Neubesetzung - Das sind die Kandidaten fürs Berliner Verfassungsgericht

Di 02.07.24 | 10:56 Uhr | Von Sabine Müller, Jan Menzel und Boris Hermel
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Das Eingangsportal des Berliner Verfassungsgerichtes (Quelle: dpa/Rainer Jensen)
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Audio: rbb24 Inforadio | 02.07.2024 | Sabine Müller | Bild: dpa/Rainer Jensen

Drei Frauen und drei Männer sollen neue Verfassungsrichter in Berlin werden. Das erfuhr der rbb aus Fraktionskreisen. Sie stehen auf der Kandidatinnen-Liste, auf die sich CDU, SPD, Grüne und Linke verständigt haben und die dem rbb vorliegt. Von Sabine Müller, Jan Menzel und Boris Hermel

Mit drei Jahren Verspätung steht nun fest, wie das höchste Berliner Gericht in Zukunft besetzt sein soll. CDU, SPD, Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus haben sich darauf verständigt, welche sechs Kandidatinnen und Kandidaten für das Verfassungsgericht sie vorschlagen und am Donnerstag zur Wahl stellen.

Wie der rbb aus Fraktionskreisen erfuhr, sind es drei Frauen und drei Männer.

Sechs neue Verfassungsrichter und Verfassungsrichterinnen

Lucy Chebout ist Fachanwältin für Familienrecht bei der Berliner Kanzlei Raue und Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Neben Jura hat sie auch Islamwissenschaften studiert und im Referendariat unter anderem Stationen im Bundesjustizministerium und am Bundesverfassungsgericht absolviert.

Juliane Pätzold ist seit 2013 Richterin am Berliner Verwaltungsgericht und seit 2022 Vorsitzende der 8. Kammer, die unter anderem für Visums- und Asylrecht zuständig ist. Vorher hat sie unter anderem in der Justizverwaltung gearbeitet. Das Landesverfassungsgericht kennt sie aus ihrer Zeit dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Björn Retzlaff ist seit 2017 Vorsitzender Richter am Berliner Kammergericht und dort für Baurecht zuständig. Er wurde 1970 geboren, studierte Rechtswissenschaften und Philosophie in Freiburg und Dijon. Retzlaff ist seit 1999 als Richter in Berlin tätig. Von 2010 bis 2016 war er Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen am Landgericht.

Florian Rödl ist Professor für Bürgerliches Recht sowie Arbeits- und Sozialrecht an der Freien Universität Berlin. Der 52-Jährige studierte in Frankfurt am Main und Berlin und promovierte am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Bevor er Professor in Berlin wurde, arbeitete Rödl an Universitäten in Hamburg, Münster und Frankfurt am Main. Für das Land Berlin war er 2020 anwaltlich tätig. Rödl war damals Prozessbevollmächtigter im Verfahren um den Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht. Außerdem arbeitete er in der Expertenkommission mit, die die Möglichkeiten einer Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne erörterte.

Florian Schärdel war bis 2012 Fraktionssprecher der Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Seitdem ist er als Richter tätig, aktuell am Amtsgericht Schöneberg, zuletzt beschäftigt mit Eigenbedarfskündigungen und Räumungsklagen.

Rosanna Sieveking ist seit 2018 Richterin am Bundesverwaltungsgericht. Dort ist sie vor allem für Straßen- und Wegerecht zuständig und für Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse. Davor war sie ab 1995 am Berliner Verwaltungsgericht tätig, ab 2009 am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.

Wahl im AGH am Donnerstag

Die sechs Kandidatinnen und Kandidaten für das Verfassungsgericht sollen sich heute (Dienstag) Nachmittag in allen Fraktionen vorstellen und am Donnerstag vom Abgeordnetenhaus gewählt werden. Für eine erfolgreiche Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Sechs der neun Posten am Landesverfassungsgericht hätten eigentlich schon vor fast drei Jahren neu besetzt werden müssen. Dies verzögerte sich aber aus verschiedenen Gründen. Im Sommer 2021 wurde die Richterwahl wegen der nahenden Abgeordnetenhauswahl verschoben, danach musste das Landesverfassungsgericht zum Wahl-Chaos urteilen. Es folgten Wahlwiederholung und Regierungsbildung. Zuletzt konnten sich CDU, SPD, Grüne und Linke monatelang nicht auf ein Personalpaket einigen.

Nach rbb-Informationen gab es Unstimmigkeiten, weil die CDU eine von den Grünen vorgeschlagene Kandidatin nicht mitwählen wollte: die bekannte Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız. Sie hatte die Familie eines Opfers der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) vor Gericht vertreten, war aber auch Strafverteidigerin islamistischer Terroristen.

