Bündnis ehrt Engagement für Integration und gegen Rassismus - Gewinner nutzen Bühne für Protest am geplanten BER-Behördenzentrum

Di 08.11.22 | 12:30 Uhr
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Gewinner des "Bandes für Mut und Verständigung" in der Potsdamer Staatskanzlei
Audio: Antenne Brandenburg | 07.11.2022 | Nico Hecht | Bild: Volker Tanner, Staatskanzlei

Sie setzten sich für Integration ein und stemmen sich gegen Rassismus und Diskriminierung: Vier Persönlichkeiten und ein Verein sind mit dem "Band für Mut und Verständigung" geehrt worden. Einige Gewinner kritisierten aber auch die Abschiebe-Politik.

Das Bündnis für Mut und Verständigung in Berlin und Brandenburg vergibt jedes Jahr seine Ehren-Bänder für Menschen, die sich in besonderer Weise für Menschlichkeit und gegen Diskriminierung sowie Fremdenhass einsetzen. In der Potsdamer Staatskanzlei wurde der Preis am Montagnachmittag zum ersten Mal nach zwei Jahren Corona-Pause wieder vergeben. In großer Runde wurde allerdings nicht nur gefeiert. Gleich mehrere Preisträger nutzen die Ehrung, um auch Protest zu formulieren: Vor allem gegen geplante Behördenzentrum vom Flughafen in Schönefeld.

Aufzeichnungen für besonderes Engagement von Berliner und Brandenburger

"Esta bien" heißt die Band, die die Preisträger begrüßt hat. Alle Musiker sind Geflüchtete, die in oder bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) leben und auf die Ehrung einstimmen. Ausgezeichnet wurde unter anderem der Berliner Stephan Jäkel, der unter anderem bei der Schwulenberatung arbeitet. Er erhielt die Auszeichnung für seine außergewöhnliche, leidenschaftliche, unablässige Arbeit für queere Geflüchtete, heißt es von der Staatskanzlei.

Mit Sonderpreisen wurden ausgezeichnet der Musikwissenschaftler Rainer Max Lingk aus Meseberg (Oberhavel), der sich für junge Menschen mit Migrationsgeschichte engagiert sowie Ebru Schäfer aus Berlin "für ihre kreative und unermüdliche Arbeit für junge Geflüchtete".

Gewinnerin: Migranten erleben oft Alltagsrassismus

Der Hauptpreis in Brandenburg ging in diesem Jahr an die Potsdamerin Marianne Ballé Moudoumbou. Sie sagte: "Das ist wirklich ein Zeichen, welches meine Arbeit und mich auch als Person stärkt. Das ist ab und zu nicht einfach."

Die Dolmetscherin ist Gründungsmitglied des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland und engagiert sich im Landesintegrationsbeirat. Zudem organisiert sie einen afrikanischen Frauentag. Auch dank ihrer Arbeit nehme Diskriminierung in Brandenburg seit den 90er Jahren ab, unterstreicht die Jury. Aber die Migranten würden immer noch alltäglich Rassismus erleben, sagt Moudoumbou und seien es manchmal auch nur böse Blicke. "Blicke, die bedeuten könnten: 'Ihr seid hier nicht willkommen', beziehungsweise 'wir wollen Sie hier nicht haben!' oder Drohungen. Also das gibt es auch."

Direkt an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gewandt, forderte Moudoumbou, dass es Zeit sei Migranten- und Geflüchteten-Initiativen als gleichberechtigt anzuerkennen, wie jeden Brandenburger Regelverein auch. "Das nicht in Brandenburg stattfinden sollte, ist ein Abschiebezentrum."

Preisverleihung als Bühne für Protest

Am Flughafen BER wollen Brandenburg und der Bund ein Behördenzentrum mit Abschiebegewahrsam errichten, von wo aus künftig auch abgeschoben werden soll. Dagegen protestierten auch die Sonderpreisträger der Hilfsinitiative "Wir packen’s an" aus Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland) am Montag.

Mit LKW haben sie Hilfsgüter in die Ukraine gebracht oder Ukraine-Geflüchtete versorgt, die an der polnischen Grenze in Not gerieten. Hilfslieferungen erfolgen seit etwa zwei Jahren an die polnisch-belarusische Grenze, den Balkan oder zu Geflüchtetenlagern in Griechenland.

