Viele Patienten - wenig Personal - Lage bei Kindermedizin in Berlin ist laut Gesundheitssenatorin "dramatisch"

Di 20.12.22 | 17:48 Uhr
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Symbolbild: Ein Mann betreut seinen achteinhalb Monate alten Sohn, der mit einem Atemwegsinfekt auf der Intensivstation der Kinderklinik liegt und non-invasiv beatmet wird. (Quelle: dpa/C. Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 20.12.2022 | Bild: dpa/C. Soeder

Bereits im Oktober hatten Kinderärzte in Berlin in einem Brandbrief auf kritische Zustände hingewiesen. Nun bringt die aktuelle Erkrankungswelle die medizinische Versorgung an ihre Grenzen.

  • Die hohe Welle von Atemwegserkrankungen bei Kindern und Erwachsenen kann vom Berliner Gesundheitssystem kaum aufgefangen werden
  • Die Opposition wirft Gesundheitssenatorin Gote schlechte Vorbereitung vor
  • Vertreter aus Gesundheitswesen fordern verstärkt Fachkräfteausbildung und bessere Verteilung von Kinderärzten

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hat am Dienstag ein vergleichsweise düsteres Bild der Lage in vollen Kinderstationen, Notaufnahmen und Kinderarztpraxen gezeichnet. "Die Situation ist wirklich dramatisch", sagte sie bei einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus. Für die Patienten und deren Familien, aber auch für das medizinische Personal , sei es gerade "eine sehr, sehr harte Zeit".

Neben dem Influenzavirus kursiert momentan das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) stark, das insbesondere für kleine Kinder und Säuglinge gefährlich sein kann, mit dem sich aber auch Erwachsene anstecken. Vor allem Einrichtungen der Kindermedizin sind dadurch stark ausgelastet. Erschwerend kommt größerer Personalmangel als ohnehin schon hinzu, weil auch Ärzte und Pflegepersonal an Influenza, RSV und Corona erkranken.

Diese Gemengelage treffe auf eine Problematik, die seit vielen Jahren zunehme, nämlich ein strukturell unterfinanziertes Gesundheitssystem und Fachkräftemangel, so Gote. Zudem sei das medizinische Personal nach drei Jahren Corona erschöpft. "Das ist eine Situation, die das ganze noch einmal dramatisch zuspitzt."

Das hat auch Folgen für die Gesundheitsversorgung, die Charité führt bis zum Jahresende beispielsweise keine Eingriffe mehr durch, die verschoben werden können.

 

Wir spüren die Ausfälle überall.

Berlins Gesundheitssenatorin über den hohen Krankenstand in Infrastruktur.

Laut Gote ist die aktuelle Welle von Atemwegserkrankungen bei Kindern und Erwachsenen die bisher folgenreichste dieser Art. "Wir haben in der Stadt und bundesweit einen Krankenstand, der so hoch ist wie noch nie", sagte sie der "Berliner Morgenpost". "Das merken wir im Gesundheitswesen, aber auch in anderen Bereichen wie bei der BVG und der S-Bahn. Wir spüren die Ausfälle überall."

Opposition: Problem über Jahre aufgebaut

Die Opposition richtete schwere Vorwürfe an Gote. "Die dramatische Situation war leider nach den Erfahrungen im Vorjahr vorhersehbar", meinte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Zander. Gote habe die Kliniken nicht ausreichend darauf vorbereitet. FDP-Gesundheitsexperte Florian Kluckert merkte an: "Die Berliner Krankenhauslandschaft - dazu zählen auch die Kinderkliniken und deren Personal - sind heute selbst ein Fall für die Intensivstation." Das sei Resultat eines jahrelangen Reform- und Sanierungsstaus.

Gote wies die Kritik an ihrer Person zurück. "Die aktuelle, sehr komplexe Situation hat sich über viele Jahre aufgebaut", sagte sie der "Morgenpost". "Da müssen sich auch andere fragen, was sie eigentlich getan haben, als sie verantwortlich waren. Ich steuere und moderiere die aktuelle Situation derzeit so, dass wir Lösungen für die akute Entlastung haben", so die Senatorin, die seit einem Jahr im Amt ist.

Nachwuchs bei Fachkräften fehlt

Vertreter aus dem Gesundheitswesen forderten in der Ausschusssitzung neben einer auskömmlichen Finanzierung vieler Leistungen mehr Anstrengungen bei der Ausbildung von Fachkräften. Im ambulanten Bereich sei es "ein riesiges Problem", geeignete medizinische Fachangestellte zu finden, sagte der Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Reinhard Bartezky.

Auf den Kinderstationen fehlten vor allem Pflegekräfte, sagte der Leiter der Kinderklinik im Vivantes-Klinikum Neukölln, Klemens Raile. In der Ausbildung seien die Weichen in der Vergangenheit eher auf Pflege-Generalisten gestellt worden. Nun fehle spezialisiertes Pflegepersonal in der Pädiatrie. Hier sei ein Umsteuern nötig.

