Bürgerservice eingeschränkt - Hinweise auf Cyber-Angriff: Potsdamer Verwaltung kappt Internetverbindung

Fr 30.12.22 | 19:10 Uhr
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Neues Rathaus in Potsdam (Bild: dpa/Soeren Stache)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 30.12.2022 | D. Azzam | Bild: dpa/Soeren Stache

Die Stadt Potsdam ist offline: Nach Hinweisen auf eine Cyber-Attacke sind die Internetserver der Verwaltung vorsichtshalber abgeschaltet worden. Bestimmte Anträge oder Ummeldungen können vorerst nicht bearbeitet werden.

Die Stadt Potsdam hat am Donnerstag die Internetverbindung der Verwaltung vorsorglich abgeschaltet. Es gebe Hinweise auf eine bevorstehende Cyberattacke, hieß es am Donnerstag in einer Pressemitteilung der Stadt. "Wir haben uns entschieden, aus Sicherheitsgründen unsere Systeme offline zu stellen", sagte Oberbürgermeister Mike Schubert. Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) sind im Einsatz, um die Hintergründe zu klären. Ein Krisenstab unter Leitung von Schubert wurde eingerichtet.

Nur telefonisch erreichbar

Durch das Abschalten der Netzwerkverbindungen könne die Verwaltung derzeit keine E-Mails senden oder empfangen, teilte die Stadt am Donnerstag mit. Auch sämtliche Verfahrenssoftware könne aktuell nur eingeschränkt genutzt werden. Insbesondere Anträge von Personalausweisen und Reisepässen, An- und Ummeldungen, das Ausstellen von Urkunden oder Online-Anträge für das Wohngeld seien demnach derzeit nicht möglich. Die Telefone seien aber nicht betroffen.

Die Terminverwaltung und weitere Online-Dienste der Landeshauptstadt waren am Donnerstagabend nicht verfügbar. Schubert warb um Verständnis für den Ausfall. "Wir sehen uns gezwungen, Sie bei allen Anliegen, die die Bürgerserviceeinrichtungen betreffen, um Geduld zu bitten", so der Oberbürgermeister.

Auch Stadtwerke schalten Internet ab

Auch die Stadtwerke Potsdam haben nach dem mutmaßlichen Cyber-Angriff entschieden, ihre Internet- und E-Mail-Verbindungen am Freitagnachmittag abzuschalten. Diese vorsorgliche Maßnahme diene der Gefahrenabwehr und gelte bis zum Montag, teilte das Unternehmen am Freitag mit.

Es seien etwa die Kundendienste betroffen, sagte der Sprecher der Stadtwerke, Stefan Schulz. Aber auch Fahrscheine der Deutschen Bahn könnten nicht verkauft werden. Die Stadtwerke als kommunales Unternehmen sind auch für den Personennahverkehr in Potsdam zuständig.

LKA ermittelt

Es deute viel darauf hin, dass es sich um einen Angriff handele, sagte die Sprecherin des Polizeipräsidiums, Beate Kardels, am Freitag. "Das LKA hat die Ermittlungen übernommen." Drohschreiben mit Forderungen seien der Polizei bislang aber nicht bekannt. Zudem gebe es derzeit auch keine Hinweise auf Cyberattacken gegen weitere Kommunen in Brandenburg.

Die IT-Fachleute des LKA seien im Kontakt mit der Stadt und im Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden wie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), sagte die Polizei-Sprecherin. Die Spezialisten wollen ermitteln, wer hinter dem wahrscheinlichen Cyberangriff steckt. Sie untersuchen auch, ob es Sicherheitslücken im System der Stadt gibt.

Schubert nennt Attacke "asozial" - Ausweichlösung in Arbeit

"Es ist nicht nur kriminell, sondern asozial in so schweren Zeiten, in denen Bürger von der Beantragung und Auszahlung von Wohngeld und Sozialleistungen abhängig sind, dazu nötige IT-Systeme zu attackieren", sagte Schubert laut Mitteilung am Freitag.

Die Stadt sei dabei, die Systeme so auszurichten, dass ab Anfang Januar möglichst mit Ausweichlösungen die Arbeitsfähigkeit insbesondere für die Sozialverfahren aufrechterhalten werden könne.

