Neue Zentralstelle soll koordinieren - Berliner Senat räumt Lücken beim Katastrophenschutz ein

Mo 18.03.24 | 18:19 Uhr
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Einsatzfahrzeug des Berliner Katastrophenschutzes im Jahr 2019 in Köpenick (Bild: imago images/Matthias Koch)
Video: rbb24 Abendschau | 18.03.2024 | Gespräch mit Staatssekretär für Inneres C. Hochgrebe | Bild: rbb

Zu wenige Sirenen, viele Trinkwasserbrunnen nicht einsatzbereit - in Sachen Zivilschutz sei zuletzt "einiges aus dem Blick geraten", räumt die Innenverwaltung ein. Am Montag besprachen Experten, was in Berlin nun unternommen werden muss.

  • Experten besprachen im Innenausschuss Schritte zu besserem Katastrophenschutz
  • Neue Zentralstelle soll im Krisenfall Zuständigkeiten koordinieren und bündeln
  • Bezirk Lichtenberg bemängelt zu wenige einsatzfähige Trinkwasserbrunnen
  • Fachkräftemangel erschwert Ausbau von Sirenen in Berlin
  • Wissenschaftlerin mahnt Einbindung der Bevölkerung an

Der Senat sieht deutlichen Nachholbedarf beim Bevölkerungsschutz und will vorhandene Lücken durch eine neue Zentralstelle schließen. Seit 1990 seien Zivil- und Katastrophenschutz "etwas aus dem Blick geraten", konstatierte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Berlin befinde sich zwar "nicht mehr ganz am Nullpunkt", müsse aber besser werden.

Unter anderem will der Senat eine Zentralstelle in der Innenverwaltung schaffen, um die Zuständigkeiten von insgesamt 37 unterschiedlichen Behörden enger zusammenzuführen. Mit dem Aufbau ist eine Projektgruppe unter der Leitung des langjährigen stellvertretenden Landesbranddirektors Karsten Göwecke beauftragt.

Neben dem Krisenmangement im Katastrophenfall soll das künftige Katastrophenschutz-Zentrum auch Logistik und Krisenkommunikation sicherstellen, sagte Göwecke den Abgeordneten. Die neue Stelle befinde sich im Aufbau, in diesem und im nächsten Jahr sind zunächst 24 Stellen vorgesehen.

Trnkwasserbrunnen nicht einsatzbereit

Dass Berlin in vielen Bereiche nicht den selbstgesteckten Ansprüchen genügt, machte Lichtenbergs Katastrophenschutzbeauftragter Philipp Cachée deutlich. So gebe es in Lichtenberg derzeit gut 90 Trinkwasserbrunnen, um im Notfall die Bevölkerung zu versorgen, von denen rund die Hälfte im Bundes- bzw. im Landesbesitz seien. Davon seien aber 24 nicht einsatzbereit. Statt der gesetzlich vorgesehenen 15 Liter pro Person stellten diese Brunnen in Lichtenberg gerade einmal knapp 8 Liter pro Person zur Verfügung. Der Senat plant, die Zuständigkeit für die Brunnen künftig landesweit bei den Berliner Wasserbetrieben zusammenzuführen.

Dass sich der geplante Aufbau von insgesamt 411 Sirenen weiter verzögert, erklärte Staatssekretär Hochgrebe den Abgeordneten unter anderem mit Liefer-Engpässen und Fachkräftemangel der beauftragten Firmen. Zuletzt seien 218 Sirenen montiert worden und größtenteils funktionsfähig, 46 Sirenen seien noch im Abnahmeprozess. Für eine flächendeckende Beschallung des Stadtgebiets werde aber der selbst der geplante Vollausbau nicht ausreichen, sagte Hochgrebe. Dazu seien schätzungsweise 580 Sirenen erforderlich. Sirenen seien lediglich ein ergänzendes Warnmittel, sagte Hochgrebe, und wirkten zusammen mit den Warn-Apps "Nina" und "Katwarn" sowie der Cell-Broadcast-Mobilfunkwarnungen und dem Rundfunk.