Sieben von neun Stellen besetzt

Aktuell sind nur noch sieben der neun Stellen am Berliner Landesverfassungsgericht besetzt. Richterin Margarete von Galen hatte im vergangenen Oktober um ihre Entlassung gebeten, Richter Kurt Ahmet Alagün im April dieses Jahres.

Gegenüber dem rbb betonte von Galen, sie empfinde es als "Respektlosigkeit des Abgeordnetenhauses gegenüber der Institution des Verfassungsgerichtshofs", dass das Parlament die Nachfolge nicht zügig geregelt habe. Anfang Juni hatten die ehemaligen Verfassungsgerichtsvorsitzenden Margret Diwell und Helge Sodan dem Parlament im rbb "parteipolitische Machtspiele" und "Versagen" vorgeworfen, weil sich die Nachbesetzung so lange hinzog.

Anfang Juni hatten die ehemaligen Verfassungsgerichtsvorsitzenden Margret Diwell und Helge Sodan dem Parlament im rbb "parteipolitische Machtspiele" und "Versagen" vorgeworfen, weil sich die Nachbesetzung so lange hinzog. Außerdem äußerten sie wegen der langen Amtszeitüberschreitungen Zweifel an der Legitimation des Gerichts. Urteile könnten mit guten Gründen anfechtbar sein, so Diwell und Sodan.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.07.2024, 09:40 Uhr

Beitrag von Sabine Müller, Jan Menzel und Boris Hermel

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ich sehe es auch problematisch, dass Richter in Parteien sind, denn sie sollen ja auch "unparteiisch" entscheiden.

  2. 12.

    Und welche Parteien (Mehrzahl) sollen das sein? Die gesichert rechtsextreme AfD ist nämlich Einzahl.

  3. 11.

    Ich mache mir große Sorgen, daß die Justiz immer weiter in Parteienhand gerät, die grundgesetzfeindlich sind und schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht verwarnt wurden.

  4. 10.

    Klar haben die das. Sich die Posten gegenseitig zuschanzen, das können die Altparteien perfekt.

  5. 9.

    Es ist schon gut, dass sich die demokratischen Parteien auf einen Konsensvorschlag geeinigt haben. Es wäre schon wiedersinnig, den Schutz der Verfassung dem Vertreter einer Partei anzuvertrauen, die ein problematisches Verhältnis zur Freiheitlich- Demokratischen Grundordnung hat.

  6. 8.

    Demokratisch gewählte Parteien müssen nicht per se demokratisch sein.
    Auch die NSDAP wurde,wie die AfD, demokratisch gewählt.
    Deren Ziel ist aber nicht die Demokratie.
    Also auch deren Kandidaten.

  7. 7.

    Man macht auch nicht den Bock zum Gärtner... Die AfD ist gesichert rechtsextrem und völkisch-national, inTeilen sogar klar faschistisch.

    Krah hat sich jüngst erst wieder klar dazu geäußert.

  8. 6.

    Gibt es auch einen Kandidaten von der AfD , oder sind die schon von vornherein demokratisch ausgeschlossen ?

  9. 5.

    Wolter raus ? Was ist denn da passiert, die galt doch stets als logische Berliner Frau für Karlsruhe !

    Liberal, tolerant, aber dennoch in der Lage nach Sachlage auch weniger opportune Entscheidungen zu treffen... zugegeben, mit reichlich Luft nach oben, aber eben ideologisch nicht verblendet.

    Vielleicht ist Karlsruhe auch kurzfristig sowas wie das Europäische Parlament: Die entbehrlichen dorthin und die wichtigen besser hier halten !

    Mit jedem pro-Urteil am Verwaltungsgericht (Aufenthaltsrecht) sind rund 3 Millionen für den Steuerzahler weg... da ist mir ehrlich gesagt ganz wohl, wenn hier erfahrene Richter/innen verbleiben !

  10. 4.

    Die Mitglieder des Verfassungsgerichtes egal auf welcher Ebene sollten keiner politischen Strömung angehören und sollten direkt über eine demokratischen Wahl vom Staatsvolk gewählt werden.
    Die von der Politik eingesetzten Richter erfüllen nicht den vorgesehenen Zweck, da immer die politische Agenda ihrer Partei mitschwingt.

  11. 3.

    "CDU, SPD, Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus haben sich darauf verständigt" Wer hat denn in Berlin das Vorschlagsrecht für Kandidaten?

  12. 2.

    wie war das mit dem Richtereid " Neutral und Unabhängig"? aber Hauptsache Parteimitglied, Angehöriger des Ö.-Dienstes mit Staatsexamen und "Fachliche" Eignung?!

  13. 1.

    Und was ist mit den anderen demokratisch gewählten Parteien? Ein bisschen einseitig so.

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