Legalisierung im April - Verstöße gegen Cannabis-Gesetz werden in Berlin später geahndet

Di 29.10.24 | 14:18 Uhr | Von René Althammer, rbb24 Recherche
  34
Symbolbild: Mann raucht bzw. kifft einen Joint aus Cannabis. (Quelle: dpa/Bihlmayer)
Audio: Fritz vom rbb | 29.20.2024 | Luisa Burkhardt | Bild: dpa/Bihlmayer

In Berlin werden Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz bislang nicht geahndet. Die Polizei sammelt aber Verstöße für spätere Bußgeldbescheide. Ganz anders sieht es in Bayern aus. Von René Althammer

41 Ordnungswidrigkeiten wegen Kiffens in sogenannten "Konsumverbotszonen" hat die Berliner Polizei seit dem 1. April dieses Jahres aufgenommen. Hinzu kommen noch weitere 32 Ordnungswidrigkeiten wegen anderer Verstöße gegen das Konsumcannabisgesetz (KCanG), das am 1. April in Kraft trat. Das teilte die Polizei rbb24 Recherche auf Anfrage mit.

Die Polizeibeamten haben das neue Gesetz ernst genommen, auch wenn bislang, knapp sieben Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, nicht geklärt war, wer die Ordnungswidrigkeits-Anzeigen eigentlich weiter bearbeiten soll. Auch einen Bußgeldkatalog, an dem es in den vergangenen sieben Monaten ebenso mangelte, gab es bislang nicht.

Kiffen nicht legal vor Schulen, Kitas, Sportstätten, Spielplätzen

Doch wer in Berlin in Sichtnähe von Kinderspielplätzen, öffentlichen Sportstätten oder Schulen und Kitas beim Kiffen erwischt wurde, sollte nicht darauf hoffen, dass er ungeschoren davonkommt. Die Verjährungszeit liegt bei bis zu drei Jahren, weil Verstöße gegen das KCanG mit Geldbußen von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können. So steht es zumindest im Bundesgesetz.

Die Berliner Landesregierung hat also noch etwas Zeit – die Kiffer müssen etwas länger bangen. Und die Berliner Polizisten machen im Ernstfall wahrscheinlich einfach weiter wie bisher: Die Anzeigen werden bei den örtlich zuständigen Polizeidirektionen gesammelt, wie es seitens der Pressestelle heißt.

Neun Fälle in Brandenburg gemeldet

In Brandenburg ist die Umsetzung des Gesetzes dagegen schon länger klar geregelt: Neun Fälle wurden dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) bislang von Polizei- und Ordnungsbehörden sowie Staatsanwaltschaften gemeldet.

Die Zuständigkeit des LAVG sei bereits Ende Juni geklärt worden, teilte das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz dem rbb mit.

Bundesweit scheint man sich bislang am wenigsten in Thüringen und Niedersachsen für die Umsetzung des KCanG zu interessieren, wie eine Umfrage von rbb24 Recherche ergab. Bislang, schreibt die Pressestelle des Landeskriminalamtes, "gibt es in Thüringen weder eine zuständige Verfolgungsbehörde noch einen gültigen Bußgeldkatalog" und auch keine Statistik.

Auch in Niedersachsen fehlt es bislang noch an einer "Zuständigkeitsverordnung". Dann sollen, wie bei anderen Ordnungswidrigkeiten auch, die Kommunen übernehmen. Der Entwurf solle "zeitnah in die Verbandsanhörung" kommen, schreibt das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Fallzahlen gibt es keine.

In Mecklenburg-Vorpommern fehlt nach Auskunft des Landeskriminalamts aktuell noch eine Landesverordnung "zur Durchführung des KCanG und der damit einhergehenden Regelung zur Festlegung der zuständigen Behörden zur Verfolgung und Ahndung". Aber Polizei und Ordnungsbehörden scheinen sich nicht daran zu stören. Die Polizei hat bislang 28 Anzeigen aufgenommen.

Berlin zählt bundesweitz zu "Spitzenreitern" bei Cannabis-Verstößen

In Bayern hingegen mit seinen gut 13,4 Millionen Einwohner gibt es 823 Anzeigen und klar geregelte Zuständigkeiten: "84,3 Prozent der erfassten Vorgänge sind bereits polizeilich abgeschlossen und wurden an die jeweilige Verfolgungsbehörde abgegeben", schreibt die Pressestelle. In allen anderen Bundesländern ist zumindest geklärt, wer zuständig ist: Polizei, Ordnungsbehörden der Kommunen oder die Landkreise.

Wie oft es bislang zu Verstößen kam, wird jedoch nicht überall komplett statistisch erfasst. Nach Bayern folgen im Ranking (absolut) Rheinland-Pfalz (76), Sachsen (65) und Hamburg (59). Berlin liegt mit den 77 Fällen also unter den Spitzenreitern. Die weiteren Länder, die auf die Anfrage von rbb24 Recherche Zahlen nannten, sind Sachsen-Anhalt (17 Fälle), Bremen (15) und das Saarland (8).

