Streit im Berliner Schifffahrtsgeschäft - Schmutzige Rauchzeichen auf der Spree
Ein Berliner Elektroboot-Schiffer kämpft gegen die alteingesessenen Reedereien der Stadt. Der Vorwurf: Die, die größtenteils mit Dieselbooten über die Spree schippern, sollen neuen Marktteilnehmern mit Elektrobooten den Zugang zu Stegen verweigern. Von Simon Wenzel
Das erste heiße Wochenende des Jahres weckt auch Begehrlichkeiten nach dem Wasser. Ein Klassiker: Die Spree-Fahrt auf dem Sonnendeck eines Dampfers, vor allem für Touristen. Aber hinter der entspannten Bootsfahrt vorbei am Regierungsviertel und einigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, steckt eine Branche mit einem großen Problem, so scheint es.
Die Schiffe sind zum Großteil knattrige Dieselkähne, sie stoßen mehr als 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr aus und es gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich das schnell ändert. Denn hinter den Abgsaswolken verbirgt sich ein Markt mit problematischen Strukturen, aufgeteilt unter alteingesessenen Reedereien. Neulinge, so der Vorwurf, kommen nicht rein.
Das sagt einer, der genau das will: Mitfahren im Bootstouren-Business. Luis Lindner mit seinem Elektroboot "Fitzgerald" kämpft öffentlichkeitswirksam gegen die Berliner Reederei-Größen. Inzwischen ermittelt sogar die Landeskartellbehörde in der Sache. Vor einer Woche hatte der "Spiegel" bereits über Lindners Fall berichtet. Es klingt in dem Artikel [spiegel.de, Paywall] so, als würde in der Hauptstadt die Energiewende von einem problematischen System blockiert.
Dieselschiffe werden kaum umgerüstet, Senat wirkt machtlos
Rund 100 Fahrgastschiffe verkehren nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr täglich auf den Berliner Gewässern. Die meisten von ihnen fahren mit Dieselantrieben und davon sind nur wenige mit Schadstofffiltern umgerüstet, obwohl der Berliner Senat dafür seit Jahren sogar Fördergelder bereitstellt. Gerade mal drei Schiffe seien durch die Fördermittel mit Partikelfiltern nachgerüstet worden, teilt der Senat auf rbb Anfrage mit.
Die größte Reederei, Stern und Kreisschifffahrt, die insgesamt 31 Schiffe unterhält, gibt an, drei weitere ohne Förderung mit Filtern ausgestattet zu haben - insgesamt seien sechs Boote auf diese Weise modernisiert worden. Die Umrüstung sei ein technisch aufwändiges und teures Verfahren, schreibt die Reederei außerdem noch.
Sie müsste sich aber auch gar nicht erklären. Denn rechtlich gibt es keine zwingende Auflage, den Schiffsverkehr in die Neuzeit zu transformieren. Der Senat fände den Wandel zwar nach eigenen Angaben begrüßenswert, darf aber nur nett bitten und mit finanziellen Anreizen die Verkehrswende auf der Spree fördern. Wenn die alteingesessenen Reedereien darauf keine Lust haben, lassen sie es eben bleiben und verzichten auf die Fördermittel.
Es fehle an einer geeigneten Rechtsgrundlage, teilt ein Sprecher der Senatsverwalltung für Umwelt und Verkehr mit. Weil die Spree eine Bundeswasserstraße sei (genauso wie die Havel und der Landwehrkanal), könne nur die zuständige Bundesbehörde Maßnahmen wie Fahrverbote für hoch emittierende Schiffe erlassen und die habe das eben bisher nicht getan.
Wenn die alteingesessenen Anbieter also nicht zum Technologie-Wechsel gezwungen werden und das Problem nicht von selbst lösen wollen – aus welchem Grund auch immer – wäre es doch gut, wenn neue Anbieter Schwung in den Markt bringen könnten. Elektroboot-Enthusiasten wie Luis Lindner mit seinem Unternehmen "Schöneschiffe" zum Beispiel. Wobei es bisher nur ein einzelnes schönes Schiff ist: die "Fitzgerald" soll Lindners Ambitionen demonstrieren. Das Boot wurde Lindner zufolge bereits vollständig auf Elektroantrieb umgerüstet – übrigens zu 80 Prozent finanziell unterstützt aus einem Förderprogramm des Landes Berlin.
