Preiskampf bei Ackerflächen - Junge Landwirtin ohne Land

So 29.01.23 | 15:32 Uhr | Von Thomas Rautenberg
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Jung Landwirtin Wiebke Kullick im Januar 2023. (Quelle: rbb/Thomas Rautenberg)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.01.2023 | Thomas Rautenberg | Bild: rbb/Thomas Rautenberg

Der Traum von einem Leben in der Landwirtschaft reizt viele junge Menschen. Das Problem: Viele können sich die Ackerflächen nicht mehr leisten - auch weil sie im Preiskampf um den Boden starke Konkurrenz aus der Energiewirtschaft haben. Von Thomas Rautenberg

Wiebke Kullick steht bei den Kälbern im Landwirtschaftsbetrieb ihres Vaters und verteilt Streicheleinheiten. Die Tiere, knapp vier Wochen alt, buhlen um ihre Aufmerksamkeit. Die Szenerie auf dem elterlichen Hof bei Groß Lübbenau könnte derzeit auch bei der Grünen Woche zu sehen sein - dort wird die Arbeit in der Landwirtschaft besonders attraktiv in Szene gesetzt. Die Streicheleinheiten für die Kälbchen sind für die 25-jährige Kullick aber in der Regel nicht mehr als die kurze Flucht aus dem anstrengenden Alltag.

Landwirtschaft als Full-Time-Job

Wiebke Kullick ist Landwirtin mit Herz und Seele, wie sie selbst sagt. Vor einem Jahr hat sie ihr duales Studium Agrar-Management bei einem Betrieb in Sachsen abgeschlossen und ist dann ins südliche Brandenburg zurückgekehrt. Heute managt sie den Landwirtschaftsbetrieb ihres Vaters. Sie kümmert sich um den ganzen Papierkram, der bergeweise auf ihrem Schreibtisch liegt - und sie kümmert sich um rund 380 Kühe und Kälber und 700 Hektar Land, die im Frühjahr wieder beackert werden müssen. Da gibt es viel zu tun.

Hinzu kommt, dass die Kullicks auch noch einen sogenannten Lohnbetrieb haben. Das ist ein teurer Technikfuhrpark inklusive Fahrer, deren Dienste sich Agrarunternehmen in der Region mieten können - um zu pflügen oder Getreide zu dreschen. 40 Stunden in der Woche leitet Wiebke Kullick das Büro des elterlichen Betriebes.

Eigenbetrieb im Nebenerwerb

Ob sie den Familienbetrieb einmal übernehmen wird, wisse sie nicht, sagt Wiebke Kullick. Ihr Vater setzt auf konventionelle Landwirtschaft. Die Jung-Landwirtin sieht ihre Zukunft dagegen eher in der Öko-Landwirtschaft. "Einfach, weil die Verbraucher es wollen und dort besser bezahlt wird."

Zu Beginn des vergangenen Jahres hat sie deshalb noch ihr eigenes Unternehmen gegründet: einen kleinen Öko-Betrieb mit rund 90 Hektar Fläche, den sie neben der Arbeit im Elternbetrieb im sogenannten Nebenerwerb führt. "Das war ein großes Risiko. Man sieht ja, wie viele Höfe in Deutschland aufgeben müssen, weil sie wirtschaftlich nicht über die Runden kommen. Und dann als junge Familie mit Kind einen solchen Neustart zu wagen - da gab es viele Diskussionen."

Neue Pachtflächen kaum zu bekommen

Dass sie sogar Land für einen eigenen Öko-Hof pachten konnte, war ein glücklicher Zufall. Ihr Vorgänger ließ die Arbeit auf den Feldern von den Leuten und Maschinen machen, die ihr Vater vermietet. Als der Vorgänger aufgab, nutzte die junge Landwirtin die Gunst der Stunde und konnte die Pachtflächen übernehmen. "Mehr Glück kann man nicht haben", sagt die 25-Jährige. Allerdings sind die Wachstumsmöglichkeiten und damit die Zukunft von Kullicks Öko-Hof ungewiss. Eigentlich bräuchte sie weitere Flächen, damit sich der neugegründete Betrieb auf Dauer lohnt.