Die Potsdamer Stadtverwaltung war bereits Anfang 2020 Opfer einer Cyberattacke geworden. Verantwortlich dafür war ihren Angaben zufolge eine Schwachstelle im System eines externen Anbieters. Die Stadt schaltete ihre Server daraufhin für rund eine Woche ab.

Daraus müssten Lehren gezogen worden sein, so der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Potsdam, Matthias Finken. "Und das ist jetzt die Frage, ob man genug getan hat." Er forderte, die Maßnahmen seit 2020 zu überprüfen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.12.2022, 22:00 Uhr

19 Kommentare

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  1. 19.

    Ich habe gehört das jeder Programme installieren kann. Ich hoffe doch sehr das, das eine Fehlinformation ist. Bei normalen Betriebssystem kann das nur ein Systemadministrator erledigen. Falls es hier jeder darf muß man sich über nichts mehr wundern.

  2. 18.

    Naja, Potsdam halt. Darf nüscht kosten aber soll das Non-plus-Ultra der IT-Sicherheit sein. Ein nicht sehr unwahrscheinliches Szenario. Der allgegenwärtige Personalmangel verschärft die seit Jahren indiskutable Situation bei den Dienstleistungen für den Bürger zusätzlich.
    Und wie hier schon mehrfach erwähnt, das Leben nur mit Digital & Co zu ordnen und zu regeln hat Grenzen. Eventuell setzt bei den Jüngern der totalen Digitalisierung/Überwachung ein Nachdenken ein. Ich habe daran allerdings meine Zweifel.

  3. 17.

    Also, ich bin ja total überrascht, dass IT-Fachleute des LKA sich der Sache annehmen. Bei den von allen Seiten beschriebenen Digitalisierungsrückständen konnte ich mir nur vorstellen, dass jemand die Trommeln geklaut hat.

  4. 16.

    Das wäre ja ne Idee, aber nach all der Post zu Gaspreisen und Gedöns hat es offenbar für ne Karte nicht mehr gereicht...

  5. 15.

    "In der Tat: Noch nie war die Gesellschaft stärker einem Zentralismus zugetan als heute. Es ist kein Autokrat, der dies eingeführt hätte, vielmehr das Denken, dass technische Effizienz alles sei. "

    Genau! aber leider wird unsere hochentwickelte, technisierte und digital vernetzte Gesellschaft erst dann umdenken, wenn es zu spät ist. Vier Wochen (wahrscheinlich reichen schon ein oder zwei) ohne Internet - die Weltwirtschaft wird kollabieren! Und die Folgen werden dann weitaus schlimmer sein als die Folgen des Russland-Krieges gegen die Ukraine (den ich natürlich verurteile) ...

  6. 14.

    "Dumm nur mit den Stadtwerken - jetzt, wo alle den Zählerstand durchgeben wollen oder müssen, geht nix *_* " Also hier in Ffo wäre das gar kein Problem. Ich habe von den Stadtwerken eine klassische Postkarte geliefert bekommen, auf der ich per Hand die Zählerstände eintragen kann und das an die Stadtwerke zurückschicke/dort einwerfe.

  7. 13.

    Die Folge, wenn Systeme nur nach dem Motto "Hauptsache billig" gefahren werden statt robust.
    Erschwerend kommt dann noch die große Abhängigkeit zu einem großen Softwareanbieter dazu.

  8. 12.

    In unserem nicht digitalen Land dürfte die Abschaltung kaum auffallen ;-)

    Dumm nur mit den Stadtwerken - jetzt, wo alle den Zählerstand durchgeben wollen oder müssen, geht nix *_*

  9. 11.

    ""B-Pläne" für ein Funktionieren OHNE Internet gibt es vermutlich nicht" Muß es geben, spätestens für den Verteidigungsfall - wir müssen in der Firma auch im Notbetrieb arbeitsfähig bleiben bei Kappung des Internetzugang und Stromausfall und haben das auch der Akkreditierungsstelle nachzuweisen.

  10. 10.

    Genau so sehe ich das schon lange. Wie sah die Welt eigentlich vor dem Internet aus...,ich weiss es noch.
    Für die Zukunft kann ich nur sagen,das Internet kann man nicht essen,nicht trinken,es fährt niemanden irgendwohin,es erledigt keine Feldarbeiten der Bauern,es räumt keine Regale im Supermarkt ein,es pflegt keine alten Menschen,es ersetzt keinen Arzt,es räumt nicht die Wohnung auf,es kocht nicht,es wäscht nicht,es macht kein Licht,es macht meine Wohnung nicht warm,es bezahlt unsere Rechnungen nicht,... aber für unsere Junge Generation ist es über lebenswichtig,weil,sie mittlerweile nichts mehr mit ihren Händen anzufangen wissen,ich hoffe,dass es vielleicht irgendjemandem auffällt.
    Guten Rutsch und einen erfolgreichen Jahresstart!

