Migrationspolitik - Warum bislang nach Afghanistan und Syrien nicht abgeschoben wird

Mi 19.06.24 | 07:51 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symbolbild: Der Schriftzug «Abgeschoben/Deported» steht in Schönefeld (Brandenburg) auf einem amtlichen Stempelbild der Bundespolizei. (Quelle: dpa/Hirschberger)
Audio: rbb24 Radioeins | 19.06.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Hirschberger

Nach dem gewaltsamen Tod eines Polizisten in Mannheim sind neue Diskussionen über Abschiebungen aufgekommen. Doch Straftäter werden nicht nach Afghanistan oder Syrien abgeschoben. Das könnte sich aber bald ändern. Von Sebastian Schöbel

Abschiebungen sind im deutschen Aufenthaltsrecht klar geregelt. Grundsätzlich gilt: Wer keinen Aufenthaltstitel oder einen Schutzstatus hat und nicht freiwillig ausreist, kann abgeschoben werden. Allerdings gilt laut Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes: Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, in dem der Person Gefahr droht durch Verfolgung, Folter oder Todesstrafe, sowie durch kriegerische Handlungen. Ausschlaggebend ist allerdings die Sicherheitseinschätzung für ein Land oder eine Region: Ändert das Auswärtige Amt seine Einschätzung von unsicher auf sicher, entfällt der Grund, warum dorthin nicht abgeschoben werden kann.

Verboten ist zudem eine Abschiebung, wenn bei der betroffenen Person eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt. Grundlage ist die Europäische Menschenrechtskonvention. Das gilt auch für Ausländer, die schwere Straftaten begangen haben.

Ins bürgerkriegszerstörte Syrien, wo Autokrat Bashar Al Assad brutal herrscht, schiebt Deutschland aber ohnehin nicht ab - auch, weil man mit dem Regime in Damaskus bislang nicht zusammenarbeiten wollte. Genauso wenig wird nach Afghanistan abgeschoben, wo die Taliban einen islamistischen Gottesstaat anführen, Minderheiten unterdrücken und vor allem Frauen kaum noch Freiheit genießen.

Bislang ein paar wenige Abschiebungen in Drittstaaten

Gesetzlich zulässig ist jedoch die Abschiebung in sogenannte "sichere Drittstaaten": Nachbarländer, in denen Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland keine Gefahr droht. So hat Berlin seit Machtübernahme der Taliban keine afghanischen Staatsbürger direkt nach Afghanistan abgeschoben, in sichere Drittstaaten aber schon, in diesem Jahr bislang 14 Personen.

Bei syrischen Staatsbürgern ist die Zahl der Abschiebungen aus Berlin in den vergangenen fünf Jahren noch geringer: Seit 2019 waren es 35 Personen, allesamt in sichere Drittstaaten.

Warum es vergleichsweise wenige sind, liegt auch daran, dass relativ viele Menschen, die aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland kommen, hier Schutz bekommen: 2023 erhielten zwar nur 12 Prozent der syrischen und 35 Prozent der afghanischen Antragstellenden auch Asyl, die allermeisten anderen Antragstellenden aber zumindest einen Schutzstatus. Wenn abgeschoben wurde, dann meistens in ein anderes EU-Land, gemäß der Dublin-Verordnung, weil die Menschen dort schon Asylanträge gestellt hatten.

Wird die syrische Hauptstadt Damaskus als sicher eingestuft?

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Polizisten in Mannheim, bei dem ein Afghane einen Beamten erstach, wollen die Innenminister von Bund und Ländern nun härter durchgreifen: Auch afghanische und syrische Staatsbürger in Deutschland, die hier schwere Straftaten begangen haben, sollen leichter in ihre Heimatländer abgeschoben werden können.

