Füchse-Handballer Nils Lichtlein - Unaufhaltsam auf dem Weg an die Spitze
Nils Lichtlein galt als Handballer mit Potenzial im Star-Ensemble der Füchse Berlin. Seit dieser Saison erhält der Rückraumspieler auch mehr Verantwortung - und beweist eine bemerkenswerte Reife. Der Blick geht nun zur EM im eigenen Land.
Wenn im Leben so viel passiert, dass man mit dem Verarbeiten nicht mehr recht hinterherkommt, dann befindet man sich in seinen frühen Zwanzigern. Belegbar ist dieser Grundsatz natürlich nicht, aber auf Nils Lichtlein trifft er zu.
Zahlreich waren die Wegmarken des 21-jährigen Handballers in den letzten Monaten. Mit den Füchsen Berlin gewann er im Mai die European League, mit der deutschen U21-Auswahl holte er im Sommer den Weltmeistertitel und wurde außerdem zum besten Spieler des Turniers gewählt, mit den Füchsen schwebt er aktuell durch die Handball-Bundesliga, nur eines von bislang 13 Spielen ging verloren.
Nationalmannschafts-Debüt mit Torerfolg
"Realisieren tut man das immer erst im Nachhinein. Natürlich feiert man das alles im Anschluss direkt", sagt Lichtlein. "Aber realisieren ist schwer."
Und dann der Moment, von dem man vielleicht irgendwann sagen wird, dass er den entscheidenden Anstoß gegeben hat, um aus einer vielversprechenden Nachwuchskarriere eine große werden zu lassen: Der gebürtige Regensburger wurde Ende Oktober für zwei Freundschaftsspiele in die erste Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) berufen.
"Es war sehr überraschend, denn ich wurde nicht eingeladen, sondern wurde nachnominiert", sagt Lichtlein rückblickend. Er habe sich eigentlich auf ein paar freie Tage eingestellt, doch Rückraumspieler Marian Michalczik vom TSV Hannover-Burgdorf hatte sich verletzt. "Dann habe ich den Anruf bekommen: 'Morgen ist Lehrgang, ab nach München.' Natürlich freut man sich. In dem Moment ist ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen." Bei seinem ersten Länderspiel-Einsatz gegen den Afrikameister Ägypten erzielte er gleich einen Treffer.
Nächste Station EM im eigenen Land?
So überrascht sich Lichtlein über die Nominierung zeigt, so nachvollziehbar ist sein Einsatz im DHB-Kader gleichzeitig. Zu stark waren die zuletzt gezeigten Leistungen des Rückraumspielers unter Jaron Siewert. Der Füchse-Trainer schenkt Lichtlein in dieser Saison das Vertrauen im Spielaufbau – auch weil der eigentlich gesetzte Anführer Fabian Wiede wegen einer schweren Verletzung am Sprunggelenk lange ausfällt und Weltmeister Jacob Holm im Sommer nach Paris gewechselt ist. Lichtlein nutzt seine Chance, fürchtet sich nicht vor der Verantwortung beim Berliner Topteam und ist seither höchstselbst entscheidend am Spielaufbau der Füchse beteiligt.
Die nächste Wegmarke für das Talent, dessen Onkel Carsten Lichtlein mit 712 Partien Rekordspieler der HBL ist, könnte damit die anstehende Europameisterschaft im eigenen Land sein (10. - 28. Januar 2024). Zumindest Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning forderte jüngst in der Sportbild: "Ich würde ihn auch auf jeden Fall zur EM mitnehmen."
Über die Europameisterschaft wolle er sich noch keine Gedanken machen, sagt Lichtlein nüchtern. "Ich versuche meinen Teil bei den Füchsen beizutragen und ich weiß, dass eine Nominierung nur dadurch zu erreichen ist, dass man in der Liga gut spielt. Deswegen fokussiere ich mich nur darauf."
Reihenweise verletzte Routiniers
Völlig überraschend käme eine Nominierung allerdings nicht. Nur noch zwei Testspiele bleiben Bundestrainer Alfred Gislason, um die bestmögliche Auswahl für das Heimturnier zu finden. Der Isländer muss in dieser Zeit einen funktionierenden Kader bauen - während das erprobte Personal reihenweise ausfällt.
Der Magdeburger Philipp Weber (31 Jahre) fehlt verletzt auf unbestimmte Zeit, ob Rhein-Neckar-Löwen-Kapitän Patrick Groetzki (34) rechtzeitig für die EM wieder fit wird, ist fraglich, definitiv fehlen wird überdies das Berliner Rückraum-Duo aus Paul Drux (28) und Fabian Wiede (29). Eine Absage erhielt der Bundestrainer auch vom Kreisläufer Hendrik Pekeler (32), der sich nicht in "der notwendigen Form" fühle.
Es könnte Gislasons Entschluss erleichtern, schon bei der prestigeträchtigen Heim-EM verstärkt auf den Nachwuchs zu setzen, auf Spieler wie Nils Lichtlein. Für dessen noch junge Karriere wäre es die nächste Wegmarke.
Sendung: rbb24, 29.11.2023, 18 Uhr