Auslandstierschutz - Wenn deutsche Tierheime Hunde aus Rumänien aufnehmen
Trotz überfüllter Tierheime adoptieren immer mehr Menschen Hunde aus dem Ausland. Ein junger rumänischer Vierbeiner schlägt sich in der Vermittlung oft besser als ein einheimischer mit Vorgeschichte. Doch was bedeutet das für die deutschen Heimtiere?
Der Auslandstierschutz steht zunehmend in der Kritik: Angesichts der Überfüllung heimischer Tierheime wird die Aufnahme von Hunden aus dem Ausland in Brandenburg und Berlin kontrovers diskutiert. Gerettete Hunde aus dem Ausland machen inzwischen ein Viertel der Hundepopulation in Deutschland aus, wie der "MDR" zuletzt berichtete.
Auch die Leiterin des Tierheims am See, Jana Feister, ist der Kritik ausgesetzt, wie sie dem rbb sagt. Ihr Tierheim in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) vermittelt jährlich etwa 200 aus Rumänien stammende Hunde. Mit den rumänischen Vierbeinern könne sie die steigende Nachfrage von Tierschutzhunden decken, doch oft werde ihr gesagt, dass sie lieber "den deutschen" Hunden helfen sollte. Zudem gebe es auch immer wieder Tierheimbesucher, die ausschließlich deutsche Hunde adoptieren wollen.
Doch der Tierschutz habe für die Tierheim-Leiterin keine Grenzen. Erfahrungen im Ausland haben sie geprägt: "Ich habe schon vieles erlebt und gesehen, wie Hunde getötet wurden. Wer will mir verbieten, einem Tier zu helfen, das dieses Schicksal hat?", fragt Feister. Kritik an dem Auslandstierschutz gebe es vermutlich auch, weil der seriöse Auslandstierschutz oftmals für die zunehmenden Online-Portale mit gewerblichem Interesse und dem illegalen Welpenhandel verwechselt wird.
Abgabetiere gehen ins Geld
Doch Feister könne den meisten Besuchern gar keine deutschen Hunde vermitteln. Grund dafür seien die charakterlichen Eigenschaften der Hunde: Denn viele der deutschen Hunde im Tierheim am See seien stark verhaltensauffällig, wie Feister betont. "Die Tiere, die hier festsitzen, sind hier, weil noch ein Gerichtsprozess dranhängt, weil sie einen Vorfall hatten oder weil sie sterbenskrank sind", sagt Feister. Die Aufnahme dieser Tiere ziehe die Finanzen fast immer ins Minus.
"Selbst wenn ich keinen Auslandstierschutz machen würde, würde ich meine bissigen und sehr alten Tiere nicht loswerden." Auch deshalb sei die Kritik, das Auslandstiere den deutschen Tieren den Platz wegnehmen, nicht gerechtfertigt.
Auslandshunde oft sozialverträglich und sensibel
Hunde, die über die Partnerschaft mit dem rumänischen Tierheim Smeura in das brandenburgische Tierheim gelangen, seien hingegen oftmals weniger kostenintensiv. Sie kommen medizinisch versorgt, gechipt und kastriert nach Deutschland. Zudem seien die anfallenden Kosten im Voraus einfacher zu kalkulieren. "Wir wissen, was das Tier gesundheitlich für Probleme hat und in etwa wie viel Geld wir noch in dessen Versorgung stecken müssen", sagt Feister.
Zudem seien Hunde aus Rumänien oftmals weniger verhaltensauffällig, verträglich mit Artgenossen und Menschen gegenüber freundlich. Oftmals könne im Voraus auch entschieden werden, welcher Hund realistische Vermittlungschancen hat. "Man hat dieses Überraschungspaket nicht wie bei einem deutschen Fundtier", so Feister. Dass Hunde aus dem Ausland im Durchschnitt eine ausgeprägte soziale Verträglichkeit und hohe Sensibilität beherrschen, hinterlegt auch eine Umfrage des deutschen Haustierzentralregisters Tasso [Externer Link].
Der Auslandstierschutz würde sich auch deshalb immer wieder als wichtiger Faktor für die finanzielle Sicherheit des Tierheims am See beweisen. Ein kurzzeitiger Überschuss, auch durch die rumänischen Hunde, sei schließlich in einen neuen Anbau investiert worden.
Kein Platz für Auslandstiere im Tierheim Berlin
Dennoch lehnen viele weitere nationale Tierheime die Aufnahme von Hunden aus dem Ausland ab, darunter auch das Tierheim Berlin. Obwohl man ein Tierheim vor Ort in der Türkei unterstützt, ist die Übernahme von Hunden laut der Vorstandsvorsitzenden Eva Rönspieß nicht vorgesehen. "Wir haben im Vorstand entschieden, dass wir keine Hunde aus dem Ausland aufnehmen, die sich natürlich toll vermitteln und in den sozialen Medien verkaufen lassen, aber wir möchten unseren Tieren gerecht werden", so Rönspieß.
