Künstler-Doku "Daniel Richter" - "Warum ist ein Bild, auf dem man nichts erkennen kann, ein gutes Bild?"
Auf dem Kunstmarkt erzielen die Werke von Daniel Richter Millionen. Am 2. Februar kommt sein Film ins Kino. Anke Sterneborg hat den Maler und den Filmemacher Pepe Danquart im Schöneberger Atelier des Künstlers getroffen.
Drei Jahre lang hat der Filmemacher Pepe Danquart den Künstler Daniel Richter mit der Kamera begleitet, im Atelier, in Galerien und Museen, beim Hängen der Bilder, im Gespräch mit Sammlern, Kritikern und befreundeten Künstlern, bei Vernissagen in Paris, Tübingen und New York. Entstanden ist der Film "Daniel Richter", der mehr ist als nur eine klassische Künstlerbiografie.
Betrachtung von Kunst und Kunstmarkt
"Warum machen wir diesen Film", lautet die erste ganz offensiv gestellte Frage des Regisseurs. Der Künstler Daniel Richter beantwortet sie vor der Kamera. Für ihn biete das Projekt die Gelegenheit für eine Zwischenbilanz nach dem 60. Geburtstag: "Mir schien das eine gute Zahl, um zu überprüfen, was man gemacht hat. Im Zusammenhang mit der Retrospektive und der Monografie bot sich mir eine gute Möglichkeit, um zu überprüfen, was ich gemacht habe. Damit bekommt man ja auch selber ein bisschen Distanz zum eigenen Werk, denn Öffentlichkeit stellt ja auch Distanz her."
Doch über das eigene Schaffen hinaus geht es dabei immer auch um Kunst und Kunstmarkt im Allgemeinen: "Warum ist ein Bild, auf dem man nichts erkennen kann, ein gutes Bild", fragt Richter im Film. "Und ein anderes Bild, das fast genauso aussieht, ist ein Scheißbild?"
Prozesse des künstlerischen Schaffens
Nach seiner offensiv gestellten Anfangsfrage tritt der Regisseur diskret in den Hintergrund, überlässt dem Maler die Bühne, darum hier die Frage: Warum wollte er den Film machen? "Für mich war es so, dass mich Daniel Richter als Person und Persönlichkeit sehr interessiert hat", sagt Danquart. "Ich wollte kein klassisches Künstlerporträt machen, sondern einen Film über Malerei und den Prozess des Schaffens. Zu einem Zeitpunkt, an dem eine Monografie erscheint und es zwei große Ausstellungen geben wird, wollte ich das einordnen."
Fragt man die beiden dann, unter welchen Umständen sie sich zuerst begegneten, behauptet Richter: "Das weiß niemand mehr", doch der Filmemacher widerspricht, wovon sich wiederum der Künstler nicht beeindrucken lässt: "Der Regisseur behauptet, er weiß es noch, aber der Regisseur lügt vielleicht, wer weiß das schon alles?"
Deutschland den Puls fühlen
Man spürt die in den Jahren gewachsene Vertrautheit zwischen den beiden, ohne die so ein Film, der mit Kameras in die Intimität des Künstlerateliers eindringt, gar nicht möglich wäre. Jedenfalls habe es eine Weile gedauert, bis sich Daniel Richter mit der Idee angefreundet habe, lässt Pepe Danquart wissen. "Es gab mal eine Ausstellung im Liebermann-Haus und anschließend sind wir essen gegangen. Und damals habe ich ihn gefragt, ob wir nicht irgendwann mal einen Film machen sollen über ihn. Er sagte da, "bleib mir weg damit." Ich sagte damals: "Wenn du irgendwann doch bereit bist, einen Film über dich machen zu lassen, dann ruf mich an."