Der Vorwurf: Marktmissbrauch
Aber das Schiff allein bringt ihm nichts, denn Lindner darf zwar mit seinem Elektroschiff über die Spree fahren, aber er kann im Innenstadtbereich nach eigenen Angaben nicht anlegen, um Fahrgäste aufzunehmen. Und hier kommen wir zum Skandalpotenzial des Themas: dem Vorwurf, dass in Berlin etablierte Reedereien ihre Marktmacht missbrauchen würden. So stellt es Lindner jedenfalls dar - und er ist nicht alleine, denn die Landeskartellbehörde teilt auf Anfrage zu ihrem eingeleiteten Ermittlungsverfahren mit, dass es bereits seit Sommer 2019 Beschwerden von Marktneulingen (Achtung, Plural) zu diesem Thema gebe.
Lindner beschreibt es so: "Wir haben einen abgeschotteten Markt, mit mehreren Playern, von denen einer heraussticht, das ist die Stern und Kreisschifffahrt. Die hat fast 100 Anleger in der Stadt, die sich wie ein Spinnennetz über die Berliner Wasserstraßen legen", sagt er.
Das wäre an sich kein Problem, denn die Fahrgastschifffahrt in der Stadt soll eigentlich auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen, wie die zuständige Senatsbehörde für Umwelt und Verkehr bereits 2018 in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema mitteilte. In der Theorie dürfen also Wettbewerber gegen Gebühr an den privat betriebenen Stegen der Konkurrenz anlegen, wenn man sich auf ein freies Zeitfenster einigen kann. In der Praxis scheint es so aber nicht zu funktionieren.
Lindner beklagt fehlenden Zugang zu Stegen, Stern und Kreisschifffahrt streitet ab
Lindner berichtete selbst bereits in mehreren Medien von seinen Problemen. Entweder sei ihm das Anlegen an den attraktiven Stegen der Konkurrenz komplett verweigert worden oder es würden so hohe Gebühren erhoben, dass es sich nicht lohne. „Es gibt seit Jahren die gleichen Reedereien, die die Stege unter sich aufteilen und diese untereinander ausdealen“, sagt Lindner dem rbb. Man brauche einen attraktiven Steg um dabei zu sein. Er beschreibt ein Tausch-Prinzip nach dem Motto: Du willst bei mir anlegen, dann will ich bei dir anlegen. Aber Lindner hat keinen Steg in attraktiver Lage, um an einem solchen Tauschhandel teilnehmen zu können.
Die Stern und Kreisschifffahrt weist die Vorwürfe, Marktneulingen, insbesondere solchen mit Elektrobooten würde der Zugang zu den attraktiven Stegen verwehrt, auf rbb Anfrage allerdings zurück. Allen Fremdanbietern sei das Anlegen mit Fahrgastschiffen grundsätzlich möglich, die Gebühren, die Stern und Kreis dafür verlange, seien marktüblich und das Antriebssystem spiele keine Rolle, teilt Geschäftsführer Andreas Behrens mit. Nur der eigene Fahrbetrieb schränke die Nutzung der Anleger durch andere ein. Rund 90 Abfahrten hat Stern und Kreis pro Tag nach eigenen Angaben, an 90 Anlegern.
Berlin verweist auf Bundesbehörden
Wer in Berlin einen Steg bauen möchte, muss schnell sein und braucht die Genehmigung mehrerer Behörden. Die Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr, genauer die Wasserbehörde, muss ihr Okay geben, vor allem aber die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Das Land Berlin darf dabei nach eigenen Angaben nur die wasserrechtlichen Aspekte prüfen, es darf keine Auflagen, wie beispielsweise die Nutzung durch Elektroschiffe verlangen. Den eigentlichen Nutzungsvertrag vergibt die Bundesbehörde. Sind diese einmal ausgestellt, verlängern sich die Verträge in der Regel von Jahr zu Jahr, sofern sie nicht aktiv gekündigt werden. Die Stegflächen kommen so nur in Ausnahmefällen noch mal auf den Markt.