Denn derzeit herrscht im Berliner Tierheim trotz konstanter Vermittlung ein Platzproblem. "Mit 300 Hunden sind wir derzeit gut ausgelastet. Deshalb ist es eine moralische Entscheidung”, so Rönspieß weiter. "Wenn wir eines Tages mal die 300 Hunde bei uns vermittelt haben, dann kann man darüber nachdenken, Tierheime wie die Smeura zu unterstützen. Aber definitiv nicht jetzt."
Wenig kleine Kuschelhunde in deutschen Tierheimen
Zudem hätten viele der derzeit beherbergten Hunde bereits ohne ausländische Tiere Schwierigkeiten, ein Zuhause zu finden, da sie teilweise sehr anspruchsvoll sind. Nach eigenen Angaben sind derzeit über 90 Prozent der Hunde im Berliner Tierheim stark verhaltensauffällig.
In der Regel würden Menschen im Tierheim nach niedlichen kleinen Kuschelhunden suchen, die noch nie gebissen haben, sagt Rönspieß. Doch davon gäbe es in deutschen Tierheimen nicht viele. "Interessenten äußern uns auch gegenüber, wenn sie bei uns nicht fündig werden", so Rönspieß. Viele würden dann im Internet weitersuchen. Dabei handele es sich des öfteren um Tiere aus dem Ausland - sowohl von seriösen Tierschutzorganisationen wie auch unseriösen Online-Portalen und dem illegalen Welpenhandel.
Interessenten werden an Ebay und Züchter verloren
Auch deshalb appelliert Matthias Schmidt, Leiter der Smeura in Rumänien, an die Unterstützung des Auslandstierschutzes von deutschen Tierheimen. "Als Tierheim zu sagen, wir machen dicht und beherbergen unsere harten Kerne, unsere verhaltensauffälligen Tiere, das kann nicht die Lösung sein. Es ist die Selbstmorderklärung jedes Tierheims”, betont Schmidt gegenüber dem rbb.
"Jedes Tierheim sollte Hunde aus dem Ausland aufnehmen", so Schmidt. In Rumänien gebe es viele Hunde, die den Anforderungen einer Vermittlung gerecht werden - freundlich, sozial und gesund. "Wenn wir in deutschen Tierheimen keine vermittelbaren Hunde und Katzen vorstellen können, die normalen Menschen aufnehmen können, dann verlieren wir all diese Menschen an Online-Portale wie Ebay oder Züchter." Schmidt zufolge finden genau diese Hunde auch am häufigsten den Weg zurück ins Tierheim.
Über 6.000 Hunde warten in dem größten Tierheim der Welt
Seit über zehn Jahren leitet Schmidt das Tierheim Smeura etwa 120 Kilometer von der rumänischen Hauptstadt Bukarest enfernt. Derzeit sitzen etwa 6.150 Hunde, darunter fast 2.000 Welpen und Junghunde, in dem größten Tierheim der Welt. "Das ist wirklich eine dramatische Situation, auch in Anbetracht, dass der Winter in Kürze vor der Tür steht", so Schmidt weiter.
Um sein Tierheim aufrechtzuerhalten, müssen Tiere nach Deutschland oder in andere Länder mit besseren Chancen auf eine Adoption vermittelt werden. "Wir sind in einem Land wie Rumänien, wo ein Tötungsgesetz herrscht, darauf angewiesen, dass Hunde nach Deutschland kommen können. Denn in Rumänien blüht diesen Hunden der Einfang von städtischen Tierfängern“, so Schmidt.
Einfangen und Einschläfern mit EU-Geldern gefördert
Um auf den Rettungstransport nach Deutschland weniger angewiesen zu sein, braucht es laut Schmidt ein Eingreifen der Politik, denn derzeit wird das Einfangen und Einschläfern von rumänischen Straßenhunden von der EU mit bis zu 75 Euro pro Hund finanziert. Das würde für viele Hundefänger eine lukrative Einahmequelle darstellen, denn Straßenhunde gibt es in Rumänien genug - derzeit etwa sechs Millionen.
"Deshalb ist es wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Nachfrage nach sozialen, freundlichen Hunden in Deutschland besteht, dass Tierheime sich am Auslandstierschutz beteiligen. Die Tierheime stehen zwar am Kapazitätslimit, aber wir sind trotzdem auf die Rettung und Aufnahme in Deutschland angewiesen, weil wir ansonsten blockiert sind und nicht mehr weiterarbeiten können", sagt Schmidt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 02.10.2023, 16:12 Uhr