Engpässe bei über 300 Medikamenten - Apotheker stellen Fieberzäpfchen und -säfte nun selbst her

Mi 21.12.22 | 15:23 Uhr
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Apotheke in Bad Freienwalde
Audio: Antenne Brandenburg | 20.12.2022 | Elke Bader | Bild: rbb

Derzeit müssen Menschen auf Medikamente wie Kinderfieberzäpfchen und -säfte lange warten. Apotheker wie Robert Witzke aus Bad Freienwalde stellen die Arznei jetzt selbst her. Kurzfristig sei laut Apothekerkammer keine Lösung zu erwarten.

Apotheken in Berlin und Brandenburg kämpfen mit Engpässen in der Versorgung mit Medikamenten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt in dieser Woche etwa 330 Medikamente auf, die wegen Lieferengpässen nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sind [tagesschau.de]. Darunter sind zahlreiche Mittel für Kinder.

Einige Pharmazeuten werden deshalb nun selbst aktiv, um dem Mangel zu begegnen. In einer Filiale in Falkenberg (Elbe-Elster) haben die Mitarbeiterinnen etwa schon für den Notfall Grundstoffe für einige Medikamente zusammengetragen. Ganz vereinzelt sei die Eigenproduktion sogar bereits Praxis, teilte Katrin Wolbring, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer auf Nachfrage mit.

Apotheker mit Handarbeit gegen Mangel

Einer von ihnen ist Robert Witzke. Er betreibt drei Apotheken in Bad Freienwalde und Oderberg im Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland. Er steht in seinem provisorischen Labor und rührt mit Stäbchen und Schale auf der Grammwaage Arznei zusammen. Anschließend gießt er die zähe Masse in kleine Formen. Die Medikamentenknappheit habe ihn dazu gebracht, seine eigenen Zäpfchen herzustellen. "Wir haben um die Ecke eine Kinderärztin und die Kinder müssen einfach versorgt werden", sagt Witzke.

Auf Lieferungen mit Kinderzäpfchen wartet er schon länger. Anfragen bei Großhändlern oder den Herstellern ziehen sich. Und wenn Ware kommt, komme diese nur schubweise und sei schnell wieder vergriffen. Deshalb jetzt die Handarbeit. "Wir machen es so: Zäpfchen für Erwachsene gibt es noch. Die schmelzen wir ein und stellen daraus Kinderzäpfchen her."

Apotheker Robert Witzke stellt selbst Medikamente her
Robert Witzke gießt in seiner Apotheke Zäpfchen | Bild: rbb

Lang sei es her, dass der heute 50-Jährige das letzte Mal selbst Medikamente produzieren musste. Zuletzt während des Studiums. Eigentlich habe er dafür eine Mitarbeiterin. "Die war jetzt aber drei Wochen krank und dann musste ich ran. Ein bisschen probieren und jetzt geht es wieder." Finanziell lohne sich das nicht, aber Robert Witzke wolle helfen.

Auch Tabletten und Säfte werden knapp

Neben den Zäpfchen seien auch Husten- und Fiebersäfte rare Güter. Wenn Eltern mit einem Rezept für ihre größeren Kinder in die Apotheke kommen, beginnt meist die Suche nach Alternativen. "Dann versuchen wir zum Beispiel den Eltern nahezulegen, dass das Kind auch Tabletten nehmen kann", so Witzke. "Tabletten kann man auch mörsern und in Wasser auflösen, sodass sie nicht auf den Fiebersaft angewiesen sind."

Problematisch sei nur, dass jetzt auch Schmerztabletten langsam knapp werden. Die könne er aber nicht selbst pressen, erzählt Witzke. Nur Kapseln und Salben könnten Apotheker noch herstellen. Das bestätigt auch Jens Dobbert, Präsident der Brandenburger Apothekenkammer. "Wir können keine Säfte herstellen, wenn wir keine Ausgangsstoffe haben", sagte er dem rbb.

"Derzeit sieht es so aus, dass wir keine Ausgangsstoffe zum Beispiel für Fiebersäfte bekommen." Dobbert verweist zudem darauf, dass es in Brandenburg kaum Fachpersonal für selbst hergestellte Medikamente gebe. Um besser gewappnet zu sein, stellt die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker für Pharmazeuten Vorschläge und Rezepte zur Verfügung. Damit sollen einheitliche und stabile Arzneien gewährleistet werden können.

Kritik am Medikamenten-Flohmarkt

Trotz der Engpässe hält Apotheker Robert Witzke von einem Vorschlag von Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt wenig. Der hatte am Montag angeregt, Medikamente privat bei Tausch- und Flohmärkten zu verteilen [deutsche-apotheker-zeitung.de]. "Bei einer Schmerztablette, wo man sich mit auskennt und die vielleicht selber schon einmal genommen hat, hilft man sich ja sicherlich jetzt auch schon aus. Aber bei Medikamenten, die nicht so geläufig sind, sehe ich das auf jeden Fall kritisch."