Berliner Bezirken fehlt Personal

Staatssekretärin Ellen Haußdörfer (SPD) machte am Dienstag auf der Senatspressekonferenz deutlich, wie es in Berlin jetzt weitergeht: Ordnungswidrigkeiten wie Kiffen in den Verbotszonen sollen durch die Bezirke verfolgt werden. Nach Aussage der Staatssekretärin seien die Bezirke schon jetzt dafür zuständig, allerdings solle es trotzdem noch eine weitere Rechtsverordnung geben, die eine "Klarstellung" und "eindeutige Zuordnung" enthalten soll.

Der rbb hat bei den Bezirken nachgefragt, ob sie sich den neuen Aufgaben gewachsen sehen. Die Antworten lassen vermuten, dass es mit der Umsetzung des Gesetzes noch ein wenig dauern wird.

Die einwohnerstärksten Bezirke Pankow (424.307 Einwohner) und Mitte (397.279 Einwohner) haben nahezu wortidentisch darauf hingewiesen, dass sie davon ausgehen, dass für "für neue und mehr Aufgaben auch mehr Personal" bereitgestellt wird. Alles andere würde bedeuten, dass "die Dienstkräfte des Ordnungsamtes nicht ausgelastet" wären und auf zusätzliche Aufgaben "warten" würden, schreiben die Pressestellen.

Friedrichshain-Kreuzberg verfügt nach eigener Aussage nicht "über geschultes Personal zur Überwachung der Regeln" und weist – wie auch Tempelhof-Schöneberg - auf fehlendes Personal hin. In Köpenick macht man allen, die sich nicht an die Regeln halten, Hoffnung: "Aufgrund der fehlenden Bereitstellung von zusätzlichen personellen Ressourcen … ist zu erwarten, dass die Verfolgung der Verstöße zum Konsumverbot keinen Schwerpunkt darstellen wird."

Fast unisono weisen die Bezirksämter auch darauf hin, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (SenWGP) zwar derzeit die Rechtsverordnung vorbereite und dazu in der Abstimmung mit der Senatskanzlei sei. "Eine Abstimmung mit dem Ordnungsamt" sei jedoch nicht erfolgt, bemängelt nicht nur Charlottenburg-Wilmersdorf. Aus Steglitz-Zehlendorf wird noch ergänzt, dass "Einstellung und Schulung" neuer Mitarbeiter nicht von einem auf den anderen Tag gehen würde. Man gehe davon aus, dass dies auch der Gesundheitsverwaltung und der Senatskanzlei klar sei und "für ein effizientes Verwaltungshandeln die entsprechenden Stellenprofile und Stellenbewertungen für das neue Personal direkt mit erarbeitet werden".

Ganz überraschend sind die Antworten wohl nicht, denn Staatssekretärin Haußdörfer wies während der Pressekonferenz auch darauf hin, dass man jetzt erstmal sehen müsste, wie hoch der Aufwand sei und wo man personell noch nachsteuern muss. Es kann also alles noch dauern. Die Berliner Polizisten sind darauf sicherlich eingestellt und können ihre Anzeigen ja wie gewohnt einfach weiter in den "Sammelboxen" der Direktionen ablegen.

Sendung: Fritz vom rbb, 29.10.2024, 10:30 Uhr

Beitrag von René Althammer, rbb24 Recherche

34 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 33.

    Warum ist Zigaretten rauchen und Alkoholkonsum vor Kindern und Spielplätzen denn eigentlich noch erlaubt? Wenn dann sollten alle Drogen gleich behandelt werden!

  2. 32.

    Es fehlt nicht an Geld in dieser Stadt. Das Geld wird nur für die falschen Dinge ausgegeben. Im Übrigen sieht man auch an den sinnlosen Gesetz wieder, dass es nur dazu führt, dass die öffentliche Verwaltung aufgebläht wird, was wiederum völlig unnötig Geld kostet.

  3. 31.

    Intolerant? Können Sie das irgendwie erläutern? Ich nehme nämlich lauter (gelegentliche) Alkoholkonsumenten war, die gegen die Cannabis-Legalisierung wettern, aber so gut wie keine Cannabis-Konsumenten, die ein Alkoholverbot fordern.

  4. 30.

    Entspannt euch, denn wer kiffen will, schafft es mit und ohne Verordnung. Alkohol saufen und Nikotin machen auch enorm süchtig. Diese Drogen sind gesundheitsschädlich wie es Langzeitstudien zeigen. Wer es braucht sollte es seiner Krankenkasse mitteilen, damit Nichtkonsumenten von schädlichen Stoffen und Gesunde Lebensweise in eine bessere Beitragsstufe gelangen.

  5. 29.

    16.Turgor.
    Eine klasse Idee. Sehr gut gekontert. Ich muß immer noch kichern. :-)))

  6. 28.

    Bei Rauchern gebe ich Ihnen Recht. Auch so ein Gestank. Ich hab eben andere Erfahrungen mit Kiffern. Von wegen entspannt. Intolerant trifft es eher.

