder etwa die Öffentlichkeit für dumm verkaufen? Auch die Brandenburger AfD-Spitze will nichts von dem Treffen mit Sellner und Vertretern der Identitären Bewegung gewusst haben. Hans-Christoph Berndt, der Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag, bittet Medienvertreter erstmal um entsprechende Informationen, anstatt einfach den eigenen Pressesprecher zu fragen. Klar!
Apropos Sprecher: Einer von Tim Krauses Vorgängern als Sprecher der AfD-Fraktion war Jörg Dittus, Vertreter der Neuen Rechten mit besten Kontakten zur Identitären Bewegung. Überhaupt rekrutiert die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag Referenten und Mitarbeiter offenbar gern aus dem Umfeld von Rechtsextremisten und aus der "Jungen Alternative", die für den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" gilt. Für die Fraktion offenbar eher ein Einstellungs- als ein Ausschlusskriterium.
AfD plant bereits Regierungsverantwortung
Das Treffen am Lehnitzsee zeigt: Die AfD plant für die Zeit, in der sie regiert oder zumindest mitregiert in Deutschland. Und diese Pläne sind konkret, ebenso wie die Bündnisse und Netzwerke, die bei der Umsetzung helfen sollen. Und nicht alle AfD-Funktionäre sehen noch einen Grund, das hinter verschlossenen Türen zu besprechen: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein #Geheimplan. Das ist ein Versprechen", schreibt der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer auf der Social-Media-Plattform X. Es gehe "um den Erhalt unserer Identität. Für Deutschland."
Und wie so oft ist das, was nicht gesagt wird, fast noch erhellender als das, was gesagt wird. Denn ein lautes Dementi oder gar Empörung über die von Sellner vorgestellten Remigrations- oder Deportationspläne seitens der AfD fehlt bisher – stattdessen nur der Verweis auf das Parteiprogramm, in dem Entsprechendes (bisher) nicht drinsteht.
Aber auch wenn die AfD es versucht: Kleinreden lässt sich das alles nicht mehr.
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