Brandenburger FDP - Mit der Abrisskugel in den Landtag

Do 15.02.24 | 16:35 Uhr | Von Birgit Raddatz
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Christian Lindner (FDP,l), Bundesminister der Finanzen, und Zyon Braun (FDP), Landesvorsitzender in Brandenburg. (Quelle: dpa/Sommer)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.02.2024 | Katrin Neumann | Bild: dpa

Seit zehn Jahren ist die FDP im Brandenburger Landtag nicht vertreten. Das soll sich bei der kommenden Wahl ändern. Dabei zählt jeder Prozentpunkt. Helfen soll ein engagierter Wahlkampf – und prominente Unterstützung aus der Bundespolitik. Von Birgit Raddatz

 

  • Brandenburger FDP startet Wahlkampf mit Politischem Aschermittwoch
  • Bundesfinanzminister Lindner setzt große Hoffnungen in Spitzenkandidat Braun
  • Umfragewerte sehen Partei derzeit bei drei Prozent

Der Saal im Potsdamer Kutschstall ist bis auf den letzten Platz gefüllt: 300 Gäste hat der Politische Aschermittwoch angelockt, ausgerichtet von der Brandenburger FDP. Das liegt nicht etwa daran, dass es die erste Veranstaltung dieser Art war. Sondern vielmehr an der prominenten Unterstützung durch Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Unter tosendem Applaus und dem Lied "For you" von The Disco Boys empfängt ihn der Landesverband. Begleitet wird Lindner von Zyon Braun, Spitzendkandidat der Brandenburger FDP - und bisher weitgehend unbekannt.

Beflügelt durch mediales Interesse

Doch das soll sich ändern. Die Liberalen sind sich sicher: Mit prominenter Unterstützung aus der Bundespolitik und der damit einhergehenden medialen Aufmerksamkeit schaffen sie nach zehn Jahren den Einzug in den Brandenburger Landtag. "Alles neu" steht in großen Magentafarben auf ihrem Plakat, daneben eine Abrisskugel. Wie es sich für einen Politischen Aschermittwoch gehört, versucht es der Kreisvorsitzende der FDP Potsdam-Mittelmark und Moderator des Abends, Matti Karstedt, sogleich mit einem Witz in Richtung des politischen Gegners: "Wir haben heute Abend die Bundes- und Landespresse da, Dutzende Kameras sind hier im Raum, jedes Wort wird mitgezeichnet. Ich glaube, die Hobby-Sheriffs der CDU Brandenburg waren noch nie so stolz auf die FDP." Verhaltenes Gelächter im Raum, es scheint, als sei vielen in der Brandenburger FDP gar nicht so wohl mit der Aufmerksamkeit.

Besonders als sie von Karstedt dann auch noch erfahren, dass sich Udo Brömme alias Ralf Kabelka, Reporter des ZDF-Satireformats "Heute Show", im Saal aufhält. Er dürfe alles, ruft ihm Kniestedt von der Bühne aus zu. "Nur eine Sache dürfen Sie nicht und das ist hier nach oben kommen und eine Rede halten, denn ein linker Clown am Mikrofon, das ist in Brandenburg immer noch Kernkompetenz von Sebastian Walter."

Mit wem will die FDP regieren – und wer mit ihr?

Viel zu lachen gibt es im Laufe des Abends dann auch nicht mehr. Dafür ist die Lage der Brandenburger FDP zu Ernst. Laut den letzten Umfragen kommt die Partei derzeit gerade einmal auf drei Prozent, würde einen Einzug in den Landtag also wieder verfehlen. Doch Spitzenkandidat Zyon Braun gibt sich kämpferisch – und sieht sich bereits in einer Regierung mit SPD und CDU. Die Rolle der FDP in diesem Bündnis, so Braun, sei die der Lokomotive "Emma" aus Jim Knopf. "Und dann heißt es: Anschnallen meine Herren, denn dann geht es nämlich los in Brandenburg."

Spätestens jetzt wird klar: Der ausgewiesene politische Gegner der Freien Demokraten in diesem Wahlkampf sind die Grünen. Kein Wort darüber, dass die Wunschkoalition aus SPD und CDU derzeit in den Umfragen ebenfalls keine Mehrheit mehr bilden könnte und die AfD stärkste Kraft würde.

