Kenia-Koalition - Brandenburger CDU und Grüne streiten über stationäre Grenzkontrollen zu Polen
Für die Grünen sind die Kontrollen nicht mit EU-Recht vereinbar, wirtschaftsfeindlich und eine Belastung für die Region. Die CDU sieht darin "blanken Populismus". Sollten die Kontrollen eingestellt werden, drohe ein Verlust an Sicherheit, so der Innenminister.
In Brandenburgs Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gibt es Streit über die stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen. Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke forderte in einer Mitteilung am Montag, die Kontrollen schnellstmöglich zu beenden. Innenminister Michael Stübgen (CDU) bezeichnete das als "blanken Populismus".
Raschke, der auch Teil des Grünen-Spitzenduos für die Landtagswahl im September ist, argumentierte, die aktuellen Grenzkontrollen seien nicht mit EU-Recht vereinbar, wirtschaftsfeindlich und eine Belastung für die Region. "Schleierfahndungen, um organisierte Schleuser zu fassen, sind zielgerichteter und stellen einen wesentlich geringeren Eingriff in die Freizügigkeit dar", so Raschke.
Faeser hatte Ende in Aussicht gestellt
Die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Kontrollen an einigen deutschen Außengrenzen nach der Fußball-Europameisterschaft einzustellen, sei ein guter Schritt, so Raschke. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, warum "auf halber Strecke Halt" gemacht würde.
Faeser hatte angekündigt, die Kontrollen an den Grenzen zu Dänemark und den Benelux-Staaten nach der Fußball-Europameisterschaft zu beenden. Die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sollen aber bis mindestens 15. Dezember wie geplant stationär kontrolliert werden. Auch an der Grenze zu Frankreich soll es demnach während der Olympischen Spiele Kontrollen geben.
Die grüne Landtagsabgeordnete Sahra Damus aus Frankfurt (Oder) sprach sich ebenfalls gegen die stationären Kontrollen aus. Sie bezeichnete die Maßnahme in der Mitteilung als "teure Symbolpolitik im Kontext der Wahlen". Die Kosten seien nicht weiter zu rechtfertigen. Meldungen über Fahndungserfolge seien "angesichts von Mehrfachzählungen übertrieben und statistisch nicht nachvollziehbar", so Damus.
Stübgen: "Grüne Sturzgeburt"
Das bewertet Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) anders: "Würde man diese grüne Sturzgeburt in die Tat umsetzen, würde das einen sofortigen Verlust an Sicherheit bedeuten", so Stübgen. Seit Einführung der Kontrollen an den ostdeutschen Außengrenzen im vergangenen Oktober seien tausende unerlaubte Einreisen verhindert und hunderte Schlepper und Kriminelle festgenommen worden.
"Der Migrationsdruck über die Route Moskau-Minsk bleibt unverändert hoch. Deshalb müssen die Kontrollen aufrechterhalten werden, bis die Reformen des europäischen Asylsystems greifen", sagte Stübgen weiter. Das werde frühestens 2026 der Fall sein. Darüber seien sich alle Innenminister Deutschlands einig.
Kritik schon zur Einführung
Die stationären Grenzkontrollen zum Nachbarland Polen sind seit Oktober vergangenen Jahres in Kraft - laut Innenministerium mit Erfolg. Doch schon damals gab es von den Koalitionspartnern und den Linken Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme. Auch der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei ging damals nicht davon aus, dass dadurch die Anzahl der Flüchtlinge reduziert werden könnte. Hinzu komme, dass die Kontrollen für die Beamten der Bundespolizei eine zusätzliche Belastung sei.
An den stark frequentierten Grenzübergängen wie in Frankfurt (Oder) kommt es durch die Kontrollen auf der A12 und auf der Stadtbrücke immer wieder zu erheblichen Verkehrsbelastungen.
Sendung: Inforadio, 15.07.2024, 19 Uhr