Für Afghanen ziehen die Innenminister von Bund und Ländern Pakistan als sicheres Transitland in Erwägung. Hierhin könnten afghanische Staatsbürger, die in Deutschland ausreisepflichtig sind, abgeschoben werden, um danach weiter in ihr Heimatland zu reisen. Auch mit der usbekischen Regierung laufen laut Medienberichten bereits Gespräche über ein entsprechendes Abkommen. In Syrien will man laut einer Vorlage für die Innenministerkonferenz, die dem rbb vorliegt, die Region Damaskus als sicher einstufen und direkt dorthin abschieben - mit türkischen und irakischen Airlines. Ob das rechtlich zulässig ist, muss nun allerdings noch geprüft werden.

Berliner SPD uneins in der Abschiebe-Debatte

In der Berliner Regierungskoalition gehen die Meinungen darüber durchaus auseinander. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) unterstützt den Vorstoß. "Wer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, muss mit Sanktionen und natürlich auch mit Rückführungen rechnen." Dem widerspricht ihr Parteikollege Martin Matz. Der Innenexperte der SPD fände es richtig, wenn Straftäter in Deutschland ins Gefängnis kämen. Die Abschiebediskussion sieht er als Symboldebatte. "Wie soll das dann auch in der Praxis gehen? Insbesondere bei Afghanistan, wo wir nicht in direkte Kontakte mit der Taliban-Regierung gehen wollen?"

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hält genau diese Gespräche aber für ein Stück notwendige Realpolitik. "Es gibt ja auch Gespräche mit der Terror-Organisation Hamas", so Stettner. "Und wenn wir mit Heimatländern sprechen müssen, auch wenn das Terror-Organisationen sind, um Straftäter dorthin zurückzubringen, dann ist das der Preis, den man dafür zahlen muss." AfD-Chefin Kristin Brinker geht noch weiter. "Wenn Asylbewerber hier straffällig werden, schwerstkriminell sind, dann muss denen auch der Asylstatus aberkannt werden können", so Brinker. "Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit."

Polizeigewerkschaft: Täter von Mannheim wäre "durchs Raster gefallen"

Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch befürchtet, dass die schärfere Abschiebepraxis das Gegenteil von dem erreicht, was das Ziel ist. "Ein Mörder, womöglich mit islamistischen Motiven, der nach Afghanistan abgeschoben wird, der kommt am Ende als Gefährder wieder zurück nach Deutschland. Das wird unsere Sicherheit nicht erhöhen."

Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei wiederum befürchtet, dass die Politik die falschen Schlüsse aus der Tat von Mannheim zieht. "Wir haben beim Täter in Mannheim eine Person, die vorher völlig unauffällig war, polizeilich gesehen" so Jendro. "Das heißt: Wenn wir jetzt darüber diskutieren, dass wir Straftäter, Terroristen, nach Afghanistan und Syrien abschieben, dann wäre genau diese Person durchs Raster gefallen."

Sendung: rbb24 Radioeins, 19.06.2024, 15:10

 

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Beitrag von Sebastian Schöbel

24 Kommentare

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  1. 24.

    Will denn irgendjemand wissen warum etwas NICHT geht? Es fühlt sich komisch an und ungerecht. Unser erarbeitetes Geld und die Wehrpflichtdiskussion...
    Die Bürger wollen wissen, wann sie wieder unbeschwert „in eine Sauna gehen können“. So einfach ist es.

  2. 23.

    Mein Rechtsverständnis ist das auch nicht. Wer hier zum Mörder oder Totschläger wird, sollte hier entsprechend bestraft werden. Immerhin sind wir noch ein Rechtsstaat, dachte ich zumindest.
    Außerdem finde ich die Debatte verlogen und geht an den eigentlichen Problemen und Ursachen vorbei, nämlich misslungene Integration. Wir schreien immer nach Arbeitskräften und Fachkräften, aber wie viele Hürden es bei Arbeitsaufnahme, Anerkennung von Abschlüssen etc. gibt, wer beschäftigt sich mal damit in der öffentlichen Diskussion? Nein, das wird denen überlassen, die sich ehrenamtlich oder aus Überzeugung mit der Integration von Migrant*innen beschäftigen. Es werden zahlreiche junge Menschen zum monatelangen Nichtstun verdonnert wegen langer Bearbeitungszeiten, und dann wird sich gewundert, dass sie damit nicht zurecht kommen. Menschen in Ausnahmesituationen können durchdrehen.