SPD und CDU als Wunschpartner der FDP

Das Wahlprogramm der FDP wird derzeit noch erarbeitet. Mehrfach betont Braun jedoch, wofür seine Partei steht: Menschen führen in Brandenburg gerne Auto und müssten es aufgrund von mangelnder Infrastruktur auch. Er spreche sich für die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A100 aus, davon habe auch das Umland etwas. Außerdem wolle er sich für den Abbau von Bürokratie für Brandenburger einsetzen, dann würden sich auch wieder mehr Unternehmen gründen.

Die Veranstaltung zeigt: Die FDP – selbst wenn sie über die fünf-Prozent-Hürde käme - hat Schwierigkeiten, ein Bündnis zu finden, mit denen sie als "Lokomotive" in die Regierung fahren will. Die Grünen, das ist der ausgewiesene, politische Gegner. "Einmal im Monat kommt der Vorschlag der Grünen, dass wir aus der Kohle aussteigen müssen. Ich höre nicht ein einziges Mal, wo die Grünen in irgendetwas einsteigen wollen." Mit der AfD mache man es auf keinen Fall, das betont Braun mehrfach. Die Linke halten die Liberalen für "clownesk". SPD und CDU schneiden in den Umfragen derzeit zu schwach ab, um eine kleine Partei wie die FDP in die Koalition zu holen.

FDP verliert derzeit Mitglieder

Knapp ein halbes Jahr vor der Wahl versucht die FDP Brandenburg außerdem herauszufinden, was sie von anderen Parteien im Land unterscheidet. Und wer sie eigentlich wählen wird. Im Saal sind auffallend viele jüngere Menschen. In der Altersspanne der 16- bis 34-Jährigen schnitt die Partei 2019 am besten ab. Mittelständige Unternehmer und Unternehmerin sollen sich ganz offensichtlich angesprochen fühlen. "Alle freiheitsliebenden Menschen", wird Parteichef Christian Lindner später auf die Frage nach den potenziellen Wählerinnen und Wählern in Brandenburg antworten.

Bundespolitische Themen überlagerten derzeit vieles in der Partei, gab Landesvorsitzender Braun kürzlich in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" zu. Anfang Februar hatte der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende von Brandenburg an der Havel, Patrick Meinhardt, in einem Brief seinen Rücktritt aus der Partei erklärt. Meinhardt kritisierte dabei auch direkt Bundesfinanzminister Lindner für dessen Umgang mit dem Mittelstand und den protestierenden Bauern. Etwas mehr als 1.500 Parteimitglieder hätten die Brandenburger Liberalen laut ihres Vorsitzenden noch. Es gebe derzeit mehr Aus- als Eintritte.

Braun hofft auf weitere Unterstützung der Bundespartei

Doch weder Lindner noch Braun scheint das an diesem Abend groß zu kümmern. Auch den Bundesfinanzminister scheint die Begeisterung für die Partei im Potsdamer Kutschstall zu euphorisieren. Fast eine Stunde lang spricht Lindner auf der Bühne, lobt Braun, der auch Mitglied im FDP-Bundesvorstand ist, später als "Mensch mit klaren Grundüberzeugungen". Der 29-jährige gelernte Bankfachwirt sei kein Berufspolitiker, sondern stehe für eine neue Generation. "Er hat Lust, Brandenburg zu gestalten, zum Beispiel im Bereich Unternehmensgründungen auch im mittelständischen Bereich."

Die 300 Gäste haben sowohl Lindner als auch Braun an diesem Abend jedenfalls überzeugt, kaum jemand der Befragten äußert sich kritisch. Braun kündigt an, in den kommenden Monaten weiterhin auf prominente Unterstützung zu setzen. "Hat Brandenburg Bock auf Wahlkampf mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann?" Der Saal jubelt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.02.2024, 14:21 Uhr

Beitrag von Birgit Raddatz

42 Kommentare

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  1. 42.

    Es gibt da etwas was Hoffnung macht. Weil es weltweit gleich verteilt ist. Es kann nicht umverteilt werden durch wenige Zuteiler. Es ist immer moralisch von Anfang an. Es ist der Rohstoff schlechthin: Die menschliche Intelligenz.

  2. 41.

    So wie sie sie verstehen nicht. Das haben die Menschen in Deutschland und in den reichsten Ländern Europas längst kapiert.
    Nicht umsonst sind hier Volksparteien entstanden, die zumindest in weiten Teilen versucht haben, alles zusammen zudenken.
    Soziale Marktwirtschaft, als das bisher beste Modell, lebt natürlich auch von einer liberalisierten Wirtschaft, aber nicht als alles dominierendes Primat.