Die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG), die in der Region die meisten Landwirtschaftsflächen besitzt, hatte sogar gerade einige Hektar zur Pacht für Jung-Landwirte im Öko-Bereich ausgeschrieben. Zum Zuge gekommen ist Wiebke Kullick allerdings nicht. Andere Unternehmen müssen mehr geboten haben.

Konkurrenz aus Energiewirtschaft

Im Jahr 2001 lag die durchschnittliche Pacht für einen Hektar Ackerfläche in Brandenburg noch bei 73 Euro. In knapp 20 Jahren haben sich die Pachtkosten mehr als verdreifacht. Bei den aktuellen Ausschreibungen, bei denen allein das höchste Preisgebot entscheidet, machen nun häufig Firmen das Rennen, die mit Landwirtschaft gar nichts mehr zu tun haben.

Stromproduzenten, die Photovoltaikanlagen auf den Feldern und Weiden bauen wollen, schlagen jede Konkurrenz aus dem Weg, wie Jung-Landwirtin Kullick sagt. "Diese großen Unternehmen bezahlen bei Kauf oder Pacht mehr, als ich auf den Böden jemals erwirtschaften könnte. Das ist einfach so. Da habe ich als Landwirtin keinerlei Chance."

Mehr Wertschätzung

Der Brandenburger Bauern-Präsident Henrik Wendorff hatte kürzlich beklagt, dass dem Land durch Straßen-, Industrie-, und Energiebauten täglich sieben Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gehen. Das entspricht der Größe von sieben Fußballfeldern.

Auch der Brandenburger Agrarminister Axel Vogel (Grüne) will dem Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen an branchenfremde Investoren einen Riegel vorschieben. Künftig, so die Pläne, soll bei Flächenverkäufen nur noch der landwirtschaftliche Verkehrswert bezahlt werden. Die Landwirte sollen zudem ein Vorkaufsrecht ausüben können. Ob und wann das entsprechende Gesetz allerdings tatsächlich kommen wird, ist offen.

Wiebke Kullick will ihren Job trotz aller Schwierigkeiten mit keinem anderen tauschen. Der Einstieg in die Selbstständigkeit sei geschafft und ob es auf Dauer funktioniert, werde sie sehen, sagt die 25-Jährige. Bis dahin sei ihr als junger Landwirtin vor allem eines wichtig: Dass sie für die Arbeit als Landwirtin Wertschätzung erfährt - auf der Grünen Woche und im praktischen Alltag.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.01.2023, 9:45 Uhr

Beitrag von Thomas Rautenberg

13 Kommentare

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  1. 12.

    Das ist das eigentliche Problem in Deutschland mit seiner Bürokratie und Erbsenzählerei!"
    Dann machen Sie doch mal einen Vorschlag, wie zwei solche Großbetriebe ohne Verwaltung aka Erbsenzählerei funktionieren soll.
    Meinen Sie z.B. das Löhne einfach so pi mal Daumen berechnet und bezahlt werden sollten, oder das die EU-Subventionen auf Zuruf ausgezahlt werden sollten?

  2. 11.

    „Papierkram bergeweise.“
    Das ist das eigentliche Problem in Deutschland mit seiner Bürokratie und Erbsenzählerei!

  3. 10.

    In Deutschland haben wir einfach schon genug Landwirte. Wir produzieren deutlich mehr Nahrung als wir verbrauchen und das Land ist endlich. Das Leben ist kein Ponyhof. Die junge Dame könnte es ja mal mit einem Handwerksberuf probieren. Ich höre, da werden Fachkräfte gesucht.

  4. 9.

    Danke für den Link.
    Vielleicht sind für die junge Dame noch ein paar EU-Subventionen drin, Papas Betrieb hat 2021 161.000 € bekommen.
    Viel Erfolg!

  5. 8.

