Verkehrsunternehmen in Berlin und Brandenburg - "Deutschlandticket" in der Region weitgehend ohne Schufa-Prüfung erhältlich
Das 49-Euro-Ticket soll den Nahverkehr auch für Menschen mit wenig Einkommen attraktiver machen. Ein negativer Schufa-Eintrag könnte dabei zum Problem werden - viele Verkehrsunternehmen in der Region aber wollen auf eine Prüfung verzichten.
Durch ganz Deutschland mit (fast) allem außer Fernzügen: Ab 1. Mai gilt das 49-Euro-Ticket, von der Bundesregierung als "Deutschlandticket" angepriesen. Besitzerinnen und Besitzer können dann für 49 Euro pro Monat den öffentlichen Nahverkehr nutzen, monatlich kündbar und entweder als Handyticket oder als Chipkarte.
Die Verkehrsunternehmen sind schon jetzt von den Vorbestellungen überfordert: Innerhalb der ersten drei Tage des Vorverkaufs wurde zum Beispiel die Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge 250.000 Tickets los - perspektivisch rechne man mit 17 Millionen Nutzern, das wäre dann ein Sechstel der Bevölkerung in Deutschland.
Aber wer Schulden hatte oder hat oder eine Rechnung nicht bezahlt hat, kann Probleme bekommen: Denn manche Verkehrsunternehmen lassen von der "Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung", kurz: Schufa, die Bonität der Antragsteller prüfen, bevor sie ihnen das "Deutschlandticket" verkaufen. Fast alle Verbraucher, die einmal einen Kredit aufgenommen oder auch nur ein Girokonto eröffnet haben, sind bei der Schufa gelistet. Wer keinen tadellosen sogenannten Schufa-Score hat, dem kann das Unternehmen den Kauf des Tickets verweigern.
Bahn und S-Bahn prüfen, BVG und andere nicht
Die Deutsche Bahn hat bereits bekannt gegeben, sie wolle die Bonität beim Abschluss eines "Deutschlandticket"-Abos prüfen, ebenso wie der Zahlungsdienstleister Logpay, der bei mehr als 250 Ticket-Shops des ÖPNV eingesetzt wird. So macht es auch die Berliner S-Bahn. "Damit wollen wir das Risiko von Betrugsversuchen und Zahlungsausfällen minimieren. Diese Bonitätsprüfung führt bereits seit vielen Jahren der Dienstleister infoscore für uns durch", sagte eine Unternehmenssprecherin rbb|24 am Donnerstag. Kund:innen würden darauf "transparent hingewiesen". Auch die App für das "Deutschlandticket" nutzt den Schufa-Score als Bewertungsgrundlage.
Die meisten Verkehrsunternehmen in Berlin und Brandenburg dagegen verzichten darauf, den Schufa-Score überprüfen zu lassen, das zeigen Anfragen von rbb|24. Das offizielle Statement der BVG legt ebenfalls nahe, dass vorerst keine Bonitätsprüfungen bei Kunden angewendet werden, die das "Deutschlandticket" kaufen wollen. "Das Deutschlandticket ist bei der BVG für alle Menschen zugänglich. Niemand muss befürchten, wegen eines negativen Schufa-Eintrags dieses attraktive Abo nicht abschließen zu können", sagt BVG-Sprecher Jannes Schwentu.
"Konsequent gekündigt, wenn ein Konto nicht gedeckt ist"
Die Cottbusverkehr kündigte am Mittwoch auf Anfrage ebenfalls an, bei Abo-Anträgen auf solche Bonitätsprüfungen zu verzichten. "Jedoch wird die Karte gesperrt, sobald die erste Abbuchung nicht erfolgt oder die Zahlung des/der Karteninhaber*in auf Widerruf bei der Bank zurückgezogen wird", teilte die stellvertretende Pressesprecherin Maria Schiemann rbb|24 mit.
So halten es auch die meisten anderen Verkehrsunternehmen, beispielsweise die Odeg. Funktioniere die monatliche Abbuchung per Lastschrift nicht und zahlten die säumigen Kunden auch nach mehrfacher Mahnung nicht, schalte die Odeg ein Inkassobüro ein und kündige das Abo, sagte eine Sprecherin. Ähnlich ist es bei der Regiobus Potsdam-Mittelmark, der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) und den Verkehrsbetrieben Brandenburg an der Havel - sie alle sagten rbb|24, sie wollten auf eine Bonitätsprüfung verzichten.
