Neue Regeln für unpünktliche Schüler - Wer zu oft zu spät kommt, den bestraft das Schulamt

Mo 28.10.24 | 15:39 Uhr
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Symbolbild: Maedchen mit einem Springseil auf dem Schulhof in Berlin. (Quelle: imago images/Teich)
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Audio: rbb24 Radio Fritz | 28.10.2024 | Burkhardt, Luise | Bild: imago images/Teich

Zu lange auf dem Schulhof Seil gehopst? Verpennt? Auf dem Flur gequatscht und fünf Minuten zu spät in der Klasse? Berliner Schülern, denen das öfter passiert, drohen laut einer neuen Verordnung härtere Strafen. Sie sollen gegen Schulverweigerung helfen.

  • Neue Verordnung der Senatsbildungsverwaltung regelt Versäumnisse
  • Nach zwei Verspätungen: jede noch so kurze Verspätung gilt dann als Fehlstunde
  • Sechs Fehlstunden summieren sich zu einem Fehltag
  • Nach fünf Fehltagen ergeht ans Schulamt eine "Schulversäumnisanzeige"
  • Verwarnungen, Anhörungen, Bußgeldverfahren sind dann die Maßnahmen des Amtes

Bei Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig zu spät zur Schule kommen, sollen Lehrkräfte jetzt streng vorgehen. Seit Schuljahresbeginn gilt in Berlin eine überarbeitete Verordnung der Senatsbildungsverwaltung zur Schulpflicht, die auf unpünktliches Erscheinen von Schülern reagiert. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" berichtet.

Wer sich schon zweimal verspätet hat, bekommt ab dann für jede weitere noch so kurze Verspätung eine Fehlstunde eingetragen. Diese Fehlstunden werden dann zusammengezählt. Im Regelfall gelten sechs einzelne unentschuldigte Fehlstunden als ein Fehltag. Bei fünf Fehltagen wird dann das Schulamt mithilfe einer "Schulversäumnisanzeige" informiert. Die Maßnahmen, die das Schulamt ergreifen kann, gehen von Verwarnungen, Anhörungen über Bußgeldverfahren bis hin zu zwangsweisen polizeilichen Zuführungen zur Schule.

Ausnahmen nur bei "höherer Gewalt"

Ausnahmen gibt es, wenn das Fehlen zum Beispiel durch Störungen im Bus- und Bahnverkehr, also höherer Gewalt, zu erklären ist. "Die Anpassung der Regelung dient dazu, eine fachliche Lücke zu schließen und mehr Klarheit zu schaffen", sagte Bildungsverwaltungssprecher Martin Klesmann. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" über das Thema berichtet.

"Häufiges Zuspätkommen wurde bisher nicht ausreichend in Schulversäumnisanzeigen berücksichtigt, obwohl es ein Anzeichen für schulfernes Verhalten oder beginnende Schuldistanz sein kann", erläuterte Klesmann. "Daher werden künftig neben unentschuldigten Fehltagen und Fehlstunden auch wiederholte Verspätungen in Schulversäumnisanzeigen einbezogen." Das Ziel sei, auf diese Weise präventiv gegen mögliche Schulverweigerung vorzugehen.

Außerdem sollen Schulen bei Grundschülern ab dem fünften unentschuldigten Fehltag im Schulhalbjahr prüfen, ob wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung Kontakt mit dem Jugendamt aufzunehmen ist. Bei älteren Kindern gilt das ab dem elften Fehltag.

Schulen wollen individuell prüfen

Der bisherige Automatismus, Jugendämter und die Schulpsychologie bei sogenannten schulfernen Kindern automatisch zu beteiligen, sei von den beteiligten Behörden, insbesondere Schul- und Jugendämtern, kritisch hinterfragt worden, so der Sprecher weiter. "Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es effektiver ist, wenn die Schule den individuellen Fall zunächst selbst prüft." Das entlaste die beteiligten Institutionen und erlaubt es ihnen, sich auf Fälle zu konzentrieren, bei denen ihre Unterstützung wirklich notwendig sei.

Sven Zimmerschied von der Vereinigung der Sekundarschulleitungen sieht die Aufgabe ebenfalls bei den Schulen, abzuwägen, wo es "sinnig" ist, Maßnahmen zu ergreifen. Dreh- und Angelpunkt sei aber, dass die Regelungen "nicht nur auf dem Papier stehen" sondern Schulämter bei Versäumnisanzeigen auch reagieren. Hier sei die Praxis je nach Bezirk unterschiedlich.

