Erste Waldbrand-Konferenz - Kampf dem nächsten Feuer
In keinem anderen Bundesland lodert es häufiger in den Wäldern als in Brandenburg. Die Klimaerwärmung erhöht die Gefahr. Um kurzfristige Lösungen gegen die Bedrohung zu finden, richtet das Land erstmals eine Konferenz aus – und lotet dabei auch bisherige Tabus aus. Von Hanno Christ
- Die Landesregierung ruft alle Beteiligten zur effektiveren Waldbrandbekämpfung auf
- Auch der Bund soll helfen
- Kommunen arbeiten an eigenen Brandschutzkonzepten
- Auch Besiedlungsverbote in und an Waldgebieten werden diskutiert
Früher war der dichte Kiefernwald in Fichtenwalde einfach nur schön für seine Bewohner. Schattenspender. Frischluftoase. Heute wird er den Menschen in heißen Sommern zuweilen zur Bedrohung.
In den vergangenen Jahren waren die Bewohner der Waldsiedlungen südlich von Potsdam besonders geplagt von Waldbränden. Dicht an dicht stehen Bäume und Häuser beieinander. Ortsteile von Treuenbrietzen und Beelitz mussten wiederholt evakuiert werden. Die Menschen wussten morgens nicht, ob sie abends womöglich vor den verkohlten Trümmern ihrer Häuser stehen würden.
Cornelia und Jörg Wirth etwa leben seit 1978 in ihrem Haus in Fichtenwalde, nicht mal 50 Meter trennen sie vom Wald. Doch noch nie waren die Sorgen um ihr Heim so groß wie in den vergangenen Jahren. 2018 zogen dichte Rauchschwaden durch die Straßen, der Waldbrand an der nahegelegenen Autobahn nahm den Wirths die Luft zum Atmen. Sie saßen auf gepackten Koffern, bereit zu gehen.
Nur knapp entkam das sonst so ruhige Fichtenwalde damals der Katastrophe. Die Eindrücke auf die Wirths damals waren apokalyptisch. "Es war schon ziemlich beängstigend", sagt Jörg Wirth. "Das Schlimmste waren die Sirenen, die Hubschrauber. Ich habe noch keinen Krieg mitgemacht. Wir hatten alle Angst", erinnert sich Cornelia Wirth.
Waldbrandrisiken wachsen
Bislang sind in Brandenburg keine Menschen durch Waldbrände zu Tode gekommen. Wohnhäuser wurden evakuiert, aber nicht beschädigt. Im Süden des Landes brannte im vergangenen Jahr ein Schweinestall nieder.
Statistisch gesehen hat sich der Schaden im vergangenen Jahr trotz anhaltender Dürre sogar verringert. Die Gesamt-Fläche verbrannten Waldes war laut Waldzustandsbericht im vergangenen Jahr geringer, allerdings loderte es besonders häufig - insgesamt etwa 500 Mal.
Dass es nicht zu noch größeren Bränden mit Personen und Sachschäden gekommen ist, ist einem mittlerweile eingespielten System von Waldbrandbeobachtung, -früherkennung, Feuerwehren, Technischem Hilfswerk und Bundeswehr zu verdanken. Die teils immensen Kosten für die Waldbrandbekämpfung aber steigen, die vielen freiwilligen Feuerwehren kommen im Sommer an personelle Belastungsgrenzen und ringen gleichzeitig mit einer schwindenden Zahl von Feuerwehrleuten.
Der Waldumbau, der die Region künftig weniger anfällig für Brände machen soll, kann mit den Auswirkungen der Klimakrise nicht Schritt halten. Die Klimaprognosen für Brandenburg sagen immer weniger Niederschläge voraus, der Wald ist durch Dürre und Schädlinge so geschädigt wie noch nie. Kurz: Das Problem Waldbrand wird größer, nicht kleiner. Der Beratungsbedarf ist riesig.
Bund soll mithelfen
Auch deshalb kommen am Donnerstag unter dem Dach der Staatskanzlei möglichst alle zusammen, die in der Waldbrandbekämpfung etwas zu sagen haben. Mit dabei sind unter anderem Innenministerium, Wald- und Klimaministerium, Infrastrukturministerium und Finanzministerium – und auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) macht das Thema zur Chefsache. Es geht um die Ausstattung von Feuerwehren, den Umbau des Waldes, die Finanzierung der Brandbekämpfung und die Räumung alter Munition, von der in Brandenburg immer noch reichlich in den Wäldern liegt.