    "Sie hat kein eigenes Land, aber 90 ha gepachtet. " Richtig, sie hat kein EIGENES Land. Macht für die Pacht so übern großen Zeh mal eben 18.000 Euro Kosten nur für die "Miete". Kommen noch die "Nebenkosten" dazu, also bspw. Saatgut, Düngemittel, Maschinenunterhalt, Lohnkosten und da nichts für die Ewigkeit ist, geht auch mal was kaputt. Also 18.000 plus X. Die Summe muss erstmal eingefahren werden - dann ist es eine Nullnummer und von Idealismus allein hat noch kein Betrieb überlebt. Wenn alles gut läuft bleibt was übrig und von dem Erlös nach Steuer lebt man - ein bisschen.
    Die Idee der Zwei- oder Mehrgleisigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht ist allerdings gut. Anders geht es fast nicht mehr und oft lohnt es sich hier genauer hinzuschauen.
    Der "Statista-Wert" von 63 ha ist auch nicht unbedingt aussagekräftig. Die Feinheiten und auf die kommt es an, kann man hier nachlesen
    https://www.giscloud.nrw.de/arcgis/apps/storymaps/stories/5fe8efbd8c774031a276714f52d05366

  6. 7.

    Sie vergessen das hier Staatseigentuk verkauft wird und da sollte es nicht um Profitmaximierung gehen. Der einzige der verkauft ist die Verwertungsgesellschaft aber wenn man sich die Geschäftsführung anschaut weiß man das Juristen am Werk sind. Die sind nur auf die eigene Karriere aus. Was interessiert dort wenn man nach Dekaden handelt. Es ist auch ein Unding das Wald welcher dem Staat gehört einfach an private Investoren Verkauf werden darf.

  7. 6.

    Und genau das ist ihm im Zusammenhang mit dem Amt untersagt.
    Er kann aber nachgeordneten Behörden empfehlen alle Augen, einschl. der Hühneraugen, zuzudrücken, wie im Fall Tesla geschehen.

  8. 5.

    Sie hat kein eigenes Land, aber 90 ha gepachtet. Damit bewertschaftet sie schon mehr als den deutschen Durchschnitt, der bei 63 ha liegt.
    Hr. Vogel verkennt mal wieder die Marktwirtschaft. Wenn es nur noch den Verkehrswert geben soll, verkauft niemand mehr, so einfach ist das. Oder es wird Geld außerhalb der offizielen Rechnung gegeben, auch das soll vorkommen.

  9. 4.

    Die Probleme sind schon seit Jahren bekannt. Aber außer Lippenbekenntnissen mit müsste… könnte… sollte…, kommt nichts, schon garnicht konkretes.
    So ist Politik halt..

  10. 3.

    Bleibt tapfer Wiebke, irgendwann merken die Menschen, dass man Strom nicht essen kann.

  11. 2.

    Herr Vogel kann noch besser lenkend einwirken wenn er eine Leistung erbringt: Flächen ankaufen. Dann kann er den Verkaufs/Pachtpreis u.a. bestimmen. Dann kann W. Kullik auch den Widerspruch auflösen:
    "Einfach, weil die Verbraucher es wollen und dort besser bezahlt wird." und „wie viele Höfe in Deutschland aufgeben müssen, weil sie wirtschaftlich nicht über die Runden kommen“...

  12. 1.

    790 Hektar bewirtschaften die Kulicks insgesamt und in der Überschrift steht, Landwirtin ohne Land…
    Wir haben bis Ende der 80er Jahre des letzten Jh. mit 60 Hektar Land, ein paar Rindern, Schweinen und Hühnern hervorragend gelebt. Es war nicht Schlaraffenland aber alle waren glücklich und hatten Ausbildung und waren zufrieden.
    Es gab einen guten Schlepper und alle(damals) wichtigen Gerätschaften.
    Ich wäre gern wieder Landwirt.
    Frau Kullick wünsche ich alles Gute viel ehrliche Wertschätzung.

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