Auch Abwasserversorgung muss im Blick behalten werden

Dass neben den Vorkehrungen gegen Katastrophen auch der Zivilschutz im Kriegsfall eine stärkere Rolle spielen müsse, machte der Bundeswehr-Landeskommandeur für Berlin, Jürgen Uchtmann, deutlich - am Beispiel der ukrainischen Hauptstadt. Kiew sei selbst keine Frontstadt, müsse aber aufgrund ihrer Verletzlichkeit und politischer Erpressbarkeit erhebliche Aufwendungen für die zivile Verteidigung erbringen.

Auch in Berlin müsse darum gehen, im Rahmen einer Gesamtverteidigung die Bevölkerung widerstandsfähig zu machen. So dürfe sich Berlin nicht nur mit Trinkwasserversorgung aufhalten, sondern auch die Abwasserversorgung im Blick behalten - die Seuchengefahr durch Cholera könne andernfalls die Folgen der Corona-Pandemie um ein Vielfaches übersteigen.

Wissenschaftlerin: "Die Bevölkerung mitnehmen!"

Professorin Brigitta Sticher von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin) begrüßte zwar die Bemühungen des Senats, mit den sogenannten "Katastrophenschutz-Leuchttürmen" in den Bezirken eine dezentrale Struktur aufzubauen. "Aber wir sind erst auf der Hälfte des Wegs, das Wichtigste fehlt noch, nämlich die Einbindung der Bevölkerung." Bei der internationalen Erforschung von Katastrophen weltweit habe sich gezeigt, dass Behörden und Hilfsorganisationen schnell an ihre Grenzen stießen. Die Bewältigung sei ohne die Mitwirkung der Bevölkerung nicht zu denken.

Die Hilfsbereitschaft sei regelmäßig viel höher als erwartet, könne aber durch Maßnahmen gefördert oder auch gekippt werden. Entscheidend sei, die lokalen Netzwerke in den Kiezen einzubinden. Dabei sei Berlin noch nicht gut aufgestellt. Die Bezirke planen nach Angaben des Senats derzeit 37 Katastrophenschutz-Leuchttürme und insgesamt weitere 147 durch Ehrenamtliche besetzte Katastrophenschutz-Informationspunkte. Bisher in Betrieb seien derzeit allerdings erst 12 der 37 Kat-Leuchttürme, räumte Innenstaatssekretär Hochgrebe ein.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.03.2024, 19:30 Uhr

41 Kommentare

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  1. 41.

    Rechtspopulistisches Geschwätz. Unter RRG wurde nach der jahrzehntelangen Sparorgie "...bis es quietscht" endlich wieder investiert, nachdem sPD und cDU alles haben verkommen lassen.

    Verursacher der Sparorgie aber war der Senat Diepgen, der durch seine Milliardenpleite Berlin in den Ruin getrieben hatte.

    Der jetzige Senat macht genau da weiter. Luxusbibliothek, Magnetschwebebahn und eine Verkehrspolitik der 1950er Jahre.

    Wenn jemand wissen möchte, wohin starrsinnige Ideologie führen kann braucht nur ihren "Kommentar" lesen.

    Fake News und Verdrehungen wohin das Auge blickt. Sie sollten mal ihre blaue Brille absetzen.

  2. 40.

    Danke für den Hinweis. Die App Nina funktioniert leider auf meinem alten iPhone nicht. Glücklicherweise bin ich selbst in Katastrophenschutz bereits recht gut geschult und kann es deshalb anderen nur weiterempfehlen. Empfehlen kann ich auch das kleine Notfallkochbuch „Kochen ohne Strom“, das auch etliche Tipps zur Vorratshaltung für den Notfall enthält.

  3. 38.

    Südwest an Berolina:
    "Wenn jemand wissen möchte, wohin starrsinnige Ideologie führen kann, besonders linksgrüne, der muss nur aus dem Fenster schauen. Wer nichts erkennen kann, dem sei eine Fahrt über die Straßen empfohlen. Allerdings nicht über die
    wenigen, die halbwegs in Ordnung sind, sondern über die vielen, die desaströs sind."

    Sie tun ja so, als ob die Straßen alle in Ordnung waren, als es noch keine linksgrüne Regierung gab. Das Gegenteil ist der Fall! Da gibt es keine Unterschiede! Die Radwege waren, sofern überhaupt vorhanden, miserabel!

  4. 36.

