Konzertkritik | Black Sea Dahu im Huxleys - Schweizer Hippie-Gang auf Dauertour
Die Band Black Sea Dahu kommt aus Zürich, ist aber gefühlt die meiste Zeit des Jahres irgendwo in Europa unterwegs auf Tour. Im Berliner Huxleys verzauberten sie das Publikum mit zerbrechlichem Indie-Folk und lustigen Stories. Von Hendrik Schröder
Welch Hippie Gang, sind die ersten Gedanken, als Black Sea Dahu an diesem Mittwoch Abend auf die Huxleys Bühne kommen. Sängerin Janine Cathrein in wallenden weiten Hosen, bunte Bänder an der Westerngitarre, die aussehen wie von einer Friedensbewegung aus dem Himalaya entworfen. Ihre Schwester, die Bassistin/Gitarristin Vera Cathrein steht nach einer Weile barfuß da, Keyboarder Ramon Ziegler mit Wollmützchen auf dem Kopf ebenso.
Gitarrist/Bassist Pascal Eugster steht auf einem kleinen Podest mit wehenden Locken und im alten Anzug und sieht aus wie Rainer Langhans in seinen besten Jahren. Eigentlich gehört Simon Cathrein, das dritte der drei Gründungsgeschwister noch dazu, aber er geht mittlerweile nicht mehr auf Tour. Geile Truppe so oder so. Und so witzig. In den Ansagen. Die Musik ist ganz zerbrechlich und oft etwas melancholisch und zart, aber die Ansagen sind witzig und selbstironisch.
Do it yourself Künstler*innen
Sehr sweet und herzerwärmend ist das, wie sie mit dickem Schweizer Akzent ihre kleinen selbstironischen Geschichten erzählen. Darüber, dass sie natürlich die Stoffverkleidung rund um das Schlagzeug-Podest selbst genäht haben. Nachdem sie den Stoff selbst gekauft hatten an demselben Tag in Berlin und Musikerin Vera sich noch im Laden an die Nähmaschine gesetzt hat. In einem Laden, in dem sie vor zehn Jahren schon mal waren. Darüber, dass ihr Mikro seltsame Geräusche macht, wenn sie mit den nackten Füßen eine Metallstrebe im Bühnenboden berührt. Darüber, dass ihre T Shirts im Siebdruckverfahren machen und dabei natürlich immer noch vieles selbst.
Und dass sie im vergangenen Jahr 140 Konzerte gespielt haben. Um davon leben zu können. 140 Konzerte. Wahnsinn.
Ein Grundeinkommen, um weniger zu touren
2019 erzählten sie im Interview noch, dass sie 16.000 Franken miese machen pro Jahr und diese vielen Konzerte in ganz Europa eine Investition in die Zukunft seien. Irgendwann, so die Hoffnung, kommen so viele Leute, dass sie etwas bequemer davon leben könnten. Für das aktuelle, zweite Album "I am my Mother" wohnte Sängerin Janine ein halbes Jahr im Proberaum und pappte die Songfragmente zusammen, die sie auf Tour schnell ins Handy gespielt hatte.
Jetzt haben the Black Sea Dahu eine Art Bezahl-Fanclub gegründet, mit dem sie sich ein Grundeinkommen finanzieren wollen, um nicht mehr immer auf Tour sein zu müssen und endlich neue Musik schreiben zu können. Wer Mitglied im Club ist, soll Goodies bekommen, beispielsweise Gästeliste-Plätze.
Manchmal fast langweilig
Einen einzigen kleinen Hit hatte die Band bisher, "in Case I fall for you" der war auf dem ersten Album, das war vor fünf Jahren. Auf dem zweiten Album aus dem vergangenen Jahr war keiner mehr. Aber das ist eigentlich auch egal, darauf kommt es bei the Black Sea Dahu nicht an. Die schreiben fünf oder sechs Minuten lange Songs, die sich langsam aufbauen, mit gezupften Gitarren, die beiden kongenialen Schwestern Vera und Janine singen.
Der Tastentyp spielt ein paar crazy Schüttelinstrumente dazu und der Drummer in seinem Rollkragenpullover und mit seinen filzummantelten Sticks sieht so aus, als würde er alle Kraft zusammen nehmen, nicht wild loszuspielen, sondern das Ruhige, Bedächtige, Gezielte zu behalten. Wenn die Band sich zu sehr verliert in Krautrock Jams, mit zwar voller Lautstärke, aber immer etwas angezogener Handbremse, dann wird es ehrlich gesagt auch ein bisschen langweilig.
Das netteste Publikum für die netteste Band
So richtig stark sind sie, wenn der Gesang sanft und fühlend und immer etwas introvertiert Geschichten zur Musik erzählt: von Polyamorie, dem Gefühl, wenn der Ex-Partner wieder datet und man aus diversen Sachzwängen noch dabei zuschauen muss, von Identitätskämpfen und Familienkonstellationen.
All die Dinge, über die man halt so nachdenkt. Black Sea Dahus Publikum ist bei alldem das netteste der Welt. Gefühlt ein bestens gestimmter Haufen aus individuell und nicht immer günstig gekleideten Bioladenkundenkartenbesitzern. Niemand von ihnen labert rein in die vielen ruhigen Stellen, jede und jeder lacht mit, wenn es was zu lachen gibt, knutscht, kuschelt und tanzt ein ganz kleines bisschen, so richtig drängt sich das Tanzen bei der Musik allerdings nicht auf.
Richtige Band, falscher Club
Nur der Laden war der Falsche. Das Huxleys ist ein großer, wuchtiger Würfel mit ewig hoher Decke. Black Sea Dahu sind eine feinegliedrige Band, die sich nur matt beleuchten lässt und so nahbar und kumpelinenhaft erscheint, dass sie im übertragenen Sinne bei den Fans auf dem Schoß sitzen. Dafür ist das Huxleys zu dominant, das braucht mehr Sound und Wumms, um gefüllt zu werden. Trotzdem ein super Auftritt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.10.2023, 8.00 Uhr