60 Jahre Bundesliga | Teil 5 - Ein ikonisches Foto

Fr 18.08.23 | 07:50 Uhr
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Das Sportfoto des Jahres 2019: Sebastian Polter bejubelt gemeinsam mit seinen Teamkollegen den Siegtreffer gegen Hertha BSC im ersten Bundesliga-Hauptstadtderby (Sebastian Wells)
Bild: Sebastian Wells

Das Foto vom jubelnden Union-Stürmer Sebastian Polter wurde 2019 zum Sportfoto des Jahres gekürt. Hinter dem Bild steckt eine emotionale Partie und ein historischer Moment der Berliner Bundesliga-Geschichte.

Im Stadion An der Alten Försterei läuft die 87. Minute. Noch steht es im ersten Bundesliga-Derby zwischen Union und Hertha 0:0 und doch liegt hinter den 22.012 Zuschauern eine emotionale Partie. Gespannt blickt das gesamte Stadion auf Sebastian Polter, der zum Elfmeter antritt und einen möglichen Sieg auf dem Fuß hat. Er nimmt Anlauf – und lässt Hertha-Keeper Rune Jarstein keine Chance.

Auf dem Feld und im Stadion bricht Ekstase aus und Polter setzt zum Jubel an. Und in diesem Moment drückt Sebastian Wells auf den Auslöser seiner Kamera und sorgt für ein ikonisches Foto der Berliner-Bundesligageschichte.

60 Jahre Bundesliga

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Spannung lag in der Luft

Es war der 2. November 2019, als der damals 23-jährige Fotograf sich auf den Weg zur Arbeit machte. Zu diesem Zeitpunkt zogen bereits tausende Hertha-Anhänger in einem Fanmarsch vom gemeinsamen Treffpunkt am Boxhagener Platz zum Bahnhof an der Warschauer Straße, von wo aus es mit einem Sonderzug nach Köpenick ging. Dort hatten sich die zahlreichen Union-Fans schon seit Stunden auf das große Ereignis eingestimmt. Es lag eine besondere Stimmung in der Luft. Voller Vorfreude erwarteten alle den Anpfiff des ersten Bundesliga-Derbys zwischen Hertha und Union.

"Ich hatte schon eine gewisse Spannung und wollte unbedingt sehen, was dort wohl passieren würde", erinnert sich auch Wells. Angekommen am Stadion bekam er bereits einen Vorgeschmack auf das, was sich später auch in der Alten Försterei abspielen würde. Trotz riesiger Polizeipräsenz flogen immer wieder Feuerwerkskörper, Böller explodierten und Rauchtöpfe verdichteten die Luft. Die starke Rivalität beider Fanlager war deutlich zu spüren.

Pyro-Chaos sorgt für Spielunterbrechung

Auf dem Rasen ging es nach dem Anpfiff allerdings weniger ereignisreich zur Sache und das Hauptstadtderby hatte kaum spielerische Höhepunkte zu bieten. Beide Teams agierten zögerlich, wollten bloß nicht zu viel Risiko eingehen und neutralisierten sich über weite Strecken. Auf den Rängen herrschte derweil Ausnahmestimmung. Beide Fanlager unterstützten ihre Mannschaft leidenschaftlich und schufen eine unglaubliche Kulisse.

Berlin-Derby in der Alten Försterei: Eine Leuchtrakete fliegt aus dem Hertha-Block zwischen die Union-Anhänger. (Quelle: imago-images/Jan Hübner)
Eine aus dem Gästeblock abgeschossene Leuchtrakete fliegt in die Zuschauer auf der Haupttribüne | Bild: imago-images/Jan Hübner

Die Emotionen im Gästeblock fanden jedoch nach der Halbzeit einen unschönen Höhepunkt. Von beiden Lagern wurde kurz nach Wiederanpfiff jede Menge Pyrotechnik gezündet und die Luft im Stadion war völlig vernebelt. Aus dem Hertha-Block flogen dabei auch immer wieder Feuerwerkskörper auf den Rasen, was Schiedsrichter Deniz Aytekin dazu bewegte, das Spiel zu unterbrechen. Es folgten schlimme Szenen: Wieder flogen Raketen aus dem blau-weißen Block, dieses Mal allerdings in Richtung der Zuschauer auf der benachbarten Haupttribüne. Ein weiteres Geschoss verfehlte Unions Co-Trainer Markus Hoffmann in der Nähe der Trainerbank nur knapp.

"Einerseits war es eine tolle fotografische Spielwiese, eine so emotionsgeladene Atmosphäre zu haben, in der einfach viele fotogene Momente entstehen. Gleichzeitig war es aber schon so, dass ich mir um die Sicherheit Sorgen gemacht habe", sagt Fotograf Wells. Diese Sorge teilte auch der Schiedsrichter und schickte beide Teams vorsichtshalber zurück in die Kabinen. Nach sechs Minuten hatten sich die Gäste-Fans etwas beruhigt und die Partie konnte fortgesetzt werden.

