Urteil im Streit um Bauprojekt - Adler Group kann nicht von Kaufverträgen im Steglitzer Kreisel zurücktreten
Beim stockenden Prestige-Projekt, dem Steglitzer Kreisel, darf die Adler-Group nicht von gültigen Kaufverträgen zurücktreten. Das Berliner Landgericht entschied zugunsten eines Käufers, der sich 2018 eine Wohnung in dem Bauprojekt gekauft hatte. Von Wolf Siebert
Im Streit um das Bauprojekt Steglitzer Kreisel muss der Immobilien-Investor Adler Group seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllen.
Das hat das Landgericht Berlin am Mittwoch entschieden. Es gebe keine wichtigen Gründe, wonach das Unternehmen von einem gültigen Kaufvertrag zurücktreten könnte, so die zuständige Richterin. Das Gericht entschied damit zugunsten eines Käufers, der sich 2018 eine Eigentumswohnung mit Garagenstellplatz in dem Bauprojekt ausgesucht hatte.
Eine Eigentumswohnung im 19. Stock mit Südwest-Blick
Der Käufer, André Gaufer, 57 Jahre alt, wohnt in Steglitz. Er hat eine Agentur für Fondsberatungen. Als er hörte, dass im Steglitzer Kreisel 330 Eigentumswohnungen gebaut werden sollten, griff er zu. 2018 kaufte er eine Wohnung im 19. Stock, rund 70 Quadratmeter, Südwest-Blick. Ein Tiefgaragenstellplatz und ein Fahrradaufzug waren inbegriffen. 2021 sollte die Wohnung fertig sein.
Ab 2020 ruhten dann aber die Arbeiten auf der Baustelle. Begründet wurde das vom Bauherrn mit Verzögerungen durch die Pandemie.
Adler Group wollte die Baupläne ändern
Eines Tages bekam Gaufer Post von der Adler Group, der das Projekt Steglitzer Kreisel gehört: Sie wollte die Baupläne ändern. Das jetzige Parkhaus wollte sie nun zu einem Bürogebäude umbauen.
Für André Gaufer hätte das bedeutet: Der Tiefgaragenstellplatz, den er als Sondereigentum erworben hatte, sollte wegfallen. Dafür sollte er lediglich ein Nutzungsrecht für einen Stellplatz an einer anderen Stelle des Gebäudes bekommen. Das aber wäre juristisch deutlich weniger gewesen als das Sondereigentum an einem Stellplatz, so wie es Gaufer 2018 vertraglich vereinbart hatte. Auch der Fahrradaufzug sollte wegfallen.
André Gaufer wehrt sich
Die Adler Group forderte Gaufer und die anderen Käuferinnen und Käufer auf, die Vertragsänderung zu akzeptieren. Einige taten das. Andere wollten nach rbb|24-Recherchen ihre Verträge rückabwickeln und ihre Kaufpreisraten zurückbekommen. André Gaufer aber widersetzte sich: "Mir geht es um Gerechtigkeit. So kann man mit Käufern nicht umgehen", sagte er jetzt rbb|24.
2021 war die Adler Gruppe zudem in die Schlagzeilen geraten. Ihr wurde vorgeworfen, den Wert ihrer Immobilien künstlich überhöht zu haben. Eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verweigerte der Adler das Testat für einen Jahresabschluss. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurde aktiv, begann mit einer Prüfung.
Adler Group muss Großteil ihrer Wohnungen verkaufen
Adler hat die Vorwürfe stets bestritten, aber die Firma geriet in finanzielle Schwierigkeiten, hat mehrere Milliarden Euro Schulden, wie aus einer Ergebnispräsentation von Adler im Internet aus dem Mai 2023 hervorgeht. Obwohl auf der Habenseite Immobilienwerte stehen, musste die Gruppe, die einstmals einer der größten Wohnungsvermieter Deutschlands war, einen komplizierten Restrukturierungsprozess einleiten, um das finanzielle Aus abzuwenden.
Das bedeutet, die Adler-Gruppe wird nach eigenen Angaben einen Großteil ihrer Wohnungen verkaufen und auch einen Teil ihrer Entwicklungsprojekte. Eins ihrer Entwicklungsprojekte ist der Steglitzer Kreisel. Weil sich André Gaufer geweigert hatte, die Änderungen des Kaufvertrags zu akzeptieren, trat sein Vertragspartner vom Kaufvertrag zurück. Dagegen zog Gaufer vor Gericht. Und hat nun Recht bekommen: Der Vertrag hätte nicht nachträglich geändert werden dürfen und es gab auch keinen Grund, vom Kaufvertrag zurückzutreten, so begründete das Landgericht Berlin am Mittwoch seine Entscheidung.
André Gaufer reagierte im Anschluss erleichtert: "Notarverträge müssen eingehalten werden. Das ist ein grundlegendes Recht. […] Jetzt erwarte ich von der Adler Group die Erfüllung meines Vertrags", sagte er dem rbb.
Gaufer glaubt nicht mehr an die Adler Group
Was das konkret bedeutet, ist zurzeit unklar. Zunächst ist die Adler Group durch das Urteil verpflichtet, Gaufer eine Teilungserklärung auszufertigen, die dem ursprünglichen Inhalt des Kaufvertrags entspricht. Ob Adler aber die Wohnung auch bauen wird? Dazu wollte sich das Unternehmen auf rbb-Anfrage vom Dienstag nicht äußern. Man werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und analysieren.
In Präsentationen der Adler Group im Internet heißt es, dass das Bauprojekt Steglitzer Kreisel 2025 vollendet wird. André Gaufer geht davon aus, dass die Adler Group die 330 Wohnungen im Steglitzer Kreisel nicht bauen wird. "Sie wird das Projekt wohl vorher verkaufen", sagte er rbb|24. Auch zu ihren Verkaufsabsichten wollte sich die Adler Group auf die rbb|24-Anfrage hin nicht äußern.
Große Koalition wollte Wohnungskäufer wie Gaufer besser schützen
Käufer Gaufer hofft, wie er sagt, aber auch, dass sein Fall zu einem verbesserten Verbraucherschutz in Deutschland führt. Seit 2019 – noch zu Zeiten der Großen Koalition – liegt der Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe vor, die das Bauträgervertragsrecht verbessern sollte.
Vor allem sollte der Schutz von Wohnungskäufern im Insolvenzfall des Bauträgers verbessert werden. Bis heute ist aber noch kein entsprechender Referentenentwurf vorgelegt worden. Das Bundesjustizministerium erklärte auf rbb|24-Anfrage, es sei nicht absehbar, wann das geschehen werde.
André Gaufer hofft noch immer, eines Tages die Wohnung auch nutzen zu können. Falls nicht, will er zumindest sein Geld zurück, wie er sagt. Und auch Schadenersatz.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.07.2023, 12:35 Uhr