Bei der Preisverleihung in der Staatskanzlei kamen auch sie mit der Botschaft auf dem T-Shirt auf die Bühne: "Abschiebezentrum verhindern". Axel Grafmanns vom Verein sagte: "Für uns ist das ein totaler Gegensatz. Auf der einen Seite so einen Preis gegen Rassismus zu stiften und auf der anderen Seite ein rassistisches, intransparentes Abschiebezentrum in Schönefeld zu öffnen. Das geht für uns überhaupt nicht." Grafmanns kritisiert damit die Abschiebepraxis insgesamt. Deswegen lehne er auch die Pläne für Schönefeld ab. "Da ist auch eine Abteilung mitgeplant für minderjährige Geflüchtete. Da werden viele Leute zum Beispiel auch aus Pakistan abgeschoben. Pakistan ist massiv vom Klimawandel bedroht, da hat Deutschland auch seine Aktien mit drin und da kann es nicht sein, dass unsere Antwort ist: 'Wir schieben euch ab'."

Mitglieder des Vereins "Wir packen's an" protestieren vor Ministerpräsident Woidke gegen Behördenzentrum am Flughafen BER
Mitglieder von "Wir packen's an" protestieren gegen Behördenzentrum | Bild: Wir packen's an

Woidke: Zentrum soll Arbeit der Behörden verbessern

Ministerpräsident Woidke verteidigte daraufhin die Pläne. Es ginge am BER nicht um ein Abschiebezentrum, sondern darum, Behördenarbeit an einem Ort zusammenzufassen und so Geschwindigkeit zu gewinnen. Bei Ausreisen, aber auch bei Einreisen. Der rbb sagte er am Rande der Veranstaltung: "Heute laufen schon genau dieselben Sachen durch verschiedenste Behörden, an verschiedensten Stellen. Es geht um eine Zusammenfassung von Behörden und am Ende, auch wenn es einige nicht gerne hören, gehört es auch dazu, dass Menschen, die das Recht nicht haben in Deutschland zu sein, dann zurückgewiesen werden müssen. Das ist Teil der Wahrheit, die muss auch laut sagen." Das geplante Zentrum solle den Behörden ermöglichen, schneller und konstruktiver zusammenzuarbeiten, so Woidke weiter. Auch auf Bundes- und Landesebene. Dies sei auch im Sinne der Betroffenen.

Argumente, die Axel Grafmanns von "Wir packen’s an" nur wenig überzeugt: "So ein Zentrum braucht es nicht. Es braucht Solidarität, keine Abschiebung, keine Deportation. Es braucht eine Gleichbehandlung von Geflüchteten." Der Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine habe gezeigt, dass eine Aufnahme in Deutschland auch mit niedrigen bürokratischen Hürden vonstattengehen können. Dies müsse nun auch als Vorbild für andere Schutzsuchende dienen, so Grafmanns.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.11.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Nico Hecht

2 Kommentare

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  1. 2.

    Die Abschiebepraxis erfolgt nicht im Einklang mit der Allg. Erklärung der Menschenrechte, da rechtl. ohne Grundlage. Es ist Willkür. Dass sie in Landes- sowie Bundesrecht kodifiziert wurde, macht sie nicht besser. Die aufgeführten Beispiele, dass zwischen Geflüchteten bei gleichen Bedingungen, aber unterschiedlichen Herkünften ein Unterschied gemacht wird, unterstreichen das. Ebenso die noch immer existierenden sog. "ANKER-Zentren", an denen Menschenrechtsverbrechen teils systematisch angewandt werden. Abschreckung und Deprivation sind der Umgang mit Migrant*innen sowie Geflüchteten - und das in Zeiten, in denen die Zahl der Geflüchteten historisch hoch ist und während man als Land Zuwanderung dringend braucht und pragmatisch organisieren muss.

    Des Weiteren meint formales Recht nicht Rechtspraxis. Wenn jemand die Ausweisungsverfügung erhielt, aber nicht abgeschoben wird, gibt es dafür gute Gründe.

    Und auch in Kanada fahren ausländische ehem. Professor*innen Taxi...

  2. 1.

    Ob jemand bleiben darf oder nicht muss schnell entschieden werden. Wenn die Antwort "nein" lautet muss schnell und unbürokratisch abgeschoben werden. Hier muss es eine Möglichkeit für gut qualifizierte Menschen zur Zuwanderung geben wie es in Canada schon seit Jahrzehnten möglich ist.

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