Weltflüchtlingstag - Kirche und Politik erinnern an immer mehr Menschen auf der Flucht
Kunst und Erinnerung: Etwa 100 Boote aus Kartons machen am Donnerstag auf die Situation der mehr als 100 Millionen Geflüchteten weltweit aufmerksam. Derweil debattiert die Politik bei zwei Konferenzen ebenfalls über Abschiebungen.
Mit einer Kunstaktion vor dem Berliner Dom ist am Donnerstag zum Weltflüchtlingstag an die mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht erinnert worden. Das teilte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit. Etwa 100 Boote aus Milchkartons mit einer Länge von fünf Metern wurden im Lustgarten neben dem Dom aufgestellt.
Parallel wurden in der Kirche die Namen von Menschen verlesen, die auf der Flucht gestorben sind. Dabei wurden auch Todesumstände und -orte vorgetragen. Am Abend soll die Aktion im Rahmen eines Gedenkgottesdiensts mit dem Berliner evangelischen Bischof Christian Stäblein beendet werden.
Die Boote wurden nach Angaben des Arbeiterwohlfahrt-Landesverbands Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr von rund 600 Freiwilligen gefaltet und nun für einen Tag vor dem Dom aufgestellt. In den vergangenen Monaten hatten sie schon an zahlreichen Orten bundesweit auf die Schicksale von Flüchtenden aufmerksam gemacht.
Stäblein erklärte, weltweit seien in diesem Jahr so viele auf der Flucht wie nie zuvor. Sie würden vor Gewalt, Krieg, Verfolgung oder der Klimakatastrophe fliehen. "Wir können nur erahnen, welche Verzweiflung und Not zu ihrem Weg gehört und wie viele Menschen buchstäblich auf der Strecke bleiben, verdursten oder ertrinken", betonte Stäblein.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze rief am Weltflüchtlingstag dazu auf, mit Geflüchteten solidarisch zu sein. Die SPD-Politikerin betonte, dass niemand freiwillig flüchte und alle Flüchtlinge Schutz verdienten.
Mehr als 120 Millionen Geflüchtete weltweit
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), hat derweil zum Weltflüchtlingstag vor Kürzungen bei der humanitären Hilfe im Bundeshaushalt gewarnt. "Statt die überlebenswichtige humanitäre Hilfe zu kürzen, braucht es eine starke und vor allem verlässliche Finanzierung", erklärte Amtsberg. Für das kommende Jahr drohen sowohl bei den Mitteln für die Nothilfe im Ausland als auch für den Etat des Bundesentwicklungsministeriums weitere Einschnitte.
Weltweit seien laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mehr als 120 Millionen Menschen auf der Flucht, sagte Amtsberg. Das habe auch eine Zunahme der humanitären Bedarfe zur Folge. Konkret verwies die Grünen-Politikerin auf die Krisen im Gaza-Streifen und im Sudan. Innerhalb Gazas seien 1,7 Millionen Menschen vertrieben worden. Sie hätten weder ausreichend Wasser und Lebensmittel noch Zugang zu medizinischer Versorgung, sagte die Menschenrechtsbeauftragte. Im Sudan habe der seit mehr als einem Jahr andauernde Krieg die größte Vertreibungskrise weltweit ausgelöst.
"Vor dem Hintergrund solch dramatischer menschlicher Not wären Kürzungen der humanitären Hilfe im kommenden Bundeshaushalt kurzsichtig und folgenschwer", unterstrich Amtsberg. Für das internationale System und um Krisen und Konflikte einzudämmen, sei es zentral, "dass Deutschland seiner internationalen Verantwortung weiter gerecht wird".
Sowohl im Etat des Entwicklungsministeriums als auch bei den Mitteln für die im Auswärtigen Amt angesiedelte humanitäre Hilfe gab es im Haushalt 2024 im Vergleich zum Vorjahr Einsparungen. Das Finanzministerium dringt für 2025 auf eine weitere Beschränkung der Ausgaben, um das Haushaltsloch zu schließen. International zählt Deutschland bisher zu den wichtigsten Gebern bei der Finanzierung von humanitären Hilfseinsätzen im Ausland.
Politik berät über Abschiebungen
Vor dem Bund-Länder-Treffen am Donnerstag hatte Berlins Regierender Bürgermeister Wegner (CDU) einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik gefordert. Gemeinsam mit anderen CDU-Länderchefs erwartet er von Kanzler Olaf Scholz (SPD) klare Ansagen dazu, wie die illegale Migration nach Deutschland begrenzt werden kann.
Die Ministerpräsidenten wollen in Berlin mit dem Bundeskanzler über die Migrationspolitik sprechen, unter anderem über die Auslagerung von Asylverfahren. Scholz hatte sich dazu zuletzt nicht mehr grundsätzlich abgeneigt gezeigt. Konkrete Verhandlungen mit Drittländern gibt es bislang aber nicht.
Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) forderte am Rande der Innenministerkonferenz, schwere Straftäter auch nach Syrien und Afghanistan abzuschieben. Stübgen sagte im Fernsehsender phoenix: "Es geht nicht um die hunderttausend Asylbewerber, die hier einen Asylstatus haben. Die hier versuchen ihr Leben aufzubauen, ihre Zukunft zu gestalten." Vielmehr gehe es um "einige Tausend in Deutschland, die ihr Gastrecht fundamental missbrauchen, die islamistische Terroristen sind, Schwerverbrecher sind, Mehrfach- und Intensivtäter sind". Deswegen müsste die Bundesregierung die Möglichkeit schaffen, dass die nach Syrien oder Afghanistan abgeschoben werden können, so Michael Stübgen.
Sendung: rbb24, 20.06.2024, 16:00 Uhr