Lange Reparaturen von Fahrstühlen - Wenn "defekt" zum Dauerzustand wird

Mo 23.01.23 | 09:48 Uhr | Von Laura Wolf
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Symbolbild: Knopf eines defekten Aufzugs (Quelle: imago/Angerer)
Video: Super.Markt | 23.01.2023 | Laura Wolf | Bild: imago/Angerer

Mehr als die Hälfte der bundesweit 650.000 Fahrstühle weist Mängel auf. Vor allem für Ältere und Menschen mit Einschränken sind defekte Fahrstühle eine erhebliche Lebenseinschränkung. Viele müssen wochenlang auf Reparaturen warten. Laura Wolf

Es ist ein oft wiederkehrender Alptraum in Berliner Mietshäusern: Der Aufzug streikt. "Defekt" heißt es teils monatelang zum Beispiel bei Michael Nagel. Seit 2015 lebt Nagel in einer Seniorenwohnanlage in Berlin-Wedding. Der 53-Jährige ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Um die fünfte Etage des Hauses verlassen zu können, braucht er den Fahrstuhl. Allerdings fällt der Aufzug der Wohnanlage immer wieder aus: zuletzt im vergangenen Jahr - vom 24. August bis in den November hinein.

Die Wohnanlage gehört der Hilfswerk-Siedlung GmbH, kurz HWS, einer Immobilienfirma der evangelischen Kirche. Von dieser hätten die Bewohner:innen damals zu hören bekommen, sie sollten doch den Fahrstuhl im Nebenhaus benutzen. Doch der Weg zum verbundenen Nachbarhaus ist nicht barrierefrei: Sechs Treppenstufen sind zu überwinden. "Für jeden Rollstuhlfahrer hier im Haus ist das wie eine schallende Ohrfeige! Ja, so nach dem Motto: 'Krüppel, was wohnst du hier?'", sagt Nagel.

Fahrstuhlreparatur ist Pflichtsache für Vermieter

Dabei sei es so, heißt es vom Berliner Mieterverein, dass Vermieter:innen handeln müssen, wenn ein Aufzug defekt ist, müssen. "Fällt der Fahrstuhl aus, ist es ein Mangel", erläutert Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins gegenüber dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt. "Die Mieter müssen den Vermieter im Zweifel darüber informieren. Und dann ist der Vermieter in der Pflicht, diesen Fahrstuhl wieder zu reparieren." Ein bis zwei Wochen könne man dem Vermieter Zeit für die Reparatur geben; wenn dann nichts passiert sei, könne man die Anfrage wiederholen.

Im Fall von Nagels Seniorenwohnheim habe es so lange gedauert, den Aufzug zu reparieren, da die Planung der Reparatur sehr aufwändig gewesen sei, erklärt die HWS auf Nachfrage des rbb. Ein Defekt am Türantrieb habe den monatelangen Ausfall verursacht: "Für die Reparatur war ein Austausch der Tür und der dazugehörigen Technik notwendig, was eine aufwändige, (auch externe) technische Planung sowie fünfstellige Reparaturkosten bedeutete." Die Arbeiten wurden demnach im September beauftragt, aber erst im November durchgeführt.

"Fahrstuhl des Grauens"

Die HWS betreibt eine weitere Seniorenwohnanlage, ebenfalls im Wedding. Dort ist die Mieterin Kathi Badir vor zweieinhalb Jahren im hauseigenen Fahrstuhl gestürzt. Der Aufzug aus dem Jahr 1975 kam nicht ebenerdig zum Stehen, sondern rund 15 Zentimeter erhöht. Badir verletzte sich am Handgelenk. Die ungewollte Stufe sei ein "sicherheitserheblicher bis gefährlicher Mangel", erklärte der TÜV Rheinland gegenüber dem rbb. Gerade bei älteren Anlagen könne dieser Mangel durch den Antrieb entstehen, dies sei nichts Ungewöhnliches. Nichts Ungewöhnliches vielleicht, aber für Badir steht fest: "Das ist ein Fahrstuhl des Grauens."

2021 sind deutschlandweit rund 650.000 Aufzüge geprüft worden. Davon hatten 2.600 gefährliche Mängel, wie etwa ein ausgefallenes Notrufsystem, große Stufenbildung oder ein verschlissenes Tragseil. Aufzugsexperten gehen zudem davon aus, dass ungefähr die Hälfte der in Deutschland fahrenden Anlagen in die Jahre gekommen ist.

