Hallenfußball - Wie der Winter dem Futsal in Berlin Starthilfe gibt
Gleich in seiner Premieren-Saison spielt der Berliner Klub FC Liria in der Futsal-Bundesliga oben mit. Die schnelle Hallenfußball-Variante kämpft in Deutschand allerdings noch um Popularität. In der Hauptstadt half dabei zuletzt der Winter.
Anfang Dezember legte ein Wintereinbruch den Fußball-Spielbetrieb in der Hauptstadt lahm. Schnee und Eis bedeckten die Plätze und sorgten für eine Generalabsage des Berliner Fußball-Verbands (BFV). Überall ruhte der Ball – fast überall. Denn in der Sporthalle Schöneberg tummelten sich die Fans. Hunderte waren gekommen, um sich doch ein Fußballspiel angucken zu können – oder genauer gesagt ein Futsalspiel.
Der Berliner Futsal-Klub FC Liria spielt seine erste Bundesliga-Saison der Vereinsgeschichte. Und die gestaltet sich überraschend erfolgreich. Angefeuert vom winterflüchtigen Publikum schlug Liria am Sonntag in Schöneberg den Stuttgarter Futsal Club mit 6:3 und geht damit als Tabellenzweiter in die Weihnachtspause. "Wir haben uns auf diese Reise begeben, ohne zu wissen, wo sie hinführt. Jetzt sind wir überraschend oben mit dabei. Ich bin stolz auf meine Jungs und die Leistung", schwärmt Trainer Natan Weisz.
Offizielle Hallenfußball-Variante der Fifa
Erst 2010 gründete sich der Berliner Verein, der heute oben in der Bundesliga mitspielt. Ein steiler Aufstieg, den in der Hauptstadt nur die wenigsten verfolgt haben dürften. Schließlich fliegt die Sportart hierzulande weitestgehend unter dem Radar.
Seit 1989 ist Futsal die offizielle Hallenfußball-Variante der Fifa. Die Regeln unterscheiden sich dabei in einigen Punkten vom normalen Fußball. "Zeitspiel ist unmöglich, weil die Zeit immer angehalten wird", sagt Torhüter Pavlos Wiegels. "Weil das Spielfeld in der Halle viel kleiner ist, ist das Spiel natürlich viel schneller. Es fallen mehr Tore. Es gibt mehr Aktionen."
Eine Halbzeit dauert beim Futsal 20 Minuten, doch durch die Nettospielzeit stehen die Mannschaften am Ende trotzdem zwischen 75 und 100 Minuten auf dem Feld. Das Tempo bleibt auch deswegen hoch, weil unbegrenzt gewechselt werden kann. Ähnlich wie beim Basketball dürfen sich die Mannschaften außerdem nur fünf Fouls pro Halbzeit erlauben. Beim sechsten gibt es einen Zehnmeter.
Bundesliga existiert erst seit 2021
Vor allem in Spanien, Italien, Portugal und einigen osteuropäischen Ländern erfreut sich die dynamische Fußball-Variante großer Beliebtheit. "Dort gibt es echte Profiligen. In Spanien haben die Zuschauerzahlen von fünf- bis sechstausend. Das ist bei uns vergleichbar mit der Handball-Bundesliga", erzählt Stefan Weber. Der 60-Jährige war viele Jahre Zweitligaschiedsrichter und Linienrichter in der Fußball-Bundesliga, bevor er zum Futsal wechselte.
"2004 verpflichtete die Fifa den DFB, zwei Futsal-Schiedsrichter zu bestimmen. Ich war einer von denen. Dabei gab es damals noch gar keinen wirklichen Spielbetrieb in Deutschland", sagt Weber. Erst seit 2015 richtet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine offizielle Futsal-Meisterschaft aus, die Bundesliga wurde 2021 gegründet. Mittlerweile gibt es sogar eine Nationalmannschaft, von Erfolgen bei Welt- und Europameisterschaften oder in der Futsal-Champions-League ist Deutschland aber noch weit entfernt. "Wir haben spät begonnen und alles muss noch wachsen", sagt Weber.
Mit Futsal lässt sich kaum Geld verdienen
Der ehemalige Schiedsrichter arbeitet mittlerweile als Beobachter von Futsal-Schiedsrichtern für die Uefa und gibt Lehrgänge beim DFB. Er wünscht sich, dass die Hallenfußball-Variante in Zukunft populärer wird und sich die Strukturen professionalisieren. Im Moment kommen nur selten mehr als 500 Zuschauer zu den Bundesliga-Partien. Wirklich voll werde es nur beim Hamburger Derby zwischen dem HSV und St. Pauli. "Da kommen dann auch mal über 1.000 Menschen", sagt Weber.
Außerdem herrscht in der Bundesliga ein relativ starkes Leistungsgefälle zwischen den zehn teilnehmenden Teams. Während sich die Top-Klubs an der Spitze spannende Spiele liefern, dümpelt der Rest abgeschlagen im Tabellenkeller umher. Das sei bei vielen Mannschaften auch eine Geldfrage, denn gegen den großen Bruder Fußball würde man in Deutschland kaum ankommen. "Wenn im Fußball schon in unteren Ligen relativ viel Geld bezahlt wird, ist es natürlich schwer, Spieler für Futsal zu begeistern. Selbst wenn sie dort Bundesliga spielen können, verdienen sie weniger als in der Oberliga", so Weber.
Auch der Unterbau – also die Regionalligen und der Nachwuchsbereich – sind im Futsal noch relativ unterentwickelt. Deshalb würden bei Bundesliga-Spitzenteams wie Weilimdorf und Hohenstein-Ernstthal vor allem auch besser ausgebildete ausländische Spieler zum Einsatz kommen, berichtet Weber.
FC Liria will hoch hinaus
Beim Berliner Klub FC Liria, der einst als albanischer Verein gegründet wurde, spielen Spieler aus zwölf Nationen. Und die können als Aufsteiger direkt mit den Top-Teams mithalten. "Wir haben schon gegen alle Mannschaften gespielt und wir wollen und müssen uns vor den großen Teams nicht verstecken. Deswegen soll es so weit gehen, wie möglich", sagt Torhüter Wiegels. "Mein persönliches Ziel ist es, ins Finale zu kommen. Und da will man natürlich gewinnen", gibt sich Mitspieler Malik Hadziavdic derweil etwas selbstbewusster.
Im März beginnen die Playoffs und es wird sich zeigen, ob die Berliner direkt um die Meisterschaft mitspielen können. Vielleicht haben sie durch den Wintereinbruch in der Hauptstadt in der vergangenen Woche ein paar neue Fans gewonnen, die sie auf diesem Weg nun regelmäßiger unterstützen werden - und das nicht nur, wenn draußen der Schnee liegt.
Sendung: rbb24, 11.12.2023, 18 Uhr