Rücktritt von Daniel Barenboim | Berliner Staatsoper - "Dreißig Jahre großartiges Musizieren"
Er hat die Berliner Staatsoper geformt und zu einem Spitzenorchester wachsen lassen. Nun tritt Daniel Barenboim nach drei Jahrzehnten als Generalmusikdirektor ab - Maria Ossowski blickt auf seine Karriere zurück.
Mit Beethovens Neunter Sinfonie endete zum Jahreswechsel Daniel Barenboims Zeit an der Staatsoper Berlin. Nach über dreißig Jahren gab das Haus am Freitag bekannt, dass Barenboim als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden zurücktritt. Wer ihm folgt, ist noch nicht bekannt.
Barenboims schwere Erkrankung seit dem Sommer hatte zunächst viele zweifeln lassen, ob er das lange Werk Beethovens von mehr als achtzig Minuten bei dem Konzert zum Jahreswechsel überhaupt durchhalten könnte. Aber Barenboim steht seit seinem sechsten Lebensjahr auf der Bühne, er liebe es, sagte er einmal in einem Gespräch, vor Publikum zu spielen. Es strengte ihn nie an, er kannte kein Lampenfieber.
"Die Leute denken, dass man müde wird beim Musizieren, Dirigieren oder Spielen. Das Gegenteil ist der Fall, man bekommt Energie von der Musik. Von jedem Konzert, jeder Probe bekomme ich Energie. Oft bin ich müde vor einem Konzert – aber danach bin ich absolut frisch."
Geigerin Schergaut: "Dreißig Jahre großartiges Musizieren"
Es schmerzte ihn, die Neuproduktion von Wagners 'Ring des Nibelungen' im vergangenen Herbst nicht dirigieren zu können und sein Konzert zum 80. Geburtstag im November ausfallen lassen zu müssen.
Barenboim hat diesen Klangkörper, die Staatskapelle geformt. Das Ensemble mit seinem dunklen, dennoch strahlenden Klang konnte zu einem Spitzenorchester wachsen und sowohl in der Staatsoper als auch auf zahlreichen Tourneen weltweit umjubelte Erfolge feiern. Mit dabei seit vielen Jahren ist die Geigerin Susanne Schergaut. Sie war lange im Orchestervorstand. "Was verbinde ich mit Daniel Barenboim? Dreißig Jahre großartiges Musizieren. Ich hoffe, dass er zufrieden und glücklich auf sein Lebenswerk gucken kann. Es ist unfassbar, was er erreicht hat. Ein Leben für drei hat er geführt."
Die Bratscherin Sophie Reuter hat den Chefdirigenten ebenfalls geachtet wegen seiner Führungsstärke und seiner genialen Musikalität. "Wenn ich an Daniel Barenboim denke, denke ich an die größtmögliche Leidenschaft für die Musik, an absolute Selbstdisziplin für sich und andere. Und ich denke an die Musik in jeglicher Form, im Gesang, in der Kammermusik, als Solist, im Orchester. Ich denke an die wundervollste Version von 'Tristan und Isolde', die ich selbst miterlebt habe. Und ich denke an einen Menschen, der für und in der Musik lebt."
Musikalisch unangreifbar - im menschlichen Umgang aber schwierig
Nicht alle Orchester-Musikerinnen und Musiker haben Daniel Barenboims Führung geschätzt. Musikalisch unangreifbar, galt er im menschlichen Umgang hier und da als schwierig. Er selbst führte dies auf sein argentinisches Temperament zurück. Fest steht: Es gab viele Vorwürfe, er habe Menschen vor anderen gedemütigt. Diese Probleme setzten Barenboim nach eigener Aussage in den vergangenen Jahren sehr zu - auch gesundheitlich.
Sein Pensum war immer extrem. Der Intendant der Staatsoper, Matthias Schulz, verbindet mit Barenboim den Begriff "Weltkünstlerpersönlichkeit". Barenboim dankt in seinen Rücktrittsworten explizit nicht nur dem Orchester, sondern auch Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, beide hätten ihn, wie auch Kultursenator Klaus Lederer, immer unterstützt. Beispielsweise bei der Gründung der Barenboim Said Akademie und beim Bau des Pierre Boulez Saals. Barenboims Aura und sein Ruf haben die Berliner Klassikszene stark geprägt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 17:00 Uhr