  3. 40.

    „Deswegen verstehe ich nicht, über welche Wolkenkuckucksheime wir hier eigentlich reden.“
    Darüber ob liberale Politik nicht doch bessere Konzepte hat als die Zuteiler? Und dadurch Kräfte freisetzt die andere Ideologen eher hemmen?

  4. 39.

    Ok, ich versuche es mal andersherum, da sie offenbar denken die Entwicklungen wären unabhängig :
    Vermögen entsteht durch Einkommen, in welcher Form auch immer, gerechtfertigt oder nicht, durch Mehrwert oder nicht, und die Geldblase kann nicht beliebig ohne Nebenwirkungen auf die Mehrheit wachsen um deren Vermögenszuwachs zu kompensieren, wenn eine Minderheit alles besitzt und das gesamte Gesellschaftsspiel dominiert, in welcher Form auch immer spielt dabei keine Rolle, weil alle mind. automatisch abhängig von denen werden, die alles besitzen.
    Ist eigentlich Trivialmathematik in beschränkten Systemen und im Übrigen für jede Generation zum anfassen. Weil jede Generation wenigstens einen Crash miterlebt. Deswegen verstehe ich nicht, über welche Wolkenkuckucksheime wir hier eigentlich reden.

  5. 38.

    Einkommen ist nicht gleich Vermögen. Für Einkommen kann man viel machen, z.B sich bilden...
    Vermögen sollte hier deshalb gehalten werden, weil wir ein vielfaches Invest brauchen, mehr als der Steuerstaat es je leisten kann. Ein Vielfaches! Wie würden Sie anlocken ohne wegzunehmen? Mein Favorit ist Anreiz.

    P.S. „Ich“ traue mir nicht zu, anderen Vermögen wegzunehmen, dies zu begründen und neu zuzuteilen. Ich spreche das auch anderen ab.

  6. 37.

    Sie kennen: „ Die reichsten 20 Prozent besitzen 80 Prozent des Vermögens“ oder in abgewandelter Form formuliert?
    Das ist keines Falls wenig, sowohl in individueller Höhe als auch als Tortenstück des Gesamteinkommens.

  7. 36.

    Wie gesagt, die Steuerprogression sorgt, wenn man nicht übertreibt, für den Sozialstaat. Und die wenigen Mega,megaeinkommen sind schnell weg und es sind zu wenige. Wie würden Sie Kapital, dass sich wie ein scheues Reh verhält, anlocken?

  8. 35.

    Ich glaube sie wollen nicht verstehen. Ich habe erstens nicht von der Verhinderung sondern der Dämpfung (Verlangsamung) der Einkommensschere geredet und zweitens nicht von erwerbstätigen Einkommen sondern von der Einbeziehung unserer Mega-Giga-Euro-Liga. (das sind die Puppenspieler).
    Das ist der Dynamikbereich der notwendigen Progression und nicht wie bisher die Kilo-Euro-Liga.

  9. 34.

    Wenn man Brutto von Netto nicht unterscheiden kann, und den Arbeinehmern nich wohlgesonnen ist, darüber hinaus die soziale Martwirtschaft mit Kapitalismus zur Zeiten von Marx verwechselt, dann fehlt es an Grundwissen,
    Die Ideologien von vorgestern, das will man uns näher bringen,

  10. 33.

    Das ist ja wohl Zynismus oder!? Es gibt da nämlich ganz andere Ansichten. Die FDP war jetzt, glaube ich, viermal an einer Regierung beteiligt. Jedesmal hat sich die Staatsverschuldung verdoppelt bis verdreifacht! Jedes mal ist die Schere zwischen arm und reich signifikant größer geworden.
    Hand beissen die sie füttert!? Vielleicht sollten sie nochmal ein paar volkswirtschaftliche Grundlagen studieren. Ich empfehle da die Mehrwerttheorie!
    Gewinne privatisieren, Verluste/Schulden sozialisieren und sich dann als Leistungsträger hinstellen, das sind mir die liebsten....

  11. 32.

    Unterschiedlich hohe Löhne sind für die Bewertung von Anstrengungen unter Erwachsenen notwendig, ohne den Anspruch der vollsten Gerechtigkeit zu haben. Eine Einkommensschere ist zwangsläufig da, die keine Politiker als „Gott richten können“. Die höhe „meines“ Gehaltes und dessen Netto will „ich“ beeinflussen können, wenn Sie verstehen wollen? „Ich“ kann es wirklich besser. Denn, ich kann auch anders und auch woanders!
    Gewerkschaften sind die richtigeren Interessenvertreter für Löhne als es Politiker je sein können.