Dem schließt sich auch die Brandenburger Apothekenkammer an. Patienten wüssten beim unübersichtlichen Angebot häufig nicht, was sie konkret einnehmen. Zudem würden Arzneien oft in Privathaushalten falsch gelagert. "Viele haben ihre Arzneimittel in den Bädern liegen", sagt Dobbert. "Und dann verändern sich die Wirkstoffe, wenn Luft an die Arzneimittel gekommen ist."

Kurzfristig kaum Lösungen möglich

Um den Lieferengpässen entgegenzuwirken, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag ein Eckpunktepapier vorgelegt und deutliche Änderungen bei den Preisregeln in Aussicht gestellt [tagesschau.de]. Er will demnach etwa dafür sorgen, dass die Preisvorschriften für Kinderarzneien gelockert werden, wieder Medikamente von europäischen Herstellern ins Spiel kommen und Vorräte der preisgünstigsten Arzneien angelegt werden.

Bevor die Maßnahmen greifen, könnten Kritikern zufolge aber Jahre vergehen. "Die Industrie kann so schnell sowieso keine Arznei für Kinder herstellen, die akut gefährdet sind", sagt Kammerpräsident Dobbert. "Die Auslagerung der Wirkstoff-Produktion nach Asien ist problematisch. Wenn in China die Null-Covid-Strategie gefahren wird, dann kommt in Deutschland nichts mehr an." Deshalb brauche es neue Verträge und eine Abkehr der Sparpolitik bei den Krankenkassen, so Dobbert.

Pharmazeut Robert Witzke bleibt kurzfristig also nur die Hoffnung, dass Medikamente auch so bald wieder in ausreichender Menge geliefert werden können. Denn eine eigene Massenproduktion kann er sich nicht leisten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.12.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Rainer Unruh, Elke Bader und Tony Schönberg

22 Kommentare

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  1. 22.

    Ich habe vorgestern bei meiner Onlineapotheke fiebersaft und Zäpfchen für meine Kinder und für Freunde bekommen.

  2. 20.

    Dann immer schön weiter im Internet bestellen. Dann gibt es bald in Ihrer Nähe keine Apotheke mehr, die 2 Anläufe braucht. Übrigens auch keine, die dafür (wenn lieferbar) wenige Stunden bis maximal einen Tag braucht, Individualrezepturen herstellt oder an Weihnachten Notdienst schiebt...

  3. 19.

    Wie ist die Situation bei den Internetapotheken ?
    Bis dort keine Schwierigkeiten gehabt ! Aber Fiebersaft und Med. für Kinder gibt es z.Z. auch nicht.
    Bei den lokalen Apotheken brauchte ich immer 2. Anfahrten um alle Medikamente zu bekommen.

  4. 18.

    Um Fieberzäpfchen selbst herzustellen braucht es nicht unbedingt ein Pharmaziestudium. So schwierig ist das nicht ein paar Pülverchen in ein Trägermaterial zu mischen. Ein Pharmaziestudium hilft aber auch nicht wenn man die Pülverchen nicht geliefert bekommt, weil die alle aus China kommen. Keine Apotheke hat das nötige Labor um die eigentlichen Wirkstoffe selber zu synthetisieren, egal wie qualifiziert der Apotheker ist.

  5. 17.

    Die Idee des Bundesärztekammer-Präsidenten zu Medikamententauschbörsen zeigt vor allem, wie hoch die Elfenbeintürme mancher Führungspersonen teilweise gewachsen sind und wie naiv und vertrauensselig so mancher denkt!
    Im Kreis vertrauenswürdiger, bekannter Personen (Familie, Freunde, ...) mag ein solcher Austausch durchaus sinnvoll sein.

    Leider zeigt - meiner Meinung nach - die Lebenserfahrung, dass bei größer werdenden Personenkreisen früher oder später Leute dazukommen, die mehr an ihrem eigenen Vorteil interessiert sind als am Gemeinwohl.
    In Situationen wie der aktuellen - hohe Nachfrage, geringes Angebot - kann man mit Fälschungen bei mangelnder Kontrolle schnelles Geld machen. - siehe Betrug bei Corona-Hilfen oder Pop-Up Test-Zentren.

    Und was soll ich machen, wenn ich feststelle, dass die auf dem "Medikamentenflohmarkt" gekauften Antibiotika gefälscht sind und meinem Kind NICHT helfen?

  6. 16.

    Von WEM wird denn der "reguläre" Preis festgelegt?
    Wenn 100ml Fiebersaft aus der Pharma-Fabrik "normalerweise" 5€ kostet, warum darf der - manuell vor Ort von sachkundigen Apothekern - hergestellte Fiebersaft nicht entsprechend der angefallenen Herstellungskosten höherpreisig sein?
    In vielen Bereichen ist "Handarbeit" teurer als maschinell gefertigt!

