Theaterjahr 2023 - Ein Ausblick - Berlins Bühnen mit großen und kleinen Zielen
Das Theaterjahr 2023 verspricht Veränderungen, doch wie groß die ausfallen, ist unklar. Sowohl bei den Berliner Festspielen als auch am Deutschen Theater stehen in diesem Jahr neue Teams am Steuer. Von Barbara Behrendt
2023 lohnt sich ein Blick auf die großen Theater-Tanker der Hauptstadt. Sowohl bei den Berliner Festspielen als auch am Deutschen Theater stehen in diesem Jahr neue Teams am Steuer – ihren Kurs haben sie bislang nur vage durchgegeben.
"Lovetrain2020": Tanz bei den Berliner Festspielen
Matthias Pees, seit dem Herbst Chef der Berliner Festspiele, ist ein Mann der Internationalisierung. Wenn das zur Folge hat, dass die wichtigen europäischen Tanz- und Theaterproduktionen mal einen Abstecher nach Berlin machen, ist das eine gute Sache.
Ein großes Tanz-Gastspiel steht im Januar bereits auf dem Spielplan: "Lovetrain2020" des israelischen Tänzers Emanuel Gat, bei dem seine Company zu Hits von Tears for Fears tanzt.
Auch das Theatertreffen soll internationaler werden
Doch auch das Theatertreffen soll internationaler werden – und das ist eine vollkommen falsche Richtung, denn internationale Theaterfestivals gibt es wie Sand am Meer. Den Stückemarkt, der seit über 40 Jahren neue Theatertexte präsentiert, hat das internationale Theatertreffen-Frauenteam schon abgeschafft – weil er, das ist die Ironie der Geschichte, zu Tode internationalisiert worden ist.
"Wir nehmen den Namen unseres Festivals beim Wort und stellen den zehn bemerkenswerten Inszenierungen zehn europäische Treffen an die Seite", beschreibt Carolin Hochleichter vom Leitungsteam die Zukunft des Theatertreffens im Herbst. "Diese zehn transdisziplinären Begegnungsformate ergänzen die bestehende Struktur und kreieren für das traditionsreiche Festival einen Resonanzraum auf europäischer Ebene."
Iris Laufenberg wird neue DT-Intendantin
Was unter diesem "transdisziplinären Begegnungsformat" zu verstehen ist, werden wir wohl erst im Mai erfahren. Das Herzstück des Festivals, die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des Jahres im deutschsprachigen Raum, ausgewählt von einer Jury aus Theaterkritikerinnen, soll – vorerst – unangetastet bleiben. Welche Inszenierungen zum Festival eingeladen werden, gibt die Jury Ende Januar bekannt.
Iris Laufenberg, die das Theatertreffen bis 2011 geleitet hat, wird ab Herbst nun die erste Frau an der Spitze des Deutschen Theaters. Mit diesem Karrieresprung Laufenbergs hatte kaum einer gerechnet, denn sie gilt künstlerisch als wenig innovativ. Doch sie ist bekannt als Entdeckerin von Talenten, als konflikt- und kompromissfähig und als loyale Förderin ihrer Künstler:innen. Machtmissbrauch wirkt Laufenberg prophylaktisch mit Team-Coachings entgegen.
Das Programm des DT, wie es sich unter Ulrich Khuon entwickelt hat, mit Autor:innenförderung und viel Jugendarbeit, deckt sich mit Laufenbergs Theatervorstellungen: "Wenn man sich das Profil des Deutschen Theaters anschaut und mein Profil, dann passt da einiges zusammen." Sie betont die Autorinnenförderung: "Das ist eine Leidenschaft von mir. Das Junge DT ist auch eine Leidenschaft, ich liebe es, Schulklassen zu erleben, die begeistert sind vom Theater. Und auch das Objekttheater liegt mir am Herzen." Das DT unter ihrer Leitung wird also auf Kontinuität setzen – wenn auch mit verjüngtem Team.
Komödie am Kurfürstendamm am Potsdamer Platz
Bewährtes Team an neuer Spielstätte – das ist die Herausforderung für die Komödie am Kurfürstendamm, die nach ihrer schönen Notunterkunft im Schillertheater nun am Potsdamer Platz Obdach gefunden hat, bis sie 2024 hoffentlich in die neuen Räume am Kudamm ziehen kann.
Für Intendant Martin Woelffer ist dieser Umzug auch ein "großes Risiko", gegenüber rbb Kultur aber betont er auch, dass er sich freue: "Wir haben noch 700 Plätze mehr als im Schillertheater, wenn die voll werden, dann freuen wir uns natürlich auch."
Gewagte Uraufführung an der Volksbühne
700 Plätze zusätzlich, macht 1.700 Plätze insgesamt – weit mehr als die Berliner Festspiele, das Deutsche Theater oder auch die Volksbühne. Wobei die Volksbühne ohnehin extreme Schwierigkeiten hat, den großen Saal voll zu kriegen. Wie es hier nach anderthalb eher desaströsen Jahren unter René Pollesch weitergeht und ob sich der Intendant noch ein weiteres Jahr wird halten können und wollen – darauf würde wohl kaum eine Kritikerin Wetten abschließen.
Jetzt ist eine gewagte Uraufführung auf dem Spielplan zu finden, die grandios gelingen oder auch krachend scheitern kann: Schauspiel-Stars wie Martin Wuttke, Benny Claessens und Franz Beil stehen mit einem Text von Jonathan Meese auf der Bühne – Regie geführt wird anscheinend im Kollektiv. Mehr wissen wir erst nach der Premiere am 17. Februar.
Sendung: rbb Kultur, 06.01.2023, 16:45 Uhr