Diese neue Handhabung wurde nach Beobachtung von Lehrern und Elternvertretern in vielen Schulen bislang noch nicht umfassend kommuniziert. Auch Landeselternsprecher Norman Heise hat den Eindruck, dass die Regelung in vielen Klassen noch nicht angekommen ist. Grundsätzlich findet der Landeselternsprecher es aber richtig, dass mehr passiert, um einer beginnenden Schuldistanz entgegenzuwirken. Nötig sei aber "Fingerspitzengefühl" der Lehrkräfte, damit nicht die Falschen getroffen würden, betont er. Es mache einen Unterschied, ob das Zuspätkommen der Beginn einer Schuldistanz sei oder andere Gründe vorlägen.

Landesschülerausschuss reagiert mit Unverständnis

Ablehnend reagiert dagegen der Landesschülerausschusses (LSA). Gerade in der Oberstufe gebe es viel "Unverständnis", sagt der LSA-Vorsitzende Orcun Ilter.

Bei der Einstufung von Fehlzeiten hänge viel vom Verständnis der jeweiligen Lehrkraft ab. "Die soziale Situation von Schülerinnen und Schülern wird nicht immer berücksichtigt", so Ilter. Statt Sanktionen brauche es mehr Unterstützungsangebote bei Problemen. Der Landesschülersprecher kann sich auch vorstellen, dass ein späterer Unterrichtsbeginn um 8.30 oder 9 Uhr in dem einen oder anderen Fall helfen könnte.

Vorschrift seit 1. August in Kraft

Lehrer müssen laut den Ausführungsvorschriften "Schulbesuchspflicht" zudem ab dem ersten unentschuldigten Fehltag Kontakt zu den Eltern aufnehmen und diesen dokumentieren. Schulen haben die Möglichkeit, bei "begründeten Zweifeln" ein ärztliches Attest zu verlangen. Eltern sind aufgefordert, bei längerem Fernbleiben vom Unterricht spätestens ab dem dritten Tag mitzuteilen, wann ihr Kind voraussichtlich wieder zur Schule kommen wird. Außerdem müssen die Erziehungsberechtigten dem Kind eine schriftliche und unterschriebene Erklärung mitgeben, wenn es länger gefehlt hat und wieder zur Schule kommt.

Die neue Vorschrift wurde bereits vor einem halben Jahr an die Schulen verschickt und trat am 1. August in Kraft.

Sendung: Fritz, 28.10.2024, 14:30 Uhr

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40 Kommentare

  1. 40.

    Wenn sich an den Schulen eine neue und überlegene Kultur etabliert hat, dann muss oder darf man dem nicht im Wege stehen. Im Prinzip eine Weiterentwicklung der antiautoritären Erziehung. Pünktlichkeit ist auch ein Relikt und eine Eigenschaft aus alten Zeiten, die heute beim fast abgeschlossenen Umbau der Gesellschaft nicht mehr relevant ist.

  2. 39.

    Genau. Immer sind äußere Einflüsse schuld und niemals die zukünftigen Nobelpreisträger.

  3. 38.

    Fast genauso funktioniert die Logik. Beim Verpennen würde ich es vermutlich ganz genauso machen. Wenn man zu spät aus der Pause kommt, klappt das leider nicht. (Im Arbeitsleben hieße das: Zu spät im Meeting erschienen, volle Stunde abgezogen, aber trotzdem Arbeitspflicht für diese Stunde - da wüsste ich, was Betriebsrat und Arbeitsgericht dazu zu sagen hätten). Der einzige Unterschied ist aber von der Logik her: Für die Schulversäumnisanzeige wird jede Verspätungssekunde als Fehlstunde herangezogen: für die Fehlzeiten auf dem Zeugnis werden aber nur tatsächliche Schulstunden mit Abwesenheit gezählt. Alles sehr kurios.

  4. 37.

    Wer nüscht lernen will, kann auch zu Hause bleiben, Ihr Mecker-Helden!

  5. 36.

    Das ist ja schön usw, nur können viele Berliner Schulen seit Beginn des schuljahres keine Schulversäumnisanzeigen mehr schreiben. Es gibt zur Zeit Fehler im System.

  6. 35.

    Wer soll das gegen renitente Eltern oder Schüler dann durchsetzen?

  7. 34.

    Ich finde diese Maßnahme sehr positiv so werden unsere Kinder und Jugendliche zur Pünktlichkeit erzogen was sie im späteren Leben wichtig ist.
    So geht man auch Unterrichtunterbrechungen aus dem Weg wegen Zuspätkommer.

  8. 33.

    ich habe auch eine Idee; Wieso schicken wir die 1-5 Klasse nicht von 8 Uhr bis 13 Uhr in die Schule und die 5-13 Klasse an der selben Schule von 13Uhr bis 19 Uhr das spart uns den Neubau von Schulen.

  9. 32.