    Alte Fahrzeuge?Altes Material? Unsere Fahrzeuge, 1999 und 2001, sind verkehrs-und betriebssicher, das Verbrauchsmaterial wird regelmäßig umgewälzt. Die restliche Fachdienstausstattung nach DGUV überprüft. Wo ist da also das Problem?

    Wichtiger wäre ein vernünftiges und zeitgemäßes Unterbringungskonzept, eine zahlenmäßige Erhöhung der Einsatzformationen und damit verbunden fortlaufende Maßnahmen zur Mitarbeitergewinnung.

  5. 35.

    Bleiben Sie doch einfach beim Thema, statt schon wieder mit der AfD abzulenken. Die braucht nämlich hier gar nichts zu machen, da sie nicht in Regierungsverantwortung ist. Würde sie was fordern, wäre es Ihnen ja auch wieder nicht Recht.

  6. 33.

    Kleiner Tip:
    in der App NINA gibt es einen Bereich mit Verhaltenshinweisen in Katastrophenfällen unterglieder in Stromausfall, Brand, etc.

  7. 32.

    "Jahrzehnte langes kaputt sparen der inneren Sicherheit führt zu solchen Zuständen."

    Gut gebrüllt, Löwe. Wer hat denn jahrzehntelang kaputt gespart und wer ist dafür verantwortlich? Fragen sie doch mal die Herrschaften Landowsky, Diepgen, Fugman Heesing und Sarrazin.

    Der aktuelle Senat macht genau da weiter wo die aufgehört haben, man schmeißt Milliarden für Klientelpolitik aus dem Fenster aber betreibt keine Vorsorge für die Zukunft. Der Verkehrskollaps wird dabei noch unser geringstes Problem sein.

    Ich möchte nicht wissen wieviele Stunden im Jahr die Feuerwehren und Rettungsdienste im Stau des MIV zubringen.

  8. 31.

    Komischerweise scheint sich auch die afd nicht in diese Thematik reinzuhängen, die Vorbereitungen zum Umbau unserer FDGO zu einer Kopie von Russland und China kosten ja auch arg viel Kraft, gell?

  9. 30.

    da sage ich nur herzlichen Glückwunsch, aus der DDR die hatten eine mit Beginn der 8. Klasse ausgiebigen ZV Ausbildung . wie kann man etwas aus einem Autokraten System übernehmen.

  10. 29.

    „Katastrophen-Leuchttürme" klingt nach „Franziska Giffey Sprech", scheint auch mal wieder eine absolute Luftnummer zu sein!

    Was ist eigentlich aus dem „ Netzwerk der Wärme " geworden?
    Ich habe letztens mal versucht auf der Website was zu finden - dieses „ Netzwerk " besteht wohl hauptsächlich aus der Website selbst, (die sicherlich für teures Geld von externen Spezialisten geschaffen wurde!) einige Links führten ins Leere, andere an längst anderweitig bekannte Adressen zu. B. Stadtbibliothek

  11. 28.

    Wenn jemand wissen möchte, wohin starrsinnige Ideologie führen kann, besonders linksgrüne, der muss nur aus dem Fenster schauen. Wer nichts erkennen kann, dem sei eine Fahrt über die Straßen empfohlen. Allerdings nicht über die
    wenigen, die halbwegs in Ordnung sind, sondern über die vielen, die desaströs sind. Dann sollte man die Erkenntnisse auf das ganze Land und die Infrastruktur incl. dem tollen Katastrophenschutz hochrechnen. Natürlich Gesundheits-, Schulwesen, Bundeswehr usw. nicht vergessen ! Viel Spaß !

  12. 27.

    Es gab mal Pumpen am Straßenrand, die handbetrieben waren. Aber die sind, wie in Berlin nicht anders zu erwarten, überwiegend kaputt, weil die Wartung Geld kosten würde. In West-Berlin gab es mal Schutzanlagen für 25.000 Menschen, kann man inzwischen mit dem Verein Berliner Unterwelten besuchen. Reichte natürlich nicht aus für alle 2,1 Mio Einwohner. Eine Senatsreserve gab es auch. All das wurde gebaut, als es noch Menschen gab, die Krieg miterlebt haben. Was will man von den Schreibtischkriegern von heute erwarten. Und eines ist sicher: Berlin würde als erstes getroffen, für das, was dann noch übrig wäre, hätte man weder Sirenen noch Bunker oder Brunnen gebraucht. Habe ich bei der Wahl eigentlich mit der Stimmenabgabe auch das Mandat erteilt, einen Krieg zu führen, bei dem auch ich draufgehen würde?

