Gerichtliche Beschwerde ohne Erfolg - Land Berlin darf Tragen von Kopftüchern nicht pauschal verbieten
Muslimischen Lehrerinnen darf das Tragen eines Kopftuchs nicht pauschal verboten werden. Ein Beschwerde des Landes Berlin beim Bundesverfassungsgericht blieb damit erfolglos. Die Entscheidung könnte Folgen für das Neutralitätsgesetz haben.
- Land Berlin darf muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern im Unterricht nicht verbieten
- Kopftuchverbot ist Bestandteil des umstrittenen Neutralitätsgesetzes
- Bundesarbeitsgericht hatte 2020 das Gesetz für gesetzeswidrig erklärt
- Senatsbildungsverwaltung hat sich zur Entscheidung der Karlsruher Richter noch nicht geäußert
Das Land Berlin darf Lehrerinnen nicht pauschal das Tragen von Kopftüchern verbieten. Das
Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde des Landes gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Kopftuchverbot "ohne Begründung nicht zur Entscheidung an". Das sei bereits am 17. Januar geschehen, teilte ein Sprecher des Karlsruher Gerichts am Mittwochabend mit. Zuvor hatte die Katholische Nachrichten-Agentur berichtet.
Damit steht das seit 2005 geltende Neutralitätsgesetz, in dem auch das Kopftuchverbot verankert ist, in Frage. Das Gesetz untersagt Lehrkräften und anderen Pädagogen an öffentlichen Berliner Schulen das Tragen religiöser Symbole im Dienst. Das kann ein Kopftuch sein, aber auch ein Kreuz oder eine Kippa.
Berlin war das erste Bundesland, das nicht nur das Kopftuch bei muslimischen Lehrerinnen, sondern auch etwa bei Richtern und Polizisten christliche Symbole unter bestimmten Voraussetzungen auf den Index setzte.
Kopftuchverbot zuletzt 2020 verhandelt
Bereits im August 2020 hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit Verweis auf die Religionsfreiheit das Berliner Gesetz für grundgesetzwidrig erklärt. Einer Muslimin, die wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst übernommen worden war, sprach das Gericht eine Entschädigung von 5.159,88 Euro zu, weil sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei. Es bestätigte damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom November 2018.
Das Land reichte nach der Entscheidung des höchsten Arbeitsgerichts im Februar 2021 eine Verfassungsbeschwerde ein. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im November 2021 kündigte die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch, derzeit Berliner Bürgermeisterin und Umweltsenatorin, eine Änderung des Neutralitätsgesetzes an, falls das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung von 2015 bleibe. Karlsruhe hatte damals entschieden, dass solche Verbote im Bildungsbereich nur zulässig sind, wenn der Schulfrieden konkret gefährdet ist.
Unter welchen politischen Verhältnissen das Gesetz nun geändert werden kann, ergibt sich erst nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhauses am 12. Februar.
Die Senatsverwaltung für Bildung äußerte sich am Mittwochabend zunächst nicht.
Neutralitätsgesetz umstritten
Im letzten Jahr hatte eine Expertenkommission zu antimuslimischem Rassismus in der Berliner Verwaltung das Gesetz kritisiert. Das Gesetz sei eine "systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegenüber Frauen mit Kopftuch" und damit ein Beispiel für die "institutionelle und strukturelle Praxis des antimuslimischen Rassismus", schrieb die Kommission in ihrem Abschlussbericht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.02.2023, 22:00 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 02.02.2023 um 07:40 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.