    Ich glaube das Ausmaß per se erscheint einfach zu dicke. Es wäre auch mal interessant wie viele Kinder tatsächlich (und in welchem Ausmaß) zu spät kommen. Lohnt sich der Aufwand überhaupt?
    Ich weiß, wir haben es auch immer ohne Probleme pünktlich zur Schule geschafft (na zumindest meistens) aber wäre es nicht doch mal ratsam auf den späteren Unterrichtsbeginn zu gehen? Ich habe Berichte gelesen, wo dieses Modell äußerst gut lief (vor allem in Bezug auf die Konzentration der Kinder) und wo es übernommen wurde. Warum wird sowas hier nicht mal probiert?
    Im Übrigen steht im Text auch das zu spät kommen nach einer Pause. An unserer Grundschule haben die Kinder in einer Ecke das Läuten nicht gehört und kamen zu spät weil die Lehrer sie erst reinpfeifen mussten. Ist es fair diese Kinder zu bestrafen? Wie will ein Schüler nachweisen, dass eine Bahn, ein Bus etc ausgefallen ist?

  10. 31.

    Wie, was? Diktatorisch? Kinder chippen? Wenn man fordert, dass die Kinder (und die Eltern) sich an Pünktlichkeit gewöhnen?
    Können Sie sich an Ihre eigene Schulzeit erinnern, wie war das denn da, konnte da jeder machen, was er wollte?

  11. 30.

    Dann braucht das Amt aber jede Menge neue Kräfte die das dann aufarbeiten.

  12. 28.

    DIe Spinnen, die Römer!

    Stau, BVG zu spät/fällt aus, glatte Straßen, gefährliche Radwege, und das ganze um ein mehr an Gruppengewalt, Mobbing und z.T. unfaire Lehrer zu erleben, die bestimmte Kinder (die sie nicht leiden können) vor ganzer Klasse fertigmachen, ins lächerliche Ziehen, oder auf andere Art und Weise erniedrigen!

    Gestaltet, die Konsumentengleichmachungsanstalt gefälligst so, das Kinder da gerne hingehen, und legt den Fokus auf Persönlichkeitsentwicklung!

  13. 26.

    Bei dem vorgesehenen Procedere höre ich schon den Amtsschimmel wiehern. Was für eine intellektuelle Heldentat!

  14. 25.

    "Wer zu oft zu spät kommt, den bestraft das Schulamt"
    Äh...??? Kinder oder Jugendlich in der Schule bestrafen? Das ist ein Widerspruch in sich. Kinder und Jugendliche dürfen in der Schule gar nicht bestraft werden. Gibt ja nicht mal schlechte Zensuren für schlechte Leistungen. Kinder und Jugendliche kennen das Wort Strafe gar nicht.

  15. 24.

    Also wenn ich jetzt schon 2 verspätungen hätte und 5 min verpenne wüsste ich was ich mache: mich nochmal umdrehn und zur zweiten kommen.. ist ja schliesslich eh schon ne fehlstunde dann kann ich mir die auch gönnen.
    Dem bildungsauftrag wird so ganz sicher nachgekommen

  16. 23.

    Dann bitte aber auch dafür sorgen, dass BVG und S-Bahn pünktlich fahren und nicht, wie insbesondere in den letzten Monaten, nach Gusto, angeblich nach Mitarbeiterverfügbarkeit. Schüler haben da in der Regel keine Alternative.

  17. 22.

    Oh, dafür wäre ich auch! :-) Um im Vergleich beim Schulthema zu bleiben: Im Schnitt fällt zumindest an der öffentlichen Schule meines Sohnes über den Daumen zusammengerechnet ein Schultag durch Abwesenheit der Lehrer aus. Plus diverse Stunden, die wegen "Vertretung" nur auf dem Papier stattfinden. Teilweise gibt es wochenlang keinen Sport- oder Physikunterricht wegen Fachkräftemangel und Erkrankung des einzig fachlich befähigten Lehrers. Da könnte man fast monatlich eine "Schulabwesenheitsanzeige" raushauen, nur in umgekehrter Richtung. Anders herum werden 10 Sekunden Verspätung als "Fehlstunde" eingetragen (damit müsste mir mal mein Arbeitgeber kommen ...), und das sieht dann in der Auflistung beim Elternsprechtag aus, als wäre das Kind nie anwesend.

  18. 21.

    Die Idee, aus Verspätungen Fehlstunden zu generieren, ist aus pädagogischer Sicht (Ziel: mehr Pünktlichkeit) zu begrüßen, aber rechtlich fragwürdig (5 Minuten zu spät ist halt keine 45-minütige Verspätung). Außerdem könnte es dazu führen, dass Lernende, die früh nur wenige Minuten zu spät wären, direkt eine ganze Stunde zu spät kommen, zählt ja eh als versäumte Stunde. Insofern muss man dann diese Idee später einmal evaluieren (Wirklich weniger Verspätungen während des Unterrichts? Oder gar mehr tatsächliche Fehlstunden?).

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