rbb-Krise - 1,4 Millionen Euro für Rechtsberater zur Aufklärung der Schlesinger-Affäre
31 Rechtsanwälte sind laut rbb-Recherchen bislang mit der Aufarbeitung der rbb-Krise befasst. Die Kosten: mehr als 1,4 Millionen Euro. Fragen wirft die Kooperation zwischen den Anwälten und der Generalstaatsanwaltschaft auf. Von Gabi Probst
Seit Mitte Juli soll die Kanzlei Lutz/Abel aus München und Hamburg Missstände und fehlerhafte Strukturen im rbb prüfen, die zuvor in der Presse bekannt wurden. Außerdem soll sie Handlungsempfehlungen abgeben. Insgesamt stellten 31 Anwälte von vier Rechtsanwaltskanzleien von Juli bis Ende November dem rbb über 1,4 Millionen Euro in Rechnung. Das geht aus Dokumenten hervor, die exklusiv vorliegen.
Allein Lutz/Abel hat über eine Million Euro für 20 Anwälte in Rechnung gestellt. Es wird telefoniert, gemailt, per Video geschaltet, sich abgestimmt. Die meisten der Rechtsanwälte stellen diesen Austausch mit den Kollegen, aber auch mit den anderen Kanzleien minutiös in Rechnung. Der Stundensatz beträgt 250 bis 500 Euro.
Verschwendung von Beitragsgeldern?
"Absurd und nicht nachvollziehbar" nennen das mehrere Rechtsexperten, die sich die Rechnungen anschauten. Zwei äußern sich öffentlich. Der Prodekan und Leiter der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität (HU), Martin Heger, sagt, er könne verstehen, dass sich der rbb punktuell Rechtsbeistand holt, zum Beispiel von Arbeitsrechtlern wegen der umstrittenen Dienstverträge. Aber 31 Anwälte, das sei eine Verschwendung von Rundfunkbeiträgen.
Uwe Hellmann von der Universität Potsdam sagt: "Ich denke nicht, dass der Aufwand zu einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht, wenn man ein ganzes Heer von Anwälten beschäftigt für in der Sache eher überschaubare Vorwürfe."
Bislang ist der Ertrag auch überschaubar. Im Zwischenbericht vor dem Rundfunkrat im Oktober 2022 stand - nach einem viertel Jahr Prüfung - nicht sehr viel mehr, als was zuvor in der Presse stand.
Doppelte Arbeit abgerechnet
Doch was genau tun die insgesamt 31 Anwälte? Neben Lutz/Abel sind zwei Strafrechtskanzleien sowie einer Wirtschaftskanzlei tätig. Neben der Compliance-Untersuchung beschäftigten sich die Anwälte mit Arbeitsrecht, aber auch strafrechtlichen Fragen.
Rechtsexperten kritisieren, dass die Anwälte doppelte Arbeit abrechnen und Leistungen für die Generalstaatsanwaltschaft erbringen, für die der rbb gar nicht zuständig sei. Seit August 2022 ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger und vier weitere Personen. Jede hat einen eigenen Rechtsbeistand.
Die Generalstaatsanwaltschaft fordert Unterlagen und Beweismittel vom rbb. Eine Strafrechtskanzlei rechnet in dieser Sache ab: "Durchsicht, Zusammenstellung und Übergabe der Unterlagen". Auch Telefonkonferenzen und Treffen mit den Ermittlern stellen die Strafrechtler in Rechnung. Laut Heger bräuchte der rbb die Unterlagen einfach nur herausgeben, weil Staatsanwaltschaften nichts Illegales verlangen würden: "Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum zur Bearbeitung von der Staatsanwaltschaft eingereichten Listen externer Rechtsrat eingeholt und natürlich bezahlt werden muss".