Das Foto des Jahres

Sportlich wurde zwar weiter wenig geboten, der Unioner Sieg war am Ende aber verdient. Die Köpenicker hatten mehr Spielanteile als die Nachbarn aus dem Westend und kurz vor Schluss war es dann endlich so weit: Sie kombinierten sich in den gegnerischen Strafraum, wo Christian Gentner an den Ball kam und abzog. Der Schuss verfehlte zwar das Tor, doch Herthas Innenverteidiger war mit seinem Blockversuch viel zu spät dran und grätschte Gentner um.

Der Elfmeter-Torjubel von Sebastian Polter und seinen Mitspielern nach dem Siegtor gegen Hertha BSC (Bild: Sebastian Wells)
Das Sportfoto des Jahres 2019 | Bild: Sebastian Wells

Nach kurzem Videostudium entschied Aytekin auf Elfmeter. Polter schnappte sich den Ball und auch Wells brachte sich wohlahnend des Bevorstehenden schon einmal hinter dem Tor in Position. "Ich bin gerne sehr mobil und nehme oft keine langen Linsen mit, so wie es viele Kollegen machen. Die fesseln einen nämlich so ein bisschen an einem Ort und man kann nicht so schnell laufen. Ich hatte kleines Gepäck dabei und das war in der Situation mein Vorteil", erklärt er.

Der Stürmer verwandelte den Strafstoß sicher und rannte umringt von seinen Mitspielern in Richtung tobender Waldseite, um den Siegtreffer zu feiern. Wells steht in diesem Moment goldrichtig. "Gerade die Nähe macht das Foto besonders. Die Protagonisten des Bildes sind weniger als einen Meter von mir entfernt gewesen. Außerdem kommen da sehr viele unberechenbare Bewegungen der Spieler zusammen, die auch sehr authentisch sind, weil es eben nicht irgendein 1:0 der Bayern ist, sondern ein besonderer Moment der Berliner Sportgeschichte", sagt er. Das erkannte auch die Jury, die dieses Bild später zum Sportfoto des Jahres 2019 kürte.

Da kommen sehr viele unberechenbare Bewegungen der Spieler zusammen, die auch sehr authentisch sind, weil es eben nicht irgendein 1:0 der Bayern ist, sondern ein besonderer Moment der Berliner Sportgeschichte

Fotograf Sebastian Wells über das Sportfoto des Jahres 2019

Neue Kräfteverhältnisse in der Hauptstadt

Nach dem Abpfiff gab es weitere unschöne Szenen, als vermummte Fans aus dem Union-Lager über die Absperrung kletterten, um in Richtung des rivalisierenden Hertha-Fanblocks zu rennen. Aufgehalten wurden sie dabei vom Köpenicker Torwart Rafa Gikiewicz, der sich mutig in den Weg stellte. Eine der vielen außergewöhnlichen Szenen dieses ersten Bundesliga-Hauptstadtderbys.

Und doch bleibt der Polter-Jubel wohl die bedeutendste. Vier weitere Erstliga-Siege sollte der 1. FC Union danach gegen Hertha holen und sich fest im Oberhaus etablieren. Nun stehen die Köpenicker sogar erstmals in der Vereinsgeschichte in der Champions League. Die Kräfteverhältnisse in der Hauptstadt haben sich mittlerweile verschoben.

Für Wells war dieses emotionale erste Aufeinandertreffen der beiden Stadtrivalen in der Bundesliga das einzige, bei dem er dabei war. "Danach hatte ich das Gefühl, dass ich es mit dem Derby jetzt erstmal gehabt habe", sagt er. Nun müssen auch alle anderen erst einmal darauf verzichten, bis Hertha es zurück nach oben schafft. Und dann sind vielleicht doch auch wieder Wells und seine Kamera dabei, um das nächste große Foto zu schießen.

Sendung: rbb24, 18.08.2023, 18 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    "Konsequenzen von Hertha Seite: Null!"

    Die Konsequenzen erfolgten seitens der DFL. Wie bei jedem Verein der 1.BL, das seine Fans nicht im Griff hat.

  2. 6.

    Was da aus dem Hertha Block an Pyro auf Menschen geschossen wurde war erschreckend. Konsequenzen von Hertha Seite: Null! Da hat man dann keine Lust mehr auf Spiele auswärts mit Hertha. Ansonsten mal ein paar Jahre abwarten in welcher Liga Union und Hertha wieder aufeinander treffen

  3. 5.

    Solange alle verstehen, was gemeint ist, ist doch nicht schlimm. Mittlerweile hat "ikonisch" eine neue Bedeutung.

  4. 3.

    Kann mich an das Derby noch gut entsinnen. Von da an, war die Jugendliebe für mich gestorben. Was sind das für Menschen, die mit Raketen auf andere Menschen zielen? Das müsste viel rigoroser geahndet werden. hat mit Emotionen und Sport nichts mehr zu tun.

  5. 2.

    Ich war dabei und werde das mein Leben lang in Erinnerung behalten!

    Schade um die Derbys. Auf die Chaoten kann ich verzichten.

  6. 1.

    Das Wort "ikonisch" gibt es mit dieser Bedeutung nicht im deutschen. Es bedeutet Ikonenhaft oder bildlich, anschaulich. Mit der seit einiger Zeit, oft in webvideos verwendeten Variante, die auf das englische "iconic" abzielt, ist die Bedeutung "kultig" verbunden. Bitte auch sprachliche Verwendung mal hinterfragen.

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