Kritik an medizinischen Strukturen in der Stadt

Der Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Burkhard Ruppert, verwies im Hinblick auf die ambulante Versorgung kranker Kinder auf Fehler bei der Bedarfsplanung, die nun Probleme zur Folge hätten. Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde seien ungleich auf die Bezirke verteilt. Vielfach sei der Versorgungsgrad seit Jahren rückläufig. Ruppert forderte mehr Studienplätze für Mediziner.

Der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, Marc Schreiner, verwies darauf, dass Corona noch eine gewichtige Rolle spiele. Momentan würden in Berlins Kliniken 1.150 Patienten mit Covid-19 behandelt, was für das Personal enormen Aufwand bedeute. "Nach drei Jahren Pandemie scheint es Normalität zu sein, dass von Kliniken immer wieder erwartet wird, planbare Operationen zu verschieben", kritisierte er. Das dürfe nicht der Normalfall werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 20.12.2022, 19:30 Uhr

59 Kommentare

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  1. 59.

    Ja finde ich. Denn wenn ansonsten müssten Kinder ja für Ihre Leistungen ja selber einzahlen und dementsprechend Kinderarbeit betreiben.
    Wie das bei Babys laufen soll?
    Und ja zum Teil haben sie Recht bzgl. der Rente. Aber zum Anderen auch nicht.
    Denn wenn es keine Kinder mehr gibt, die irgendwann arbeiten und in die Rentenkasse einzahlen, können sie noch so viel eingezahlt haben und die Rente wird dennoch sinken.
    Daher sollte auch das bei der Rentenauszahlung berücksichtigt werden.

  2. 58.

    Sie finden es gerecht, dass bei der Familienversicherung viele versicherte keinen Beitrag zahlen aber volle Leistung beanspruchen?

    Dass das nicht mehr finanzierbar ist, zeigt sich ja gerade deutlich

    Bei der Rentenversicherung bestimmt jeder seine Altersrente selbst. Durch Einzahlung und Höhe der Einzahlung. Wer nichts einzahlt, bekommt nichts.

  3. 57.

    Haben Sie noch mehr untaugliche Vorschläge? Bei Beitragserhöhung wird gejammert, bei Leistungskürzungen auch. Also nix mit Reformen und den Karren so richtig an die Wand fahren.

    Dadurch dass jetzt die babyboomer in Rente gehen, fehlen Kassen und Rentenversicherung immer mehr Geld.

    Wer keine Beiträge zahlt, sollte auch keine Leistungen bekommen. Gilt auch für die Familienversicherung

  4. 56.

    Keine Kasse für alle spart kein Geld. Sachbearbeiter, Büros und Vorgesetze braucht man trotzdem.

  5. 55.

    Bitte dann das Prinzip auch bei Rente einführen. Wer also keine Kinder hat, muss zwingend mehr einzahlen oder Leistungen gekürzt bekommen.
    Aber da hört das Verständnis dann wohl auf...

  6. 54.

    Das ist eine sehr prägend und traurigste Realität, die greifen an uns ,wenn wir medizinische Versorgung brauchen .

    Alles begann seit den Moment an ,die Pandemie in Europa Weiten Ausbreitung gegeben hat .

    Mittelweile wir haben dazu gewöhnen in dieser gewissermaßen Zustand zu leben , und das medizinische Personal muss kräftig ja , zur Verfügung für uns sein . Im schlimmsten Fall wir müssen ins Krankenhaus gebracht werden .,..

  7. 53.

    Hoch lebe das deutsche Gesundheitswesen

  8. 52.

    Sie scheinen keine Kinder zu haben.
    Es geht hier nicht um wollen, sondern können. Und das sagen sie doch mal den Alleinerziehenden und Kleinverdienern. Die kommen kaum über die Runden.
    Zur Erinnerung, die Kinder von heute zahlen die Steuern und KK Beiträge von morgen. Dies heißt Solidargemeinschaft.
    Sparen geht woanders. Beispiel: Eine KK für alle. Verwaltung gespart.

  9. 51.

    Ich bin FA für Orthopädie und bin orthopädisch-chirurgisch in eigener Praxis mit OP Zentrum tätig.

    Trotzdem muss man nicht wegen jedem Husten zum Arzt oder in die Notaufnahme rennen. Nur in den seltensten Fällen steckt ne Pneumonie ect dahinter.

    Erstmal Hausmittel ausprobieren.

    Ich bin neulich KV Notdienst gefahren. Was hatten die Patienten? Husten. Schnupfen, Blähungen, Muskelverspannungen, Verstopfung, entzündete Zehennägel. Und deswegen wird die 116117 gerufen! Und das ist keine Ausnahme

  10. 50.