Der Senat schiebt die Verantwortung für das Dilemma in der Fahrgastschifffahrt also zum Bund. Sowohl für verpflichtende Auflagen in Sachen Umweltschutz als auch für die endgültige Vergabe der Stegflächen. Es wäre interessant zu wissen, was die Bundesbehörde zum möglichen Machtmissbrauch der Reedereien und vor diesem Hintergrund zu ihrer bisherigen Vergabepraxis sagt. Leider war die Pressestelle des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Spree-Havel für rbb24 am Donnerstag und Freitag weder telefonisch noch per Mail zu erreichen.
Eine Elektro-Zapfsäule mit Steg kommt, aber die reicht nicht
Immerhin: Wenn alles nach Plan läuft, hat Luis Lindner bald einen eigenen Steg mit Schnellladestation. Die Ladestation für den Steg werde derzeit schon gebaut, sagt Lindner. Im Nordhafen setzt er nun Pläne um, die eigentlich mal für den Humboldthafen gedacht waren. Direkt am Berliner Hauptbahnhof, also in touristisch guter Lage, wollte Lindner seinen ersehnten Steg mit Elektroladesäule bauen. Aber hier kam ihm vor Jahren die Stern und Kreisschifffahrt zuvor. Sie beantragte einen Steg. Der wurde allerdings nicht genehmigt, unter anderem weil die Baustelle der neuen S-Bahnlinie 21 Vorrang hatte. Erstmal gibt es also gar keinen Stegbau im Humboldthafen, weder für Lindner, noch für die Stern und Kreissschifffahrt.
Der Nordhafen ist eine Notlösung und was Lindner immer noch sucht und braucht, ist ein Steg im Innenstadtbereich, also dort, wo Touristen spontan in Boote steigen. Ohne einen solchen könne er kein rentables Geschäft aufbauen, sagt er. Die Station im Nordhafen sei nur zum Laden und Parken gedacht. Lindner hofft deshalb auf eine baldige Entscheidung von der Landeskartellbehörde, zu große Hoffnungen sollte er sich da allerdings nicht machen. Darüber, wie lange das Ermittlungsverfahren der Landes noch dauern soll, konnte die zuständige Senatsbehörde für Wirtschaft auf rbb-Anfrage keine Angabe machen.
Auch mit der zuständigen Senatsverwaltung sei er wieder im Austausch, berichtet Luis Lindner. Gespräche in dieser Woche seien aus seiner Sicht "sehr positiv" verlaufen. Allein: Die scheint ja wenig für ihn tun zu können, weil die Entscheidenden Gesetze und Genehmigungen von Bundesbehörden erlassen werden, wie das Land Berlin selbst erklärte.
Lange kann Lindner nicht mehr gegen die Marktriesen ankämpfen
Für Luis Lindner steht nur fest: Ewig kann er sich den Streit mit den etablierten Reedereien aber nicht mehr leisten. In einer der nächsten Saisons bräuchte er Stegzugang in guter Lage, sonst droht seinem Projekt das aus, befürchtet er.
In diesem Sommer wird die Fitzgerald wohl noch keine Touristen an den Hotspots in Mitte einsammeln dürfen. Lindner sagt, die großen Reedereien würden nichtmal mehr mit ihm reden. Die Stern und Kreis wollte sich zum Streit mit Herrn Lindner nicht äußern. Der Reederverband, in dem viele der übrigen Marktteilnehmer organisiert sind, reagierte gar nicht auf eine Anfrage des rbb zum Thema. Auch von ihm scheint aber wenig Hilfe zu erwarten zu sein. Dem Bericht des "Spiegels" zufolge gehört dessen Präsidenten eine große Dieseltankstelle in der Stadt.