Im jährlichen Wechsel kontrollieren die zugelassenen Überwachungsstellen Aufzüge in einer Zwischen- und Hauptprüfung. Ist eine Anlage sicher, bekommt sie eine Plakette mit dem nächsten Prüftermin. Hat der Aufzug Mängel, müssen diese von einer Wartungsfirma behoben werden. Vermieter:innen müssen dafür sorgen, dass der Fahrstuhl regelmäßig geprüft und gewartet wird.

Stillstand ist kein Ausnahmefall

Ludwig von Busse, Geschäftsführer der Aufzugsfirma Simplifa, zufolge gibt es einige Faktoren, die eine schnelle Mängelbehebung erschwerten. Dazu gehörten beispielsweidr Probleme in der Lieferkette oder Fachkräftemangel. Oft führe beides zu einem längeren Stillstand.

Diesen Stillstand erlebt derzeit auch Hüseyin Ergün, der mit seiner Familie in einem Mietshaus der Howoge in Berlin-Kreuzberg wohnt. Seit Januar 2022, also seit einem Jahr, funktioniert die Anlage hier nicht wirklich. Nach einer Wartung würde sie für ein paar Stunden fahren, dann jedoch erneut ausfallen. Für Ergün, der in der vierten Etage wohnt, erschwert der Lift-Ausfall das Leben enorm.

Im vergangenen Herbst bat Ergün die Howoge in einem Einschreiben, die Miete um zehn Prozent zu mindern. Er erhielt keine Antwort. Allerdings: In der Regel braucht es für eine Mietminderung keine Genehmigung – diese setze man selbst durch, sagt der Berliner Mieterverein. Doch wer zu viel Miete mindert, riskiert im schlimmsten Fall eine Kündigung.

Deswegen rät der Mieterverein dazu, die Mietminderung anzukündigen und die Miete dann unter Vorbehalt zu zahlen. "Dann kann man anhand der dokumentierten Fälle rückwirkend eine angemessene Mietminderungsquote berechnen und diesen Betrag vom Vermieter zurückfordern", erläutert Mietrechtlerin Werner. Üblicherweise wird bei einem defekten Aufzug eine Mietminderung zwischen 5 und 20 Prozent als gerechtfertigt angesehen.

Ab wann kann die Miete gemindert werden?

"Bei zwei Wochen Fahrstuhl-Ausfall würde ich sagen, ist es ein erheblicher Mangel. Und wenn die Wohnung im Vierten oder Dritten liegt, dann denke ich, ist das schon ein erheblicher Mangel", sagt Werner. Sie sehe eine Anfangsminderung von zehn Prozent als gegeben an. Dennoch empfiehlt sie, sich vor einer Mietminderung immer von einem Mieterverein beraten zu lassen oder sich anderweitig Rechtsschutz zu holen, "und nicht einfach loszumindern".

Auf Nachfrage erklärt uns die Howoge, dass sie die Anlage des Kreuzberger Mietshauses im zweiten Halbjahr 2023 komplett austauschen will. Und auch die HWS lässt verlauten, sie wolle die Aufzüge in den Weddinger Wohnanlagen 2023 und 2024 erneuern. Für die Mieter eine unangenehm lange Zeitspanne, bis etwas passiert.

Sendung: SUPER.MARKT, 22.01.2023, 20.15 Uhr

Beitrag von Laura Wolf

20 Kommentare

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  1. 20.

    Was, wenn das Haus ins Ausland verkauft wurde? Man den aktuellen Besitzer nicht kennt? Die Verwaltung in einer anderen Stadt sitzt und nur per Email, in seltensten Fällen per Telefon erreichbar ist? Aber Mieterhöhungen und zweifelhafte Betriebskostenabrechnungen regelmäßig im Briefkasten sind?
    "Erst mit dem Vermieter sprechen" - Super-Idee. Zum Glück gibt es den Mieterverein.

  2. 19.

    "Zumindest von den Redakteuren erwarte ich den fachtechnischen Begriff Aufzug."
    Journalisten müssen nicht in erster Linie Fachbegriffe verwenden, sie müssen vor allem verständlich schreiben, das ist ihre Aufgabe.
    Bei "Fahrstuhl" weiß ebenso jeder, was gemeint ist, also Aufgabe erfüllt. Das Gleiche gilt zum Beispiel für Schraubenzieher oder Glühbirne - klare, verständliche Wörter, versteht jeder.
    Ach so, wir haben noch gar nicht über das Wort "Lift" gesprochen. Fände das denn Ihre Billigung? Sonst dürfte es natürlich kein Journalist schreiben. :-)

  3. 18.

