Oder-Spree - Spurensuche nach zwei schweren Unfällen auf A12
Ein Toter, mehr als 50 Verletzte - nach zwei schweren Unfällen innerhalb einer Woche auf der Autobahn 12 wird nach Erklärungen gesucht. Möglich ist die unglückliche Verkettung von mehreren Ursachen. Von M. Dercz und G.-S. Russew
Polizisten und Rettungskräfte stehen nach dem erneuten schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn 12 zwischen Storkow und Friedersdorf (Oder-Spree) immer noch unter den schlimmen Eindrücken von der Unfallstelle. Am Montagnachmittag ist dort ein 35 Jahre alter Mann ums Leben gekommen.
Nach neuesten Erkenntnissen der Polizei waren vier Lastwagen an dem Auffahrunfall beteiligt. Demnach habe ein 43-jähriger Lastwagenfahrer zu spät bemerkt, dass der Verkehr zwischen den Streckenabschnitten Storkow und Friedersdorf aufgrund einer Baustelle zum Stocken gekommen war. Er sei anschließend mit seinem Fahrzeug in einen vor ihm fahrenden Lastwagen gekracht. Der 43-jährige Fahrer und sein 54-jähriger Beifahrer kamen schwer verletzt in ein Krankenhaus.
Schwerer Unfall mit Reisebus
In dem aufgefahrenen Lkw saßen drei Männer im Alter von 24, 35 und 52 Jahren. Der 35-jährige Beifahrer starb noch an der Unfallstelle. Die beiden anderen wurden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht.
Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Lastwagen auf zwei weitere davor stehende Lastwagen geschoben. Die Fahrer der vordersten Lastwagen blieben unverletzt. Zuvor hatte die Polizei vermeldet, dass es sich bei dem Lastwagen der drei Männer um einen Kleintransporter gehandelt habe. Dies sei aufgrund der Beschädigung zunächst unklar gewesen. Der entstandene Sachschaden wird von der Polizei auf etwa 220.000 Euro geschätzt.
Erst in der Vorwoche waren bei einem Zusammenstoß von zwei Lkw mit einem Reisebus ebenfalls auf der A12 zwischen Storkow und Friedersdorf mehr als 50 Menschen verletzt worden.
Kein bedeutender Anstieg von Unfällen auf A12
Die Polizei geht nach derzeitigem Stand nicht davon aus, dass sich die A12 nahe dem Autobahndreieck zu einem neuen Unfallschwerpunkt herauskristallisiert. "Ich möchte betonen, dass wir unter dem Eindruck zweier schwerer Verkehrsunfälle innerhalb kürzester Zeit stehen", sagte Polizeisprecher Roland Kamenz dem rbb. Wenn man sich aber die aktuellen Verkehrsunfallzahlen für die ersten vier Monate dieses Jahres ansehe, "stellen wir fest, dass das Unfallgeschehen auf der A12 keinen signifikanten Anstieg erkennen lässt und wir in diesem Jahr unterhalb des Vergleichswerts von 2022 liegen", unterstrich Kamenz.
Verkettung mehrerer Umstände
Allerdings und das führt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Siegfried Brockmann, ins Feld, spielten Baustellen auf stark frequentierten Autobahnen eine besondere Rolle. "Das heißt, dass sich der Verkehr an solchen Stellen verlangsamt".
Laut Autobahn GmbH existiert zwischen dem A10-Dreieck Spreeau bis zur Anschlussstelle Niederlehme eine Baustelle, wo die Fahrbahndecke ausgetauscht werde. Wie üblich werde der Verkehr in diesem Bereich verengt an der Baustelle vorbeigeführt, hieß es.
Viele Fahrer halten sich nicht an Tempolimits
Wegen des extrem hohen Verkehrsaufkommens und der verlangsamten Fahrt komme es zu Rückstaus - wie hier bis auf die A12, so Brockmann. Lkw-Fahrer, die teilweise aus Polen oder Weißrussland kämen, säßen meist schon lange hinter dem Lenkrad, erklärte der Unfallforscher. "Sie sind durch irgendwelche Umstände unaufmerksam, schläfrig oder haben einen zu geringen Sicherheitsabstand, das sehen wir regelmäßig und es ist nur eine Frage des Zufalls, dass etwas passiert. Hier heißt der Zufall Stauende", so Brockmann.
Da würden auch keine verschärften Tempolimits helfen, denn Trucks könnten ohnehin nur 80 bis 89 Stundenkilometer fahren. "Speziell für diesen Unfall würde das gar nichts bringen oder auch beim Busunfall", betonte er. Vor Baustellen würden die Geschwindigkeiten runtergeregelt werden. Das sei hier ab Friedersdorf der Fall gewesen.
Messungen der Polizei könnten laut Brockmann auch belegen, dass viele Fahrer sich nicht an die Tempolimits hielten. "Gerade in Annäherungsbereichen, wo schon 120 oder 100 Stundenkilometer gelten, wird immer noch hineingebrettert", so der Experte. Diese Geschwindigkeiten erreichten Lkw aber nicht. Dort hätten Unfälle andere Ursachen, wie Unaufmerksamkeit oder zu geringer Sicherheitsabstand zum Vordermann. "Und dann braucht nur ein Ereignis dazuzukommen und das ist in diesem Fall, dass der Verkehr stockt oder stehen bleibt", so Brockmann.
"Insofern spielt auch immer wieder der Mensch eine Rolle"
Die Polizei kann zu den genauen Unfallursachen noch nichts sagen. Mithin gebe es aber schon viele Sicherheitspuffer. So gelte auf der A12 für Lkw-Fahrer beispielsweise ein Überholverbot. "Wir haben hier eine Beschilderung für Lkw-Fahrer, dass sie zum Vordermann einen Sicherheitsabstand von 50 Metern einhalten zu haben. Und das überprüfen wir als Polizei regelmäßig", betonte Roland Kamenz. Es gibt zivile Videowagen der Polizei, die sich insbesondere auf Abstandsverstöße von Lkw spezialisiert hätten.
Kamenz wies zudem daraufhin, dass es auf der A12 in Richtung Berlin ein Stauwarnsystem gibt. "Es gibt Warntafeln, die bei Stauerscheinungen auf der A12 aufgeklappt werden", so Kamenz. Trotzdem müsste die Polizei immer wieder feststellen, dass es dennoch zu Auffahrunfällen kommt. "Insofern spielt auch immer wieder der Mensch, der Fahrzeugführer eine Rolle, der mit seinem Verhalten dazu beiträgt, ob ein Unfall entsteht oder nicht."
Zusätzlich wies Kamenz daraufhin, dass es in modernen Lkw Notbrems-Assistenzsysteme gibt, die helfen sollten, Unfälle zu vermeiden. "Ob die tatsächlich genutzt werden, vermag ich nicht zu sagen", so Kamenz. Unfallexperte Brockmann erklärte zudem, dass ältere Lkw gar nicht über solche Systeme verfügen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 16.05.2023, 16:40 Uhr