Konzertkritik | Die Sterne im Festsaal Kreuzberg - Mittelgut in Berlin tonight
Vor ein paar Jahren hätten sich Die Sterne fast aufgelöst. Nun ist die Hamburger Band mit neuer Besetzung und Studioalbum zurück auf den Bühnen. Gut so, sagt Hendrik Schröder, auch wenn der Festsaal Kreuzberg nur kurz gebrannt hat.
Es gibt Geschichten, die muss man vom Ende her erzählen. Denn am Ende wird alles gut. So ähnlich gilt das auch für dieses Konzert der Sterne im Festsaal Kreuzberg.
Am Ende kommen die Hits: "Universal Tellerwäscher", "Big in Berlin", "Was hat Dich bloß so runiniert". Da tanzt und singt und feiert der ganze Laden, entsteht vor der Bühne ein paar Songs lang eine ausgelassene Meute, kennt jede und jeder jeden Text. "Wir sind big in Berlin tonight", heißt es etwa in einem. Am Ende sieht auch die Band da auf der Bühne mitgerissen aus vom eigenen Werk und Schaffen und vom Publikum und alles scheint wieder in Ordnung.
Ein Hüne im Pelzmantel
Davor nämlich war es komisch - und eher so mittelgut. Etwas sehr beiläufig kommt die Band auf die Bühne. Und als abrupt die Musik vom Band stoppt, sagt Sänger Frank Spilker: "Oh, die Musik ist aus ... dann müssen wir das wohl machen." Oder vielleicht sagt er auch etwas ähnliches, denn das Mikro ist derart leise gestellt, dass man ihn nur schwer versteht.
Er trägt einen Pepita-Hut auf dem Kopf, wie früher die Fußballtrainer, und einen voluminösen Pelzmantel. Letzterer lässt den zwei Meter großen Hünen noch riesiger erscheinen und die E-Gitarre in seinen Händen wie ein Spielzeug. Lustig sieht das aus und so ist das wahrscheinlich auch gedacht. Dann geht es los mit vielen neuen Stücken aus dem aktuellen Album "Hallo Euphoria" und die Instrumente sind so leise, nur das Schlagzeug klopft und tackert, alles andere ist irgendwo, weit weg, der Gesang schwebt seltsam ungreifbar durch den Raum, dass manche von der Tribüne immer wieder "lauter, lauter" rufen.
Gute Band, wenig Spannung
Irgendwie fehlt dem Abend einfach die Energie - und es ist schwer zu sagen, woran das liegt, außer, dass der Sound wirklich lange zu leise ist und der Gesang kaum zu verstehen. Die Sterne haben Bock, das Publikum hat Bock und trotzdem entsteht nur selten Hitze. Die neuen Songs sind oft extrem funky, manche funktionieren richtig gut, wie der Titelsong des aktuellen Albums "Hallo Euphoria", manche kommen einfach nicht in Gang, obwohl sie auf Platte echt gut sind, wie das Leistungsgedankenabgesangstück "Du musst gar nichts".
Frank Spilkers neues Line-up spielt dabei live rein technisch fast besser als das alte. Die Rhythmusgruppe ist seit langem auch bei der Band "von Spar" zusammen und das merkt man Basser und Drummer, der übrigens den weltbesten Schulter-Zuck-Move überhaupt macht, wenn er eine Note besonders betont und dies verzückt mit dem Oberkörper interpretiert, an.
Die alten Mitstreiter hatten sich 2018 nach jahrzehntelanger gemeinsamer Bandgeschichte verabschiedet, die Band sich beinahe aufgelöst. So kam es zum Glück nicht, ein Ende der Sterne wäre zu schade gewesen. Aber an diesem Mittwochabend in Berlin haben sie einfach keine Körperspannung.
Zu nett, zu entspannt?
Vielleicht sind die Sterne einfach zu nett. Frank Spilker ist mit Sicherheit einer der liebenswertesten, uneitelsten, entspanntesten Typen aus dieser Generation von Musikern, die in den 1990er Jahren mit deutschen Texten bekannt geworden sind, unter dem Label "Hamburger Schule" einsortiert wurden - und die immer noch am Start sind.
Seine Interviews sind klug und bescheiden, seine Texte etwas besonderes, seine Art ausnehmend freundlich und entspannt. So entspannt, dass er das vielleicht gar nicht als seine Aufgabe begreift, mal Feuer von der Bühne zu geben, das Publikum mitzureißen. Übertrieben gesagt: Er wirkt eher wie einer aus dem Zuschauerraum, der weiß der Teufel warum jetzt hier auf der Bühne steht.
Und so stehen zwar vor der Bühne die ganz begeisterten Fans und singen mit und tanzen ein bisschen, aber ringsum wird geredet und getuschelt und die Stimmung bleibt etwas kühl, etwas abwartend. Aber worauf warten? Im Saal sind geschätzt 500 Leute, viele aus der Fraktion Jeans und Kapuzenpullover tragender, früher mal jung gewesener und immer noch ganz cooler Menschen, und die haben die Sterne zurecht echt gern, schon lange und immer noch und wirklich enttäuscht, siehe oben, wird ob des Finales keiner gewesen sein. Aber dass die Sterne an diesem Abend eine mitreißende Live-Band gewesen wären, wird wohl auch keiner behaupten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.03.2023, 6:55 Uhr