Jahre später rief er dann an und sagte. "Jetzt ist es so weit." Den Filmemacher und den Maler verbindet, dass sie sich auf unterschiedliche Weise mit Deutschland auseinandersetzen, ihrem Heimatland sozusagen den Puls fühlen: "Ja, die Schnittmenge ist schon relativ groß", gibt Danquart zu. "Das war natürlich auch die Basis unseres gegenseitigen Vertrauens. So eng und so intim miteinander zu arbeiten am künstlerischen Prozess im Atelier setzt einen hohen Grad an Vertrauen voraus."
Richter ergänzt: "Bei mir arbeitet es vielleicht eher mit Paradoxien und Widersprüchlichkeiten. Und dass ich, wie soll ich sagen, dazu neige, Hohn und Spott über Autoritäten zu gießen und über Vaterländer, Religionen und erhabene Gedanken. Aber im tiefsten Inneren bin ich natürlich einfach nur grundhumanistisch eingestellt. Und ich behaupte jetzt, dass es bei Pepe irgendwie so ähnlich ist."
Der Regisseur übernimmt den Staffelstab wieder: "Im Prinzip war die Übereinkunft: Was macht gesellschaftliche Realitäten für die Kunst, die wir beide ausüben, auf unterschiedlichen und auch mit unterschiedlichen Medien, mit uns? Und wie entsteht so ein künstlerischer Prozess?" Es spricht für die Einfühlsamkeit des Regisseurs, dass, wie er sagt, noch nie einer seiner Protagonisten Gebrauch von seinem Vetorecht gemacht hat.
Die Intimität des Künstlerateliers
Diese intime Nähe zum künstlerischen Prozess ist ein kostbares Gut des Films: Man sieht Richter mit Pinsel und Farben vor seinen Leinwänden, sieht, wie er Fehler macht, flucht, Ideen wieder verwirft, von der Leinwand schmiert oder kratzt, neu ansetzt. Wenn er das Bild betrachtet, lässt er den Zuschauer an seinen Gedanken teilhaben.
Das kann leicht peinlich werden, tut es aber glücklicherweise nicht: "Diese halbgaren Nummern, in denen man dann sieht, dass der Künstler, die Künstlerin für die Kamera agiert, das finde ich immer total unangenehm an diesen Künstlerdokumentationen"; sagt Richter. "Dann ist es auch notwendig, dass Kameraleute auch mal tagelang rumstehen, bis man sie nicht mehr bemerkt. Das ist gut gelungen, denn ich habe sie tatsächlich irgendwann einfach nicht mehr bemerkt."
Die Kamera als unbemerkte Fliege an der Wand
Angenehm uneitel wirkt Daniel Richter auch im Film. Schluffig in farbverkleckstem Sweatshirt und zerbeulter Jeans, mit zerzausten Haaren und fisseligem Bart - man hat nie den Eindruck, er würde sich für die Kamera in Position setzen, was ihn ausgesprochen sympathisch macht.
Die Kamera wurde zur Fliege an der Wand, ihre Bilder eröffneten auch dem Künstler neue Perspektiven: "Bei mir sieht man ja den Prozess, wie ich versuche, zu malen, also auch ein Bild zu finden und die daraus resultierenden Sicherheiten und Unsicherheiten, so wie halt meine Malerei entsteht, und das fand ich interessant zu sehen, weil ich mich ja selber auch nicht von hinten sehe beim Arbeiten."
Kunst-Zampano und Entertainer
Gleichzeitig gibt Daniel Richter aber auch durchaus den Kunst-Zampano, wie der Künstlerkollege Jonathan Meese im Film kommentiert: "Der Daniel, das ist eben auch ein lustiger Typ, der sich auch durch den Kakao ziehen kann, und der auch mal Quatsch reden kann." Der Meister selbst ergänzt: "Es stimmt, dass ich tatsächlich mich verpflichtet sehe, die Spezies zu unterhalten." Und das gelingt ihm mühelos, über fast zwei Stunden, die gerne auch noch ein bisschen länger dauern dürften.
"Daniel Richter" läuft am 2. Februar in den deutschen Kinos an.
Sendung: rbb kultur Der Morgen, 31.01.2023, 07:45 Uhr