Der entscheidende Grund: Anders als bei einem Jahresabo können die Verkehrsunternehmen beim "Deutschlandticket" höchstens auf den jeweils 49 Euro für ein Monatsticket sitzen bleiben, weil das Abo monatlich kündbar ist. "Die Bonität jedes einzelnen Kunden im Vorhinein zu prüfen, wäre zu aufwändig. Stattdessen wird konsequent gekündigt, wenn ein Konto nicht gedeckt ist", sagt Holger Reimann, Sprecher der NEB, rbb|24.
So funktioniert ein Schufa-Score
Eine Bonitätsprüfung soll sicherstellen, dass der Kunde oder die Kundin auch zahlen kann - Bonität bedeutet Kreditwürdigkeit. Bei der Prüfung durch die Schufa wird auch der sogenannte Schufa-Score abgefragt. Der Schufa-Score ist ein Prozentsatz, der alle drei Monate aktualisiert wird. Man kann sich seinen aktuellen sogenannten Basis-Score kostenlos von der Schufa zuschicken lassen [meineschufa.de].
Wie genau er sich zusammensetzt, hält die Schufa geheim. Eine Rolle spielt aber laut des Unternehmens, ob man beispielsweise in der Vergangenheit eine Rechnung nicht beglichen hat oder ob man einen Kredit vertragsgemäß zurückgezahlt hat [schufa.de]. Mitte März hatte ein Gutachter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschätzt, dass die Erstellung solcher Score-Werte gegen Europarecht verstößt [tagesschau.de].
Bekannt ist: Höchstwert des Basis-Scores sind 100 Prozent, liegt man über 97,5 Prozent, gilt man Firmen gegenüber als sehr geringes Risiko. Bereits bei 90 bis 95 Prozent bedeutet man als Kunde schon ein zufriedenstellendes bis erhöhtes Risiko [t-online.de]. Dazu kommen nochmal jeweilige Spezial-Scores je nach Branche, beim Handyvertrag gilt ein anderer als beim Immobilienkredit oder dem ÖPNV-Abo.
Onlinekauf bei Unternehmen in ganz Deutschland möglich
Laut der Schufa selbst wird die Bonität generell nur bei Abo-Bestellungen via Lastschriftverfahren überprüft. Bei Zahlung mit Kreditkarte hat die jeweilige Bank bereits den Schufa-Score überprüft, als sie die Karte ausgegeben hat. Bei Zahlungen via Vorkasse, beispielsweise durch Direktüberweisung oder Paypal, gibt es ebenfalls keine Bonitätsprüfung, weil diese Zahlung ja in jedem Fall schon an das Verkehrsunternehmen gegangen ist.
Möchte man sein "Deutschlandticket"-Abo bei der Deutschen Bahn ohne Prüfung abschließen, muss man dafür in ein DB-Reisezentrum gehen - und dort die Summe für das gesamte Jahr auf einen Schlag vorstrecken: 588 Euro, bar, mit EC- oder Kreditkarte.
Einfacher geht es über Anbieter wie die "Transdev"-Gruppe, dem zweitgrößten Bus- und Bahnunternehmen in Deutschland mit Sitz in Berlin. Angaben der Gruppe zufolge bucht sie zunächst den Betrag für den ersten Monat ab und verschickt erst dann das Deutschlandticket per E-Mail: "Sollte unser SEPA-Lastschrifteinzug scheitern, wird dir auch kein Ticket ausgestellt", heißt es auf der Internetseite, auf der das Verkehrsunternehmen die "Deutschlandtickets" anbietet.
Bei welchem Unternehmen in der Bundesrepublik man sein Ticket kauft, ist letztlich zweitrangig, gültig ist es so oder so bei allen teilnehmenden Verkehrsunternehmen. Diese dürfen übrigens keine Kundendaten untereinander austauschen - das verbietet der Datenschutz.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 8 Uhr