  12. 31.

    „Das richtige Maß des Abgebens zu finden ist schwer.“
    Es funktioniert nur wenn die Abgabe über das Einkommen progressiv steigt. Ansonsten geht die Einkommensschere unweigerlich zu schnell auseinander, denn soviel Wirtschaftswachstum können sie aus mehreren Gründen nicht Dauer erzeugen, die diese Entwicklung hinreichend kaschieren.
    Und wenn die Einkommensschere zu stark auseinandergeht, ändert sich das Machtgefüge und führt unweigerlich zu Mitkopplungen und Verlust an der allgemeinen volksnahen demokratischen Durchlässigkeit der Gesellschaft.

  13. 30.

    "Die Liberalen stehen für Technologieoffenheit statt Ideologie." Nein, dafür steht die FDP auch nicht, das Genbäudeheizungsgesetz GEG haben sie mit durchgewunken, obwohl damit CO2 im nennenswetten Umfang nicht eingespart wird und nur die Bevölkerung sehr viel Geld kostet.

  14. 29.

    Das Ihnen der liberale Einsatz für freiheitliches Leben und der Belohnung für Leistungen „ein Dorn im Auge ist“ verstehe ich nicht. Denn den Solidargedanken kann man erst bezahlen, wenn andere überdurchschnittliche Leistungen bringen und einen größeren Teil dann davon einzahlen...Logik der Finanzpolitik. Linke und Grüne wollen doch nicht etwa Geld drucken?
    Und was Sie machen ist: Die Hand schlagen die füttert. Das ist?

  15. 28.

    Die derzeitige Steuerprogression ist sehr schwer zu verbessern. „Nach unten treten“ ist falsch, diffamierend für alle die geben. Viel geben (müssen). Das richtige Maß des Abgebens zu finden ist schwer. Weil (aus meiner Sicht) das Kapital flüchtig ist, wenn übertrieben viel weggenommen wird (über 50%)? Andere, nicht so reiche Länder locken Kapital an... Das würde Deutschland auch besser bekommen!

  16. 27.

    Nochmal Herr Lindner ist der aktuelle Finanzminister und damit für den Haushalt, den die Regierung am Anfang der Legislaturperiode beschlossen hat, verantwortlich. Seine Rechtsanwälte im Haus haben ihn bestimmt auf die Risiken laut Verfassung hingewiesen. Er hätte somit gar nicht den Koalitionsvertrag unterschreiben dürfen!
    Was mich stört ist Unehrlichkeit, z.B. die Erhöhung der Umsatzsteuer in Gaststätten auf 19%. Er hat das beschlossen und sagt seinem Klientel, den Gastwirten, dass er damit nichts zu tun hat.
    Das Verbot der Verbrenner bis 2035 hat was mit gesundem Menschenverstand und Planungssicherheit für die Hersteller zu tun und nichts mit Ideologie.

  17. 26.

    Er versucht nur mit einfachen Worten zu erklären, was ein Problem der FDP-Politik ist.
    Natürlich ist eine Steuerprogression richtig, aber nur wenn sie stetig über dem Einkommen wächst und nicht ihr Maximum bei den mittleren Einkommen hat.
    Und natürlich besteht die Lösung nicht im einfachen Abflachen, weil dann die notwendigen Steuereinnahmen im laufenden Haushalt fehlen.
    Das alleinige Treten nach unten wird in der sozialen Marktwirtschaft überhaupt nichts lösen.

  18. 24.

    Das Bild spricht Bände. Lindner die Abrissbirne. Klasse getroffen. Anscheindend ist es besser `schlecht zu regieren als gar nicht. Für mich ist Hr. Lindner der Totengräber der FDP. Und sowas hab ich mal gewählt . Nie wieder

  19. 23.

    „Herr Lindner als Finanzminister direkt für die Pleite vor dem Verfassungsgericht mit verantwortlich ist“

    Das ist falsch. Dafür war Herr Scholz als Finanzminister verantwortlich. Vergessen?
    Ergänzend noch Eines: Unter dem liberalen VM wurde noch nie soviel Geld in die Schiene investiert. Was reden Sie denn da? Auch wird der Verbrenner nicht favorisiert. Die Liberalen stehen für Technologieoffenheit statt Ideologie.