    Und gibt es überhaupt DEN "regulären" Preis?
    Wenn man auf den Onlinehabdel für Medikamente schaut, sind identische Arzneien oft um 40-50% günstiger als in der Präsenz-Apotheke.

  7. 15.

    In der Abteilung "Tagesschau "direkt über diesem Eintrag ist ein grosser Artikel über die Arzneimittelknappheit. Sehr interessant.

  8. 14.

    @Maren
    Es ist aber passiert und wie mir ein Pfleger erzählte, bin ich bei Weitem nicht der Einzige, dem das zugestossen ist.Auch meine Summe war nicht die Höchste.Das waren über 400 € für ein Medikament. Warten Sie mal ab, das war erst der Anfang. Sehen Sie mal bei "Medizinfuchs"nach,was da jeden Tag verschwindet oder den Preis ändert. Bei Pantozol 20mg 28 St sind es jetzt noch 3 Apotheken, soviel zum Internet.
    Da über den Pflegedienst geliefert wurde, habe ich vereinbart, dass nachgefragt wird

  9. 13.

    Wie kann der PRÄSIDENT der Bundes Ärztekammer so einen Vorschlag veröffentlichen und die ÖRR bringen das unkommentiert den ganzen Tag in Nachrichten. Unfassbar....

  10. 12.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das legale Praxis ist, dass eine Apotheke einfach so ein Medikament zu einem vielfachen vom regulären Preis verkaufen darf.

  11. 11.

    @5.Dezember
    Die letzte Hexenverbrennung in Europa fand 1807 statt und daran soll sich noch jemand erinnern? Glauben Sie das wirklich? Überlegen Sie sich das bitte noch einmal.

  12. 10.

    Aha, die Apotheker können selber was anmischen? Ich dachte die heutigen Apotheker können nur noch nen Rechner bedienen, ablesen und rumjammern, dass sie zu wenig verdienen. Da hatte ich die ganzen Jahre ja ein völlig falsches Bild...

  13. 9.

    An der aktuellen Situation sind die Versicherten und die Kassen selbst schuld. Durch die Rabattverträge wird eine Belieferung deutscher Apotheken unwirtschaftlich

    Geiz ist halt nicht immer geil.

    Kaum ein Pharmaunternehmen produziert noch in Deutschland. Warum auch bei hohen Löhnen und Knebelverträgen

  14. 8.

    Lustig, keine Kinder Zuhause oder? Dutzende online Apotheken haben seit Wochen keinen Fiebersaft mehr. Bestimmte Schmerztabletten ebenso langsam immer weniger vorrätig.
    Natürlich haben Apotheken die UVP quasi immer weiter gereicht...dafür holt man das Antibiotikum eben doch dort weil man da direkt braucht, selbst oder fürs Kind.

  15. 7.

    Wie tief ist dieses Land nur gesunken, Armes Deutschland !!!

  16. 6.

    Das kommt davon wenn die Produktion von Medikamenten ins Ausland verlegt wird, weil es dort billiger ist. Nun kommt aus dem billigen Ausland auch nichts mehr. Deutsche Wertarbeit ist vermutlich am Ende.

  17. 5.

    Die ganz Alten mögen sich noch erinnern: Einst wurden Hexen verbrannt, weil sie aus Schneckenschleim und Krötensaft allerlei wundersame Elixiere gebraut und auf zwielichtigen Märkten feilgeboten haben. Folge über die Jahrhunderte war, daß sich in Deutschland eine weltweit führende Pharmaindustrie entwickeln konnte. Die haben wir nun endlich überwunden!!! Okay - vielleicht haben wir im sozialistischen China ein paar Pfennige gespart. Aber jetzt laßt uns endlich wieder Brennholz sammeln!

  18. 4.

    Deutschland entwickelt sich immer mehr zu einen Entwicklungsland . 30 oder 40 Jahre auf den Zahnfleisch gewirtschaftet zahlen sich jetzt aus. Andere Länder die nicht so reich sind haben ihre Infrastruktur schon bedeutend besser entwickelt.

  19. 3.

    Es wird nicht begriffen dass nur noch ein kleiner Teil in die Apotheke "rennt". Arznei gibt es es mit Rezept-upload schon lange im Internet und sogar "same Day" nach hause. Denkt doch mal nach, die Apotheken haben schon lange kein Monopol mehr, deswegen gibt es eben Engpässe bei Laden-Apotheken. Online bekommt man was man braucht, die Händler sind besser vernetzt und schicken Kuriere. Apotheken sind nicht mehr zeitgemäß außer für Rentner und co.
    Außerdem sind Apotheken viel zu teuer und haben mit der Pharma Knebelverträge samt Preisabsprachen.
    Kauft die Medikamente online. Spart Zeit und Geld.

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