  3. 22.

    Sicher ist es üblich und richtig, das Straftäter in D abgeurteilt werden. Aber oft genug schiebt man sie in der Anfangszeit der Gefangenschaft in ihr Heimatland ab.
    Und das ist auch gut so, weil billiger für D.
    Im Fall von straffälligen Migranten muss man Prioritäten setzen und auch mit Taliban verhandeln. Zu MEINEM Schutz. Ob die dann dort frei rumlaufen, interessiert mich nicht die Bohne, solange sie HIER nicht mehr frei rumlaufen.

  4. 21.

    Hat ja in Hamburg auch gut geklappt mit dem Aussitzen und Reden schwingen.

  5. 20.

    "Wenn die AMPEL noch ein oder zwei jahre benötigt, die Probleme der illegalen Einwanderung und Abschiebung der Straftäter zu klären, wird sich das Problem wohl erleigt haben."
    Was meinen sie damit?
    Ich denke mal 2 Jahre wird die Ampel nicht mehr haben.
    Vorher wird allerdings nicht mehr viel passieren da nach den 3 Wahlen im Sept. die Bundestagswahl 2025 beginnt.
    Und nach dieser hoffe ich auf eine Regierung ohne grüne Beteiligung!

  6. 18.

    Auch eine Vergewaltigung ist ein Schwerverbrecher.

  7. 17.

    „Nach dem gewaltsamen Tod eines Polizisten…..“

    Musste erst ein Polizist sterben um diese Debatte zu führen? Wie müssen sich die Angehörigen der zivilen Opfer und Überlebende solcher Straftaten fühlen bei so einer Meldung? Sind Zivilisten weniger wert als Staatsbedienstete, soll diese Botschaft damit transportiert werden?! Oder kommt die Bundesregierung angesichts der Wahlergebnisse nur nicht mehr drumherum so zu reden? Ich schreibe bewusst „reden“ denn jetzt müssen Taten folgen, von warmen Worten haben die Menschen ganz offensichtlich die Nase voll.

  8. 16.

    Die gesamte Asylpolitik basiert ja auf Aufnahmegründe die auf die jeweils aktuelle Heimatlandsituation gründen. Natürlich kommen auch Personen die kriminell sind. Viele werden aber auch hier erst kriminell. Insbesondere da die Integration nicht in die deutsche Gesellschaft, sondern in ethnische Parallelgesellschaften statt findet. Die Messerstecher Diskussion basiert in der Regel auf Taten von arabisch muslimischer Herkunft. Wir können jedoch keine Sonderlösungen dafür schaffen. Vielmehr gilt auch hier die anschließende Sicherungsverwahrung wie bei Sexualstraftätern. Die anderen Straftaten müssten tatsächlich über Abschiebeanstalten nach Verbüßung geregelt werden.

  9. 15.

    Prinzipiell haben Sie recht. Aber wie steht es denn mit dem Verurteilen in Deutschland und dem tatsächlichen Verbüßen der Strafe? Da hat dann ein migrationshintergründiger Straftäter schon mal irgendwo irgendwann ein "Trauma" erlitten, musste immer Diskriminierung leiden und wurde vielleicht so sozialisiert, dass er eigentlich gar nichts für seine Straftat konnte... Und schon ist unsere Justiz äußerst nachsichtig. Und das Nachsehen haben vor allem die Opfer bzw. deren Angehörigen. Nicht gut!

  10. 14.

    "Logische Konsequenz: rigoros Abschieben."
    Dann erklären Sie doch bitte detailliert, wie das ablaufen soll!
    Denkbar: Er wird in eine Linienmaschine (?) gesetzt, in Kabul rausgeführt und dann dort (unbemerkt) allein gelassen. Wenn der Flieger wieder weg ist, kommt er nicht mehr in die BRD rein. Möglich?
    Oder: Eine BW-Maschine fliegt ihn hin. (Ganz schön teuer.) Kriegt sie Landeerlaubnis und mit welcher Begründung? "Wir haben hier einen kriminellen Landsmann abzuliefern!". Möglich?
    Oder: Man verhandelt mit den Taliban über die Rücknahme, die sich inzwischen über die zu erzielenden Beträge informiert haben, und zahlt > 1 Mio. Euro.
    Aber vielleicht fällt Ihnen ja auch noch was Sinnvolleres ein?