  7. 27.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 11:44

    In welcher Gegend wohnen sie denn? Keine Lust alleine zu kiffen :)

  8. 26.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 12:31

    Dass ich negative Erfahrungen mit aggressiven Alkoholkonsumenten gemacht habe, dass Sie nicht das Recht haben zu entscheiden, was für andere Menschen Kultur ist und was nicht und dass ich Kiffer kenne, die sich nicht automatisch mit dem linken Politikspektrum identifizieren, liegt also daran, dass ich nicht dort wohne wo Sie wohnen? Erläutern Sie mir bitte diese Logik! Woher wollen Sie überhaupt wissen wo ich wohne? In meinem Haus lebt ein Alkoholkonsument, der regelmäßig seine Lebensgefährtin zusammenbrüllt und handgreiflich wird. Die Bewohner der Kiffer-WG im Nebenhaus sind die freundlichsten und ausgeglichensten Menschen in der Straße, stets hilfsbereit und ein Lächeln auf den Lippen. Unangenehme Gerüche entstehen hier (meiner Empfindung nach) nur durch die Raucher, die gerne mal vergessen zu lüften, wodurch Dunst ins Treppenhaus kriecht oder durch den Frauenschläger, dessen Fahne man noch riecht wenn man Minuten nach ihm durch das Treppenhaus geht. Passen Sie mal Ihren Tonfall an!

  9. 25.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 12:31

    Alkohol und Nikotin stinken übrigens auch....

  10. 24.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 11:44

    Sie schreiben:"Alkohol ist Kulturgut und gehört zu jeder Feier dazu". Tolles Argument! Ein "Kulturgut", das direkt vor der Kita konsumiert werden darf und das tausende Tote im Verkehr verursacht hat.

  11. 23.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 12:31

    Zeigen Sie eine Gegend, in der nicht gekauft wird. In der Regel sind Kiffer ruhige Menschen, die mit dem Zeug umgehen können und es zum Teil zur Schmerzbekämpfung einsetzen.

  12. 22.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 12:31

    Den Geruch ziehe ich allemal dem Verhalten von Alkis vor, die riechen meistens außerdem auch nicht gerade gut.

  13. 21.
    Antwort auf [Bierchen ] vom 29.10.2024 um 11:44

    Also mir sind ruhige Kiffer bedeutend lieber als Besoffene, die viel eher laut und aggressiv werden...
    Die wahre Einstiegsdroge ist Alkohol, aber der ist legal...
    Kiffen ist für Kinder und Jugendliche gefährlich. Das ist Alkohol aber erst recht.

  14. 20.

    Wird bei euch erst ab 18 Uhr gekifft? Komisch bei uns nutzen z . B. die Berufsschüler*innen die Pausen und kiffen vor der Tür gegenüber von der Kita.

  15. 19.

    Es fehlt an Geld in dieser Stadt und solche Anzeigen werden nicht bearbeitet wo diese Strafgelder doch Geld in die Stadtkasse bringen würde.
    Als Steuerzahler frage ich mich wieso diese Straftaten nicht bearbeitet werden.

  16. 18.

    „Einfach mal Leben und Leben lassen“
    Das gilt in beide (!) Richtungen. Sonst ist es arrogant anmutend.
    Wenn auch „mein Leben“ nicht „gelassen“ bzw. beeinträchtigt wird? Ähnlich dem Krach/Lärm...

  17. 17.

    Das ist einfach schlichtweg falsch. Laut Bundesgesetz ist die Weitergabe, Ein- und Ausfuhr verboten. Darüber kann sich auch die Haltung und Umsetzung Berlins nicht hinwegsetzen. Im Artikel geht es um den Konsum, der unter gewissen Umständen eine Ordnungswidrigkeit, in seltenen Fällen eventuell auch eine Straftat darstellen kann - hat also nichts mit Handel zu tun. Warum Sie dann noch irgendwelche Abschiebe-Schwurbelei mit in Ihre "Argumentation" einfließen lassen, wiederzieht sich meinem Verständnis und gibt Anlass Ihren Beitrag noch viel weniger ernst zu nehmen.

  18. 16.

    Was soll das alles? Wo der Konsum von Alkohol und das Rauchen gestattet ist, muss auch der Konsum von Cannabis erlaubt sein. Dann bitte konsequent handeln und auch in diesen Gebieten Tabak- und Alkoholkonsum als OWi ahnden. Alles andere ist vollkommen überzogen, es wird mit zweierlei Maß gemessen und sorgt nur mehr für die Unbeweglichkeit der Berliner Behörden. Einfach mal Leben und Leben lassen, das sind keine Kriminellen.

  19. 15.

    Hallo Matzes, ich habe in Ihren Text mal die "Bekifften" durch "Besoffene" ersetzt:
    "Diese Regelung ist offensichtlich typisch für die derzeitige Situation in vielen Bereichen. Wir schaffen Gesetze, an die sich viele Menschen nicht halten, aber die Bestrafung regeln wir später. Wie soll hier Ordnung geschaffen werden??? Die Besoffenen fahren durch die Gegend, mit dem Dreck wird weiterhin legal und illegal gehandelt und der Staat schaut zu, weil wieder einmal nichts geregelt ist. Mein Dank an die Verantwortlichen die solche Dinge beschlossen haben."
    Finden Sie nicht auch das passt?

Nächster Artikel