    Das ist wieder typisch deutsch. Die Versicherten stellen sich gegen dringend nötige Reformen.

    Was ist daran unfair, dass man für Familienversicherte einen Aufschlag zahlt? Diese Personen beanspruchen auch Leistungen.

    Es ist unverständlich, dass viele Bürger den Ernst der Lage noch nicht kapiert haben.

    Wenn die Abschaffung Familienversicherung nicht geht, müssen halt Leistungseinschränkungen her. Funktioniert in anderen Staaten sehr gut. Nur in Deutschland herrscht Vollkaskomentalität.

  11. 49.

    Wie sagen die Politiker immer, die deutschen haben zu wenig Nachwuchs. Kein Wunder, wer schafft sich noch Kinder in dieser Zeit an. Es fehlt seit Jahren an Kindergartenplätze, die Kranken Versorgung seit Jahren wird immer schlechter, nicht genug Wohnungen, sagt man das angeblich verkehrtehrte ist man Rechts, die Alten können Pflegeheime nicht mehr bezahlen oder gehen Flaschen sammeln. Aber immer noch mehr holen die nichts bringen ausser Kinder die aber kaum eine Schule abschließen.

  12. 48.

    Bei einer diagnostiziert en Lungenentzündung reichen keine Wadenwickel. Ein Arzt sind Sie sicher nicht!

  13. 47.

    Ich bin auch immer wieder überrascht, welche Denkweisen es hier in den Kommentaren gibt.
    Eltern sollen für ihre Kinder KK Beiträge entrichten, wie Bitte?
    Wir erhalten 250€ Kindergeld ab Januar pro Kind.
    Davon muss alles bezahlt werden. Bsp., Teenager essen mehr als die Eltern. Und leider gibt es in Deutschland kaum Ermäßigungen. Eintritt fast nur 10% günstiger. Urlaub gar keine Ermäßigung. Alle Eltern leisten einen großen Beitrag für die Gesellschaft. Wir müssen auf vieles verzichten und dann möchte die Solidargemeinschaft noch KK Beiträge. Unglaublich.

  14. 46.

    Das stimmt so nicht. Kinder waren auch während der Schließungen genug Viren ausgesetzt und das Immunsystem hat durch die Schließungen keinen Schaden genommen.

    Wir sind ständig und überall mit einer Vielzahl von Viren umgeben.

  15. 45.

    Durch Kita- und Schulschließungen wurden die Kinder aber derart isoliert, dass sie kaum Viren ausgesetzt waren. Und die Schulkinder waren diejenigen, die bis zu letzt Maske tragen mussten, als Omi schon längst wieder maskenfrei shoppen gehen durfte. Da sieht man deutlich, wo die Kinder in dieser Gesellschaft stehen. Schlimm, wie man mit der Zukunft umgeht und diese wertschätzt...

  16. 44.

    Wie wäre es denn, wenn die Erwachsenen - und damit meine ich alle, ob sie Kinder haben oder nicht - sich verantwortlich verhalten und in Bussen, Bahnen und Supermärkten etc Maske tragen würden? Für jüngere Kinder gibt es keine ffp2-Masken, sie können nur durch das Maskentragen der Erwachsenen geschützt werden. Und nein, das Masketragen ist nicht schuld an der jetzigen Infektionswelle, das Immunsystem wurde auch so „trainiert“ (zumal kitakinder eh keine Maske getragen haben). Ein leicht verständlicher Beitrag hierzu findet sich zum Beispiel in diesem Blog https://www.schwesterfraudoktor.de/2022/12/11/wir-haben-alle-kein-immunsystem-mehr/

  17. 43.

    In Deutschland gibt's zuviele Betten und zuviele stationäre Behandlungen, die auch Ambulanz durchgeführt werden können.

    Dazu kommt, dass wir Maximalmedizin bis ins hohe Alter fahren.

    Andere Staaten setzen genau da an. Weniger Betten, mehr ambulante Behandlungen und Operation, höhere Zuzahlungen ect

    In Norwegen etwa werden Zahnarztkosten nicht von der Kasse übernommen. Dadurch sinkt der Beitrag deutlich. Die Bürger sorgen für Zahnarztkosten freiwillig privat vor

  18. 42.

    Und wo soll das Personal herkommen? Der Markt ist leer. Den Kliniken und Heimen bleibt noch die Option Zeitarbeitskräfte auszuleihen

    Immer mehr Personal führt auch zu höheren Kosten

  19. 41.

    Der von Ihnen beschriebene Zustand ist nicht lebensbedrohlich. Fieber kann durch Wadenwickel zuverlässig gesenkt werden. Fiebersaft braucht niemand

    Übrigens: ich bin Arzt

  20. 40.

    Das hat nichts damit zutun, dass auch in unseren Praxen die Kisten für Strom, Personal und Praxisbedarf steigen. Unsere Vergütungen müssen um mindestens 20 % steigen.

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