Kenia-Koalition - Brandenburger CDU und Grüne streiten über stationäre Grenzkontrollen zu Polen

Mo 15.07.24 | 18:41 Uhr
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Die Bundespolizei hat am 16.10.2023 am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice mit festen Kontrollen begonnen. (Quelle: Picture Alliance/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 16.07.2024 | Nachrichten | Bild: Picture Alliance/Patrick Pleul

Für die Grünen sind die Kontrollen nicht mit EU-Recht vereinbar, wirtschaftsfeindlich und eine Belastung für die Region. Die CDU sieht darin "blanken Populismus". Sollten die Kontrollen eingestellt werden, drohe ein Verlust an Sicherheit, so der Innenminister.

In Brandenburgs Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gibt es Streit über die stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen. Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke forderte in einer Mitteilung am Montag, die Kontrollen schnellstmöglich zu beenden. Innenminister Michael Stübgen (CDU) bezeichnete das als "blanken Populismus".

Raschke, der auch Teil des Grünen-Spitzenduos für die Landtagswahl im September ist, argumentierte, die aktuellen Grenzkontrollen seien nicht mit EU-Recht vereinbar, wirtschaftsfeindlich und eine Belastung für die Region. "Schleierfahndungen, um organisierte Schleuser zu fassen, sind zielgerichteter und stellen einen wesentlich geringeren Eingriff in die Freizügigkeit dar", so Raschke.

Faeser hatte Ende in Aussicht gestellt

Die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Kontrollen an einigen deutschen Außengrenzen nach der Fußball-Europameisterschaft einzustellen, sei ein guter Schritt, so Raschke. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, warum "auf halber Strecke Halt" gemacht würde.

Faeser hatte angekündigt, die Kontrollen an den Grenzen zu Dänemark und den Benelux-Staaten nach der Fußball-Europameisterschaft zu beenden. Die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sollen aber bis mindestens 15. Dezember wie geplant stationär kontrolliert werden. Auch an der Grenze zu Frankreich soll es demnach während der Olympischen Spiele Kontrollen geben.

Die grüne Landtagsabgeordnete Sahra Damus aus Frankfurt (Oder) sprach sich ebenfalls gegen die stationären Kontrollen aus. Sie bezeichnete die Maßnahme in der Mitteilung als "teure Symbolpolitik im Kontext der Wahlen". Die Kosten seien nicht weiter zu rechtfertigen. Meldungen über Fahndungserfolge seien "angesichts von Mehrfachzählungen übertrieben und statistisch nicht nachvollziehbar", so Damus.

Stübgen: "Grüne Sturzgeburt"

Das bewertet Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) anders: "Würde man diese grüne Sturzgeburt in die Tat umsetzen, würde das einen sofortigen Verlust an Sicherheit bedeuten", so Stübgen. Seit Einführung der Kontrollen an den ostdeutschen Außengrenzen im vergangenen Oktober seien tausende unerlaubte Einreisen verhindert und hunderte Schlepper und Kriminelle festgenommen worden.

"Der Migrationsdruck über die Route Moskau-Minsk bleibt unverändert hoch. Deshalb müssen die Kontrollen aufrechterhalten werden, bis die Reformen des europäischen Asylsystems greifen", sagte Stübgen weiter. Das werde frühestens 2026 der Fall sein. Darüber seien sich alle Innenminister Deutschlands einig.

Kritik schon zur Einführung

Die stationären Grenzkontrollen zum Nachbarland Polen sind seit Oktober vergangenen Jahres in Kraft - laut Innenministerium mit Erfolg. Doch schon damals gab es von den Koalitionspartnern und den Linken Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme. Auch der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei ging damals nicht davon aus, dass dadurch die Anzahl der Flüchtlinge reduziert werden könnte. Hinzu komme, dass die Kontrollen für die Beamten der Bundespolizei eine zusätzliche Belastung sei.

An den stark frequentierten Grenzübergängen wie in Frankfurt (Oder) kommt es durch die Kontrollen auf der A12 und auf der Stadtbrücke immer wieder zu erheblichen Verkehrsbelastungen.

Sendung: Inforadio, 15.07.2024, 19 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Wieso wurde eigentlich vor 2015 nicht so ein Bohai wegen Ausländern gemacht - obwohl die alte BRD in den Sechzigern Gastarbeiter und in den 70ern die DDR Vertragsarbeiter holte?

  2. 17.

    Es gibt keine zwei Meinungen zu EU-Recht, geschweige denn zur Genfer Flüchtlingskonvention. Vor allem vor dem Hintergrund, dass laut statistischem Bundesamt letztendlich 86% der Schutzsuchenden auch rechtlich Schutz erhalten müssen, unterstreicht, dass es nicht um Kriminelle geht, sondern um Migration und erzwungene Migration, um die sich Deutschland in eigener Verantwortung zu kümmern hat. Asylverfahren sind sowieso zu gewähren und nichts Kiriminelles, gegen das es Schutzmaßnahmen bräuchte und Migration ist dringend benötigt, nicht nur in Deutschland, sondern in zahlreichen, vom demografischen Wandel gezeichneten EU-Staaten.