    Kleines Beispiel.......Die Fahrstuhlanlage am Betriebsbahnhof Berlin Rummelsburg.Behinderte im Rollstuhl und Kinderwagen kommen nur über dieser Anlage auf den Bahnsteig.Irgendwie schon eine Ewigkeit außer Betrieb.

  4. 17.

    Dies trifft nur bei einen gesonderten Wohnungsverwaltungsvertrag zwischen Vermieter und Hausverwaltung.
    Selbst dann, wenn die Hausverwaltung nicht handelt, ist für den Mieter der Vermieter der Vertragspartner.
    Der Vertrag zwischen Vermieter und Hausverwalter ist für den Mieter nicht von belang ..

  5. 16.

    @ Frau/Herr Franke, wenn jemand zum Mieterverein geht sind Gespräche mit Verwaltung/Vermieter für gewöhnlich in's leere gelaufen. Meine Besuche beim Mieterverein(zugegebenermaßen waren es nicht allzuviel) begannen immer mit der Frage nach einem Gespräch zwischen mir und dem Verwalter/Vermieter.

  6. 15.

    @ Günter, na dann glätten Sie mal Ihre Nackenhaare wieder und lesen ihren Kommentar nochmal zur Korrektur.
    Fehler passieren überall.

  7. 14.

    In der Regel gehen Mieter erst dann zum Mieterverein, wenn alles andere nicht funktioniert hat. Wie gesagt, habe ich lange genug in einer Mietwohnung auf dem freien Wohnungsmarkt gewohnt und erlebt, wie sich Hausverwaltung und Vermieter aus der Verantwortung stahlen. Konkret hatte es in meiner Wohnung Wasserschäden durch das undichte Dach, Sottflecken an einem stillgelegten Schornstein und marode Fensterrahmen gegeben. Auf meine Hinweise auf die Mietmängel reagierten Verwaltung und Vermieter monatelang nicht. Ich war dann dankbar, dass sich der Mieterverein der Sache angenommen hat. Bei Hausverwaltungen habe ich nicht nur in meinem Fall den Eindruck gewonnen, dass die Mitarbeiter Qualifizierungsnachweise haben, wie sie am besten die lästigen Mieter abwimmeln. Hauptsache die zahlen die Miete pünktlich, ansonsten sollen sie ruhig sein.

  8. 13.

    So ist es leider. Das Haus wurde Ende der 60er Jahre gebaut und scheinbar hat damals daran keiner an den Notfall gedacht oder es spielte keine Rolle, weil die meisten Berliner Häuser zu der Zeit noch überhaupt keinen Aufzug hatten. Ich denke, es wird einige Häuser geben, in denen das der Fall ist.

  9. 12.

    "Das hieß vier Wochen Treppen steigen (Haus hat 13 Etagen)." Mit 13 Etagen gab es nur EINEN Aufzug? Und keinen Übergang zu einem Nachbarhaus?

  10. 11.

    Das ist nicht richtig. Die Hausverwaltung wird von Eigentümer für alle Belange rund um die Vermietung und Instandsetzung eingesetzt und bevollmächtigt. Deshalb ist sie für Mieter erster Ansprechpartner. Der Vermieter bezahlt die Verwaltung dafür, dass er das von der Backe hat und wird vermutlich bei Beschwerden zurück an die Verwaltung verweisen.

  11. 10.

    Ja, in Hamburg im Baumwall hatte es einen Paternoster. Kann mich gut daran erinnern.
    Auch hier trägt man dem letzten noch (öffentlich) in Betrieb befindlichen Sorge.
    https://www.standseilbahnen.ch/248-paternoster-bern-bayard-2016.html

  12. 9.

    Das ist es, was ich doch meine! Der Mieterverein geht immer gleich auf Angriff. Doch Vermieter sind genauso verschieden wie Mieter. Nach unseren Erfahrungen sollte man den Mieterverein abschaffen bzw. regelmäßig auch Qualifizierungsnachweise z.B. in Konfliktvermeidung von den Mitarbeitern einfordern.

  13. 8.

    Die Hausverwaltung ist nicht der Vermieter, wenn es um die Mietsache geht, dann wendet man sich an den Vermieter, an den zahlt man die Miete und er ist der richtige Ansprechpartner.

  14. 7.