Und sicherlich wird wohl auch wieder über Löschflugzeuge gesprochen. Auch deshalb hätte sich Brandenburgs Landeschef Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Tisch gewünscht, ebenso wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), um über den Einsatz von Bundeswehrgerät zu beraten. Die Ministerinnen haben sich entschuldigen lassen. Ein Auge auf die Konferenz dürften sie trotzdem werfen. Mit der Veranstaltung will die Staatskanzlei auch ein Zeichen setzen, das Thema größer zu denken. Sie soll auch eine Art Pilot für andere Bundesländer sein – und über Dinge beraten, die bislang undenkbar schienen wie etwa die Frage, ob künftig überhaupt noch in Deutschlands Wäldern gebaut werden darf.
Wird Bauen im Wald verboten?
Noch ist unklar, ob die Politik einen solchen Weg wirklich einschlägt – und auch, wie das Ziel zu erreichen wäre. Über die Waldgesetze der Länder, deren Bauordnungen oder über eine Bundesregelung? Brandenburg ist zu 37 Prozent noch von Wald bedeckt und damit eines der baumreichsten Bundesländer der Republik.
Bei einer neuen Besiedlungs-Regelung könnte sich das waldreichste Land am waldärmsten orientieren. In Schleswig-Holstein etwa ist ein Abstand von 30 Metern zwischen Siedlungen und Wald per Gesetz vorgeschrieben. Der große Unterschied: In Brandenburg wäre bei viel Wald und immer mehr Zuzug immer häufiger mit Konflikten zu rechnen. Kommunen könnten Flächen nicht mehr zur Bebauung ausweisen, private Waldbesitzer müssten auf Einnahmen verzichten. Besiedlungsverbote wären also politisch ein heißes Eisen.
Kommunen entwickeln eigene Konzepte
In Beelitz versuchen sie, im besten Falle einen anderen Weg zu gehen. Auf das Image einer Waldstadt ist die Gemeinde bis heute stolz. Davon möchte sie nicht abrücken. Nach den heftigen Bränden im vergangenen Sommer setzten sich Stadtspitze mit Förster und Feuerwehr zusammen. Die Stadt beauftragte eigens eine Waldbrandexpertin, ein Konzept zur Gefahrenabwehr zu erarbeiten.
Dazu gehören nicht nur Brandschneisen, sondern vielmehr grüne Pufferzonen zwischen Siedlungen und Wald. Diese Zone zieht sich wie in Band um die Ortschaften, bestehend aus drei Schutzstreifen. Nur das schmale, innere Band soll baumfrei sein, darauf folgen ein sogenannter Lichtwald mit ausgedünntem Baumbestand möglichst ohne Bodenvegetation und ein ebenfalls ausgedünntes weiteres Baum-Band. Schafe sollen dazu beitragen, dass möglichst wenig zwischen den Bäumen wächst. Diese Waldweide, die in vielen Ländern Südeuropas praktiziert werde, könnte auch in Beelitz Anwendung finden, wird die Expertin für integrative Waldbrandvorsorge, Julia Baumann, auf der Seite der Stadt zitiert.
Das Konzept ist in Beelitz derzeit in der Abstimmung, wie genau es umgesetzt wird, lassen die Beteiligten noch nicht erkennen. Derweil werden im Ortsteil Beelitz-Heilstätten weitere Stadtgebiete entwickelt. Dort entsteht in bester Lage und im Ensemble der denkmalgeschützten ehemaligen Lungenheilanstalt ein neues Viertel. Die Waldgrenze ist auch hier nur wenige Meter entfernt von den schmucken Häusern. Die Investoren werben auf ihrer Seite mit "Wald von allen Seiten". Mehr grün, heißt es dort, ginge nicht.
Bewohner fürchten den nächsten Hitzesommer
Diejenigen, die schon länger hier leben, trotzen dem Risiko. Das Ehepaar Wirth in der Waldgemeinde Fichtenwalde sagt, man fühle sich hier wohl. In die Stadt ziehen wollten sie nicht. Auch wenn die Gefahren größer werden. Das Wetter habe sich irgendwie verändert.
Dem nächsten Sommer blickt das Ehepaar mit gemischten Gefühlen entgegen. "Wir können nur hoffen, dass sich alle benehmen und keine Kippen wegschmeißen", sagt Cornelia Wirth. Eine gewisse Angst sei schon da.