  13. 26.

    Na ja, eher war es so, dass wir Deutschen uns selbst eingeredet haben, dass Krieg künftig nicht mehr möglich wäre. Auch wenn die Bedrohung kleiner war, als zu Zeiten des Kalten Krieges, war sie doch nie ganz weg. Man hat, politisch wie auch wirtschaftlich alle Augen fest zugekniffen, während die potentiellen Gegner stetig aufgerüstet haben. Das betrifft nicht nur Russland sondern auch China, Nordkorea oder den Iran. Wir wollen lieber mit allen gut Freund sein, statt Stärke zu zeigen. Auf Augenhöhe kann man aber nur diskutieren, wenn man gleichwertig ist. Aber in Deutschland wird das Militär in weiten Teilen sogar verachtet. Dabei gibt es die alte Weisheit: Wenn du den Frieden bewahren willst, bereite dich auf den Krieg vor! Ein potentieller Angreifer wählt immer das schwächste Glied einer Kette und wird den Angriff nicht wagen, wenn der Gegner überlegen ist. Statt sinnloser Auslandseinsätze, hätte die Bundeswehr mal besser die Verteidigungsbereitschaft gestärkt.

  14. 25.

    Wenn der Senat schon freiwillig einen Missstand einräumt ist die Lage in Wirklichkeit ein Desaster.
    Mal wieder eine typische Berliner Mischung von Verdrängung, Unzuständigkeit und Nichtorganisation im Besonderen und der Politik " zu spät, zu wenig, nicht vorausschauend " im Allgemeinen.

  15. 24.

    Ich habe in der Schule auch Dinge gelernt, die ich vergessen habe. Aber längst nicht alles. Es wird immer Schüler geben, die das Thema Katastrophenschutz interessiert und die werden die einmal gelegten Grundlagen nutzen, um sich auch später damit zu beschäftigen. Also seien Sie nicht so pessimistisch. Nicht jeder muss alles können. Aber jeder sollte einmal im Leben so intensiv mit Katastrophenschutz in Berührung gekommen sein, dass ihm zumindest einige Grundregeln in Erinnerung bleiben. Schließlich geht es hierbei um den Schutz des eigenen Lebens.

  16. 23.

    Jahrzehnte langes kaputt sparen der inneren Sicherheit führt zu solchen Zuständen. Ideologisch geprägte Politik ist nicht hilfreich. Wir scheitern schon am Alltagsgeschäft, wie soll es da in einer Katastrophe denn laufen ? Berlin hatte egal mit dem was passiert ist, immer Glück. Nur Glück alleine reicht nicht, es muss auch Geld, Personal und Infrastruktur her.

  17. 22.

    ,der Katastrophenschutz. Geht es um den Schutz der Katastrophe oder um den Schutz vor den Folgen einer Katastrophe bzw schwerem Unglück.
    Wobei ein Unglück durch Menschen verursacht werden, durch eine oder die Verkettung mehrer technischer Fehler und eine Katastrophe durch die Naturgewalten verursacht sind. Soviel zu den Begriffen.
    M.E.liegt der Erfolg, so ein schweres Ereignis für ein Stadtteil, für eine Region, abzuwenden, in einer guten Mischung und Zusammenarbeit aus Bevölkerung vor Ort und in der Nähe der Ereignisse sowie einer gut Strukturierten staatlichen und halbstaatlichen Organisation.
    Wie schwer, wie groß, ist das Ausmaß der Ereignisse.
    Fällt der Strom für ein paar Std aus oder ist in dem Gebiet alles außer Funktion, keine Wege, kein Telefon, kein Strom kein fließend Wasser.
    Wenn ein jeder zwei zusätzliche Geräte bereit hält, kann bereits etwas bewegt werden.
    Zusätzlich erste Hilfe Material, Schaufel, Kaffeekanne, Säge, Getränke, Montage Werkzeug, warme Decken usw.

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