Doch die Rechnungen zeigen, nicht nur die Strafrechtskanzlei, auch die anderen Kanzleien beschäftigten sich damit: offenbar doppelte Arbeit. Ein Beispiel von vielen: Auch Lutz/Abel rechnet mehrmals die "Durchsicht (von) Auskunftsverlangen der Generalstaatsanwaltschaft" ab. Allein an zehn Tagen im August geht es um "Korrespondenz...wegen Auskunft an die Generalstaatsanwaltschaft, Abstimmung sowie Planung (der) Besprechung mit der Generalstaatsanwaltschaft."
Allein drei Anwaltskollegen beschäftigen sich an einem Tag acht Mal mit der "Abstimmung und Durchsicht zur Herausgabe von Beraterverträgen an die Generalstaatsanwaltschaft". Stundensatz 250 bis 300 Euro. Aber was muss bei der Herausgabe von Unterlagen vorher abgestimmt werden? Lutz/Abel möchte dazu keine Fragen beantworten.
Kooperation mit der Generalstaatsanwaltschaft: gefilterte Unterlagen?
Profiteur der vom rbb bezahlten Arbeit ist die Generalstaatsanwaltschaft. Kein Einzelfall. Experten wie der Potsdamer Professor Hellmann verzeichnen seit langem den Trend, dass sich Staatsanwaltschaften auf Anwaltskanzleien verlassen. Besonders kritisch sei es, wenn die Kanzleien von denen bezahlt werden, die im Visier der Ermittler stehen - wie beim rbb.
"Der Beitragszahler bezahlt die Aufwendungen für die Anwälte, die letztlich einen erheblichen Anteil der Arbeit der Staatsanwaltschaft übernehmen, die also Material sammeln für die Staatsanwaltschaft, die normalerweise die Staatsanwaltschaft, die durch den Steuerzahler bezahlt wird, selbst sammeln müsste", sagt der HU-Professor Heger.
Sein Kollege Hellmann sagt: "Wenn über viele Stunden darüber gesprochen worden ist, welche Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden, dann wird am Ende das Ergebnis gestanden haben, dass nicht alle Informationen weitergegeben worden sind und dann hat die Staatsanwaltschaft eben kein vollständiges Bild erhalten. Also meiner Ansicht nach muss die Staatsanwaltschaft selbst ermitteln." Heger ergänzt: "Es besteht die Gefahr, dass durch die Vorauswahl des Materials durch die Anwälte eine gewisse Schlagseite entsteht."
Vorgefilterte Unterlagen? Zur Pflicht von Ermittlern gehört es, sich ein Gesamtbild zu machen, so Paragraf 160 der Strafprozessordnung. Und da die Leitungsebene des rbb beteiligt war und im Laufe der Zeit immer neue Vorwürfe und immer neue Beschuldigte auftauchten, hätte die Generalstaatsanwaltschaft von Anfang an allumfänglich selbst beschlagnahmen müssen, so Heger. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass von interessierter Seite nur "passende" Beweismittel herausgegeben oder auch Beweismittel unterdrückt werden, sagen die Experten.
Laut Heger sollte man hier möglicherweise sogar den Straftatbestand der Veruntreuung von Beitragsgeldern prüfen. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin indes bestätigt die Kooperation mit einer Kanzlei, doch weitere "Auskünfte werden wegen andauernden Ermittlungen nicht erteilt", schreibt sie auf Anfrage.
Die Kanzlei Lutz/Abel beruft sich auf die Schweigepflicht. Der rbb antwortet auch nicht auf Fragen. Die Pressestelle teilt mit, dass man erst den nächsten Bericht der Compliance-Untersuchung abwarten will.
Mehr als 1,4 Millionen Euro für 31 Rechtsberater. Die Rechnungen für Dezember und Januar sind noch gar nicht gestellt. Am Freitag tagt der rbb-Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag. Der Obmann der CDU, Björn Lakenmacher, will den Fall dort thematisieren. "Auch das ist Geld des Beitragszahlers, das der rbb nicht verschwenden darf", so Lakenmacher.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.01.2023, 19:30 Uhr