82 Jahre nach dem Tod - Nachfahre ermordeter jüdischer Sportlerin erhält Bücher zurück

Di 29.10.24 | 21:57 Uhr
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Die Historikerin und Provenienzforscherin Irena Strelow (l) zeigt Marc Mendelson (M), Nachfahre der Sportlerin Lilli Henoch, und dessen Ehefrau Sybille Knobloch (r) vor Beginn einer Veranstaltung in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin historische Bücher der Sportlerin (Quelle: dpa / Soeren Stache).
Bild: dpa

Bücher aus dem Besitz der von den Nazis ermordeten jüdischen Spitzensportlerin Lilli Henoch (1899-1942) sind am Dienstag in Berlin einem Nachfahren zurückgegeben worden. Sie stammen aus einem Bestand, der in der Nachkriegszeit in der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg gefunden wurde. Henoch war als mehrfache Leichtathletik-Weltrekordlerin ein Sportstar ihrer Zeit.

Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts an der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt recherchieren Fachleute seit geraumer Zeit zur Herkunftder Bücher und ermitteln ihre ursprünglichen Eigentümer und mögliche Rechtsnachfolger. Gefördert wird das Projekt vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste, der Moses Mendelssohn Stiftung Berlin und dem Unternehmer Manfred Wolff, wie es bei der Buchübergabe in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin hieß. Henochs Nachfahre Marc Mendelson hat die Geschichte seiner Familie selbst erforscht und engagiert sich mit einem Geschichtsverein für das Gedenken an die Opfer [zwangsraeume.berlin].

Lilli Henoch - ein Sportstar ihrer Zeit

Lilli Henoch stammte aus Königsberg und trainierte ab 1919 beim Berliner Sport-Club (BSC). Als Leichtathletin, aber auch als Hockey- und Handballspielerin feierte sie bis 1926 zahlreiche Erfolge. So wurde sie insgesamt zehnmal deutsche Meisterin im Diskuswurf, Kugelstoßen, Weitsprung und der 4-mal-100-Meter-Staffel. Sie stellte in einigen der Disziplinen auch mehrere Weltrekorde auf.

Später war Henoch beim BSC in leitender Funktion tätig, 1933 wurde sie ausgeschlossen. Trotz Angeboten aus dem Ausland, um dort als Trainerin zu arbeiten, blieb Lilli Henoch in Deutschland. Sie unterrichtete als Turnlehrerin an der jüdischen Volksschule in der Rykestraße. Im "Jüdischen Turn- und Sportclub 1905" trainierte sie eine erfolgreiche Handballmannschaft. Zuletzt lebte sie mit ihrer Mutter Rose in der Kleiststraße 36. Im September 1942 wurde die beiden von den Nazis in einem Zug bis kurz vor Riga deportiert. Sie sollten in das Ghetto der Stadt gebracht werden, erreichten dieses jedoch nie. Etwa acht Kilometer vor Riga führten deutsche Soldaten die Insassen des Zuges in ein Waldgebiet und erschossen sie alle.

Im Prenzlauer Berg wurde in den 1990er Jahren eine Straße nach Lilli Henoch benannt. In Kreuzberg trägt ein Sportplatz ihren Namen, in der Spreewald-Grundschule in Berlin-Schöneberg eine Turnhalle. Ihr Berliner Nachfahre Marc Mendelson nahm ihre Bücher am Dienstag entgegen, 82 Jahre nach den Morden an seiner Stief-Urgroßmutter und -Großmutter.

3 Kommentare

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  1. 2.

    Das berührt tatsächlich.
    Aber wieso haben "wir alle Schuld"?
    Insbesondere diejenigen, die's gar nicht miterlebt haben, weil sie damals noch Kinder oder noch gar nicht geboren waren?
    Sind alle diejenigen jetzt quasi zum lebenslänglichen Sich-Schuldig-Fühlen für etwas verpflichtet, was sie gar nicht begangen haben?

  2. 1.

    Das berührt! Wie haben alle Schuld.

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