    Hier wirft zudem jemand Populismus denjenigen vor, die Recht einhalten wollen, welcher selber nicht nur populistischen, sondern rechtsextremen Narrativen folgt: 'Der kriminelle Fremde' ist die Erzählung, die Stübgen hier stärkt. Das ist eine Normalisierung von Rechtsextremismus, die letzteren stärken wird. Abschottung meint Unrecht und Demokratieabbau.

  3. 16.

    Menschen lassen sich nicht aufhalten. Grenzkontrollen mögen sicherlich zu haltbareren Zahlen führen, aber im Zweifel wird auf andere Wege ausgewichen.
    Ich bin der Meinung, dass diese Maßnahmen kurzfristig einen Effekt haben, aber nicht auf lange Sicht. Wir leben in einer globalisierten Welt, nicht nur wirtschaftlich. Wenn nicht mal das Mittelmeer aufhält, sollten doch mal andere Lösungen überlegt werden. Abschottung funktioniert nicht, kostet unheimlich viel Geld, was man vielleicht sinnvoller einsetzen könnte in Beseitigung von Fluchtursachen z.B. Aber reflexhaft wird immer dasselbe gefordert.
    Vielleicht sollte man sich nicht immer nur ideale Menschen wünschen, sondern mit denen arbeiten, die da sind.

  4. 15.

    Auch unter den Grünen gibt es extreme Ansichten. Eine Karelien-Koalition wäre dann eine ernste Gefahr. Diese kann extremistische Positionen vereinen.

  5. 14.

    Wenn Grenzkontrollen gegen EU-Recht verstoßen, muss es eben geändert werden. Es kann doch nicht sein, das weiterhin zahlreiche Menschen zu uns kommen und hier leben wollen. Die Integration klappt hinten und vorne nicht. Die Grünen lernen einfach nichts dazu.

  6. 13.

    Die haltbaren Zahlen kann man regelmäßig nachlesen, und solange die EU-Außengrenzen nicht gegen illegale Einwanderung gesichert sind, kann Deutschland, als beworzugtes Einwanderungsland, durch diese Grenzkontrollen sein Problem minimieren.
    Es ist doch so, dass mit der illegalen Einwanderung insbesondere Deutschland ein Problem hat.

  7. 11.

    Herr Stübgen sollte vielleicht nochmal nachschlagen, was Populismus bedeutet.
    Und gerade den Grünen wird doch eher eine Politik für Eliten vorgeworfen.
    Was denn nun?
    Wenn man, wie die CDU die Grenzkontrollen aufrechterhalten will, sollte man auch mit haltbaren Zahlen argumentieren können und nicht nur mit einer gefühlten Sicherheit.

  8. 10.

    Politik ist zuallererst eine Frage der Gestaltung, Jenes also, was positiv getan werden soll, nicht Jenes, was nicht getan werden soll. Vom Zweitgenannten sind Sie bestimmt: Verhinderung.

  9. 9.

    BSW mag auch nicht mit den Grünen. Vielleicht sind sie zur Landtagswahl dabei.

  10. 7.

    Ich bin auch ein Einpendler nach D und ich finde diese Grenzkontrollen schrecklich nervig. Sie kosten im Schnitt zwar nur jewils 10 Minuten , aber sie zeigen mir immer wieder, dass das Versprechen von dem einen Europa nur Schall und Rauch war.
    Sind wir wirklich so kleingeistig?
    Und dann noch mal die ganz naive Frage, ob man an den EU - Aussengrenzen nicht den Grenzschutz in den EU - Transtistaaten finanziell so ausstatten kann, daß intensivere Kontrollen dort möglich werden.

  11. 6.

    "....die weder ein Bündnis noch eine Koalition mit den Grünen eingehen ". Das wäre dann die AfD. Oder sehen Sie noch andere, die nicht mit den Grünen kuscheln möchten?

  12. 5.

    Wenn die CDU den Grünen ausgerechnet Populismus vorwirft, darf man mal herzlich lachen.

  13. 4.

    Die Grünen sind einfach nur naiv. Außerdem, so gewinnen sie garantiert keine Stimmen, fragt doch mal was die Bevölkerung besser findet. Wenn die Grünen so weitermachen landen sie unter 5%

  14. 3.

    Es ist schon echt bemerkenswert, was sich die Grünen nach dem letzten Wahlergebniss noch trauen. Für mich ist nur noch eine Partei wählbar, die weder ein Bündnis noch eine Koalition mit den Grünen eingehen!

  15. 2.

    Was sind die einschlägigen Grenzkontrollen anderes, als das darin zum Ausdruck gekommene Misstrauen dem jeweiligen Nachbarstaat gegenüber, es an entsprechenden Einreisebestimmungen fehlen zu lassen.

    Sieht so eine auf Vertrauen setzende Zusammenarbeit innerhalb der E U aus?

    Welcherlei Begründung wird noch angeführt, um den Jahrhundertschritt des aufgegebenen Grenzregimes zwischen Deutschland (- d. h. Deutsches Reich / DDR / jetziges Deutschland -) und Polen andererseits wiederum faktisch zu unterhöhlen?

  16. 1.

    Wird Zeit, dass in Brandenburg endlich die Grünen verschwinden. Ich kann den 22.9.kaum noch erwarten.

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