  11. 9.

    In der Tat: Noch nie war die Gesellschaft stärker einem Zentralismus zugetan als heute. Es ist kein Autokrat, der dies eingeführt hätte, vielmehr das Denken, dass technische Effizienz alles sei.

  12. 8.

    Die Abhängigkeit unserer (global vernetzten) Wirtschaft von einem funktionierenden, schnellen Internet ist meiner Meinung nach viel gefährlicher als die bisherige Abhängigkeit von russischem Erdöl und -gas!
    Öl und Gas kann woanders gekauft werden - aber ein "Ersatzinternet" gibt es nicht!

  13. 7.

    unsere Wirtschaft und Gesellschaft ist bereits bzw. begibt sich sehenden Auges in die Abhängigkeit vom Internet.
    Wenn wegen Cyberangriffen oder technischen Problemen Behörden, Banken, Krankenhäuser, Supermärkte usw. in einen "Offline"-Modus schalten müssen, geht dort nichts mehr.
    "B-Pläne" für ein Funktionieren OHNE Internet gibt es vermutlich nicht.
    Selbst erlebt beim Kauf eines Tickets für eine Sportveranstaltung an der Tageskasse der Halle: "Wir können keine Eintrittskarten verkaufen, weil wir gerade kein Internet haben."
    Warten wir mal ab was passiert, wenn einige der "fragilen Lebensadern des Internets" (Der Spiegel, 02.02.2015: "Untersee-Kabel: Die fragilen ...") durch Natur- oder menschgemachte Gewalten zerstört werden!

  14. 6.

    Gegenwärtig ist ein Stand erreicht, in dem technische Hilfsmittel kein verlängerter Arm mehr sind, sondern den menschlichen Arm schlichtweg ersetzt haben. Im Großen wie im Kleinen: eine selbst eingangene Abhängigkeit allumfassenden Ausmaßes, um den Preis größerer Schnelligkeit.

  15. 5.

    An alle die meinen, man könne doch weiter arbeiten: Nicht unbedingt! Bei unserer Berliner Behörde sind alle Anwendungen server-basiert, also ohne Internetverbindung bekomme ich weder Daten noch ein Formular, da läuft NICHTS. Und Papierformulare haben wir schon seit Jahren nicht mehr, gäbe es noch Altbestände, wären die wohl nicht mehr nutzbar, da sich ständig etwas ändert. Das wird in Potsdam nicht viel anders sein.

  16. 4.

    Leider kann das in der heutigen digitalen Zeit immer wieder passieren. Es wäre deshalb von Vorteil für ALLE Verwaltungen, Bürgerservices,einen Plan B, also analog, in Papierform, zu nutzen. Das hat ja vorher auch gut funktioniert. Den Bürger eine Wartenummer ziehen lassen und dann die Anträge/Anliegen manuell bearbeiten. Oder bekommt das ein Verwaltungsfachangestellter heute nicht mehr hin? Nur weil die Software vorübergehend nicht funktioniert, die Bürgerdienste gleich ganz einzustellen? Wie armselig ist das denn?! Papier ist geduldig und letztendlich werden diese AdÖD/Beamten von unseren Steuergeldern bezahlt.

  17. 3.

    Weil das mündlich vorgetragen wurde, denke ich, dass das die rbb-Redaktion vermasselt hat - analog dessen, dass "sie" trotz wörtlicher Anrede kleingeschrieben wurde.

  18. 2.

    Ist das nicht Routine und eine Daueraufgabe? Formulare kann man sehr wohl offline bearbeiten und ablegen. Verschicken geht dann später immer noch. Also kein Grund die Arbeit einzustellen. (Vermutlich wird das auch nicht gemacht)

  19. 1.

    Ist „Wir sehen uns gezwungen (…)“ usw. ein buchstabengetreues Zitat des Oberbürgermeisters? Dann hat der Cyberangriff auch die Rechtschreibung attackiert und Kommata gestohlen.

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