  11. 13.

    Wenn ich Hinterbliebener eines Mordopfers wäre, würde ich mir wünschen, dass der oder die Täterin einen Prozess erhält, und hinterher möchte ich die Gewissheit haben , dass diese Person im Gefängnis landet. Und ganz ehrlich, ich würde mich wohler fühlen, wenn es ein deutsches Gefängnis wäre, weil die Person in Afghanistan oder Syrien möglicherweise gar nicht inhaftiert wird und einfach dort frei weiterleben darf. Ich bin wirklich froh, dass unser Rechtssystem darauf ausgelegt ist, dass Straftaten, die in Deutschland begangen werden, auch in Deutschland zur Verurteilung führen.
    Des Weiteren stellt sich natürlich die Frage, inwiefern Deutschland mit Ländern verhandeln soll, deren Regierung gar nicht anerkannt sind, wie bspw. die Taliban in Afghanistan. Mit Terroristen verhandelt man nicht, denn die werden im Gegenzug auch etwas dafür haben wollen. Wohin soll uns das dann bitte führen, wenn wir uns von den Taliban etwas vorschreiben lassen?

  12. 12.

    "Nach dem gewaltsamen Tod eines Polizisten in Mannheim sind neue Diskussionen über die Abschiebepraxis aufgekommen." Ab da erst? Genug Opfer gab es doch bereits.

    Mhh ... wenn mich ein fremdes Land aufnimmt und für mich sorgt, würde ich dann schwere Straftaten begehen? Wer Sche/&%$ baut fliegt raus. Händelt privat auch jeder so. Dass die Grünen wie üblich eine andere Meinung vertreten, ist nicht weiter verwunderlich.

  13. 11.

    Haben Sie schon einmal die Opfer und Hinterbliebenen von solchen Straftaten zum Thema Grausamkeit befragt?
    Die Linie ist, dass ich mich in meinem Land sicher fühlen möchte. Und zwar MIT Menschen, die unsere Kultur und unser Wertesystem anerkennen.
    Wer das nicht tut, darf gehen.

  14. 10.

    Wenn die AMPEL noch ein oder zwei jahre benötigt, die Probleme der illegalen Einwanderung und Abschiebung der Straftäter zu klären, wird sich das Problem wohl erleigt haben. Man hört nur immer von Frau Faeser, ...wir müssen,wir wollen u.u.u. Außer Spesen nichts gewesen. Haben wir nicht genügeng eigene Problem im Land zu klären?

  15. 9.

    Wer als Asylsuchender hier Straftaten begeht, hat einfach keinen Platz in unserem Land verdient. Logische Konsequenz: rigoros Abschieben.

  16. 8.

    Weil Herr Bundeskanzer nur Sonntagsreden schwingt und ansonsten alles aussitzt. Darum.

  17. 7.

    Oh man.
    Natürlich müssen sich Leute integrieren die hier ankommen. Aber es muss genauso gut dafür bessere Grundlagen geschaffen werden Menschen zu integrieren. Das sorgt für weniger Frust bei einwandernden und hat im Zweifel Vorteile für unsere Wirtschaft und unsere alternde Gesellschaft.

    Und wer mörder abschieben will, muss auch den Angehörigen erklären warum diese im Zweifel danach frei rumlaufen in dem ausgewiesenen Land. Das ist nicht mein rechtsverständnis.

  18. 6.

    Die Linie wird bei schwersten Straftaten gezogen. Mord ist eine dieser Straftaten

  19. 5.

    Jeder Geflüchtete sollte froh sein, daß er in Deutschland sicher ist und auch noch Staatliche Unterstützung bekommt und ein Dach über den Kopf hat. Wer das Gesetz nicht Achtet sollte sofort.... ohne wenn und aber wieder Nachhause geschickt werden. Egal aus welchem Land er kommt.

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