    Grüße nach HH von einem ehemaligen Lehrling des Kranbau Eberswalde, der Turmdrehkrane (Albatros) mitgebaut hat für Blohm&Voss Hamburg (vordere Rollenlagersätze). Später folgte ein Fördertechnikstudium. Da war damals schon die "abgehobene" und damit kostentreibende Sicherheit eine Herausforderung, an jeder Fehlbedienung vorbei konstruieren zu müssen. Dieser Anspruch besteht an einer Bahnsteigkante nicht. Da reicht eine Linie...

  15. 6.

    Meine Güte!
    Was ist nur aus unserer Sprache geworden?
    Es gibt lange Reparaturzeiten und keine lange Reparatur! Es gibt Lebenslang, aber kein lebenslänglich! Länglich sind Gegenstände und keine Zeitabschnitte ! Mieten oder Preise können hoch oder niedrig sein, aber nicht teuer oder billig! Ware etc ist teuer oder billig.
    Überall findet man solch' Unfug mittlerweile.
    Was passiert hier in diesem unseren Lande?
    Hurra, wir verblöden... !

  16. 5.

    Bei vielen Hausverwaltungen ist ein persönliches Gespräch gar nicht möglich, weil man schlichtweg keinen erreicht oder wie im obigen Fall auf Schreiben nicht geantwortet wird. Ich habe das über 30 Jahre in einem Schöneberger Mietshaus immer wieder erlebt. Zwar wurde die Miete regelmäßig erhöht, aber nötige Reparaturen wurden verschoben und vergessen, wenn man nicht hartnäckig blieb und notfalls mit Mietminderung drohte. Inzwischen wohne ich in einer Genossenschaftswohnung und bin überrascht, wie Kommunikation zwischen Verwaltung und Bewohnern besser funktionieren kann. Wir hatten tatsächlich auch den Fall, dass der Fahrstuhl öfter ausfiel und im letzten Jahr komplett erneuert werden musste. Das hieß vier Wochen Treppen steigen (Haus hat 13 Etagen). Die Verwaltung hielt uns permanent auf dem Laufenden. Am Ende der Arbeiten wurde die Miete automatisch gekürzt und vor jeder Tür standen Blümchen.

  17. 4.

    Die "Hinweise" von Berliner Mieterverein sind wirklich schlecht. Man sollte immer erst das persönliche Gespräch als Mieter mit seinem Vermieter suchen. Verhärtete Fronten sind nie gut. Man kennt oft die Gründe hier für den Fahrstuhlausfall gar nicht, vielleicht gibt es keine Ersatzteile mehr und der Fahrstuhl muss komplett erneuert werden. Aber klar, so ein Verein kann immer gut reden, doch ist das Verhältnis zum Vermieter erst einmal gestört, braucht man hier auch nicht mehr in anderen Fällen auf ein offenes Ohr zu hoffen - "wie man in den Wald hinein ruft,..."

  18. 3.

    Wie bei so viele Dingen in Deutschland haben wir hier eine große Masse die irgendwann vor ca. 60 Jahren gebaut wurde und jetzt ersetzt werden muss. Leider sind die meisten Handwerker auch ca 60 und haben sehr volle Auftragsbücher. Und so ein Fahrstuhlersatz dauert auch ein paar Wochen, selbst wenn man Handwerker findet.

  19. 2.

    Aufzüge geben doch laut den Linksalternativen der Gentrifizierung Vorschub ist sein deshalb von denen eh nicht gewünscht. Sogar ein barrierefreier Zugang zur U-Bahn war für das Bauamt in Kreuzberg zunächst ein No-Go. Insofern handeln die Vermieter doch ganz im Sinne der Partei von Frau Jarasch.

  20. 1.

    Na, was denn nun? Fahrstuhl oder Aufzug?
    Als gelernter Aufzug - und Kranbauer , nach der Lehre als Aufzugmonteur einige Jahre gearbeitet, kommen die Nackenhaare hoch ,wenn ich Fahrstuhl lese. Zumindest von den Reakteuren erwarte ich den fachtechnischen Begriff Aufzug.
    Übrigens , durch die Reform der Ausbildungsberufe gibt es heute den Industriemechanker Hebezeugebau, also Krane,Aufzüge und Fahrtreppen.
    Kleiner Gag aus der früheren Zeit, Paternoster wurden als Proletenbagger ,die Aufzüge als Bonzenheber bezeichnet.
    In den alten Hamburger Kontorhäuser war es üblich, dass neben dem Paternoster ein mit Schlüssel zubedienender Aufzug für die Nadelstreifenträger eingebaut war.

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