Interview | Niederlechner zu Abschied - "Streich ist einer der besten Trainer, die es in Deutschland gibt"
Hertha-Stürmer Florian Niederlechner spielte von 2016 bis 2019 unter Christian Streich in Freiburg. Nun hört der Trainer bei den Breisgauern auf. Niederlechner spricht mit rbb|24 über seine Beziehung zu Streich, dessen Legendenstatus und den Abschied.
rbb|24: Herr Niederlechner, am Wochenende verabschiedet sich Freiburgs Christian Streich als Bundesliga-Trainer. Mit welcher Gefühlslage blicken Sie auf seinen Abschied?
Florian Niederlechner: Es ist schon etwas sehr Trauriges. Christian Streich ist ein Unikat in der Bundesliga und es ist ein herber Verlust, dass er in der neuen Saison nicht mehr da sein wird. Aber wie man ihn kennt, wird er sich das lange und gut überlegt haben und jetzt ist der Entschluss gekommen. Trotzdem ist es für die Bundesliga und den deutschen Fußball nicht so schön.
Sie haben in Ihrer Karriere viele verschiedene Trainer erlebt. Was macht Christian Streich so besonders?
Er ist sehr ehrgeizig und will immer das Beste aus jedem rausholen. Wir haben stundenlang Videostudien gemacht und er bereitet sich brutal auf jeden Gegner vor. Er ist einer der besten Trainer, die ich hatte und ich finde, er ist auch einer der besten Trainer, die es in Deutschland gibt, das muss man ganz ehrlich sagen. Er ist schon ein absoluter Top-Mann.
Er fiel ja auch immer wieder wegen seiner Emotionalität an der Seitenlinie und seiner starken Meinung abseits des Fußballs auf. Hat er das auch im Training transportiert?
Christian Streich ist auch im Training schon zu 100 Prozent unter Strom und mit Feuer dabei. Man muss sich nur die Leistungen von Freiburg in den letzten Jahren anschauen, die spielen immer mit voller Energie. Wenn du so einen positiv Verrückten an der Seitenlinie hast, der dir so viel Energie von draußen gibt, dann pusht dich das auf dem Platz. Und im Gesamtbild mit dem Menschlichen ist das schon Extraklasse, was er liefert.
Streich sagte vor vier Jahren einmal über Sie, Sie hätten einen bayerischen Dickschädel und es habe immer wieder auch Auseinandersetzungen gegeben, die aber immer konstruktiv waren. Wie war es für Sie, in Freiburg unter ihm zu trainieren? Und wo gab es mal Reibereien?
Ich bin kein Ja-Sager, sondern diskutiere auch mal mit dem Trainer. Aber ich finde es auch ganz schön, wenn es Spieler gibt, die ihre Meinung vertreten. Mit Christian Streich gab es da nie etwas Schlimmes, aber es ist schon mal ein bisschen lauter geworden und man hat stark diskutiert. Das habe ich an ihm geschätzt und ich glaube, auch er an mir. Darum war das damals eine sehr erfolgreiche Zeit. Aber da war ich auch noch ein bisschen jünger und im Nachhinein wäre es manchmal vielleicht auch besser gewesen, wenn ich mal den Mund gehalten hätte (lacht). Trotzdem bin ich größtenteils in Freiburg fußballerisch und menschlich zu dem Menschen geworden, der ich heute bin. Die Zeit unter Streich hat mich sehr geprägt.
Gibt es eine Situation mit ihm, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da waren der Wiederaufstieg und die Qualifikation für die Europa League. Und als ich damals einen Kniescheibenbruch hatte, hat er sich sehr um mich gekümmert und viel mit mir gesprochen. Aber den einen speziellen Moment gab es jetzt nicht. Man konnte immer gut mit ihm reden – gerne auch über die Berge. Wenn der SC Freiburg jetzt in Berlin ist, werde ich ihn und die Jungs auf jeden Fall auch besuchen und dann bekommt er eine Flasche Wein von mir.
Sie stehen also immer noch im Kontakt mit ihm?
Immer mal wieder, ja. Je länger man vom Verein weg ist, desto weniger wird es dann aber natürlich. Aber ich freue mich schon, ihn jetzt wiederzusehen. Ohne ihn hätte ich nicht die Karriere gemacht, die ich jetzt habe. Deswegen auch die Flasche Wein als kleines Dankeschön und Wertschätzung, dass ich unter ihm spielen durfte und er mir so auf meinem Weg geholfen hat.
Sie kennen den Verein und die Region - wird der SC Freiburg die Lücke, die er hinterlässt, überhaupt schließen können?
Die kann man eigentlich nicht schließen. Er ist einfach eine lebende Legende dort und jeder liebt ihn. Das muss man erlebt haben, um es zu verstehen. Er kann sich in Freiburg nicht frei bewegen und ist ein absoluter Star in der Region.
Sein Abschiedsspiel gibt Streich nun in Berlin, allerdings bei eurem Stadtrivalen Union. Was wünschen Sie ihm dafür?
Natürlich einen Sieg, den hätte er sich verdient. Bei seinem Heimabschied hat es gegen Heidenheim nicht funktioniert, deshalb wünsche ich ihm nun ein erfolgreiches letztes Spiel. Dann kommen sie auch in die Europa League und das ist wahrscheinlich sein größter Wunsch gerade.
Sie selbst sind an diesem Wochenende nicht in der Hauptstadt und müssen auswärts in Osnabrück ran. Wie sähe Ihr perfekter Saisonabschluss am Sonntag aus?
Natürlich auch ein Auswärtssieg, damit wir mit einem guten Gefühl in die Sommerpause gehen. Dann heißt es Akku wieder aufladen, Kraft tanken und mit Vollangriff in die neue Saison. Und da gibt es dann nur ein Ziel und das ist der Aufstieg. Und falls ich in Osnabrück spiele, würde ich Haris gerne noch einen auflegen, damit er sein persönliches Ziel erreichen kann und Torschützenkönig wird.
Auch Hertha braucht im Sommer einen neuen Trainer. Würden Sie sich über jemanden mit ähnlichen Eigenschaften wie Christian Streich freuen, oder glauben Sie, ihr braucht eher etwas anderes?
Die Trainerfrage ist ein Ding der Vereinsführung, die müssen das entscheiden. Wir haben nächste Saison ein klares Ziel und das ist der Aufstieg.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lukas Witte für rbb|24 Sport
Sendung: rbb Der Tag, 16.05.2024, 18 Uhr