100.000 Tiere pro Jahr - Passt eine Bio-Hähnchenmastanlage ins Dorf?
Bio liegt im Trend, besonders bei Discountern. Moderate Preise und trotzdem ein gutes Gefühl. Das hat auch Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen aus Ostprignitz-Ruppin erkannt. Er will er eine Bio-Hähnchenmastanlage errichten. Von Björn Haase-Wendt
Im hohen Norden Brandenburgs nahe Heiligengrabe (Ostprignitz-Ruppin) soll nach dem Willen von Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen eine Bio-Hähnchenmastanlage für jährlich insgesamt 100.000 Tiere entstehen. Er will so einen Discounter beliefern. Doch ist das noch Bio und passt das zum Dorf? Die Dahlhausener sagen Nein und lehnen das Projekt ab.
Angespannt steht Grünhagen an der Landesstraße zwischen Dahlhausen und Kolrep in Ostprignitz-Ruppin. Der 26-Jährige hat die Einwohner eingeladen, um sie doch vom Projekt zu überzeugen. Denn sowohl der Ortsbeirat als auch die Gemeindevertretung von Heiligengrabe lehnen die Bio-Hähnchenmastanlage ab. "Es sind zwei kleine Stallanlagen geplant für insgesamt rund 19.000 Tiere, in denen Hähnchen nach hohen Bioland-Standards gehalten werden", erklärt der Landwirt.
Klein heißt: Die Ställe werden jeweils rund 600 Quadratmeter groß sein, hinzu kommt Grünland, auf dem die Hähnchen die letzten Wochen vor ihrer Schlachtung leben werden. Fünf Durchläufe sind pro Jahr geplant – insgesamt geht es also um etwa 100.000 Tiere, die in den Ställen im Jahr großgezogen werden, bevor sie nach 70 Tagen geschlachtet und über einen Discounter vermarktet werden.
Sorge vor Lärm, Geruch und Ungeziefer
Die Dahlhausener machen beim Vor-Ort-Termin aber klar, was sie vom Projekt halten. "Ich will das nicht, ich will mir nicht die Ställe angucken, wenn ich morgens aus dem Fenster gucke", ruft ein Dahlhausener wütend, der direkt am Ortsausgang wohnt. Gut 700 Meter von seinem Grundstück entfernt sollen die Stallanlagen entstehen. Viel zu nahe, finden die Einwohner, wie auch Andreas Kobow.
Er befürchtet Geruchsbelästigungen, Krankheiten und Ungezieferplagen, die durch den Stall seiner Ansicht nach drohen könnten. "Und es geht natürlich um den ersten Eindruck, wenn man in unser eigentlich schönes Dorf kommt. So ein Massentierstall – das kann es nicht sein." Auch Anwohnerin Anke Glaser fürchtet um die noch relativ unverbrauchte Landschaft. "Das würde ich gerne als Zukunftspotential an die nächste Generation weitergeben", sagt sie.
Halle in Leichtbauweise
Junglandwirt Jan-Steffen Grünhagen versucht noch zu retten, was zu retten ist. Es wird keinen großen Eingriff in die Landschaft geben, erklärt er den Einwohnern direkt auf dem Feld, wo künftig die Ställe stehen werden. "Wir tragen nicht viel Boden ab, setzen nur kleine Fundamente und die Halle wird in Leichtbauweise errichtet", erklärt der 26-Jährige. Auch die befürchteten Geruchsbelästigungen werde es seiner Ansicht nach nicht geben. "Die Masthähnchen kommen erst ab der vierten oder fünften Woche vor die Ställe. Von den Erfahrungen aus Wernikow weiß ich, dass man schon am Zaun rund um die Anlagen nichts mehr riecht."
Forderung: Ställe weiter weg vom Ort
Aber die Einwohner glauben das nicht, auch weil sie schon bei anderen Projekten im Ort schlechte Erfahrungen gemacht haben. Etwa beim Bau eines Solarparks. Auch dort wurde ihnen versprochen, dass das Umfeld begrünt wird und die Anlagen nicht zu sehen sein werden. Bis heute ist das nicht passiert, kritisiert Norbert Gottschalk aus Blumenthal. Und sie wurden vom Bau der Hähnchenmastanlage überrumpelt. Erst nachdem es eine erste Entscheidung in der Gemeindevertretung gab, wurden die Einwohner über die Pläne informiert.
Auch aufgrund dieser Erfahrung bleiben sie bei ihrer Forderung: Die Ställe sollen gar nicht erst gebaut werden oder deutlich weiter weg vom Ortsausgang – am besten näher an ein Waldgebiet heran, so dass sie nicht mehr zu sehen sind.
Landwirt überarbeitet Planungen
Bauer Grünhagen hatte aufgrund der Kritik bereits seine Planungen überarbeiten lassen. Die Ställe könnten zusätzliche 70 Meter weiter vom ursprünglich geplanten Standort wegrücken und es sei ein Sichtschutzwall geplant. Mehr sei aber nicht möglich, erklärt er und beruft sich auf die gesetzlichen Auflagen: "Da wir gewisse Abstände etwa zu Wäldern, zu Gewässern, Mooren, Orten und Naturschutzgebieten einhalten müssen." Auch andere Standorte in der Region kämen nicht in Frage, weil man sich mit den Eigentümern nicht über den Kaufpreis hätte einigen können oder die Flächen nicht zum Verkauf stehen würden.
Einigung nicht in Sicht
Der junge Landwirt will in den nächsten Wochen weiter mit den Einwohnern sprechen, Umweltgutachten vorlegen und die Bedenken ausräumen. "Ich möchte in meiner Region was auf die Beine stellen und möchte aber auch vor Ort mit den Leuten klarkommen, deshalb habe ich mich bereits zum vierten Mal den Fragen der Einwohner gestellt und werde das auch weiter tun." Doch die Fronten sind in Dahlhausen verhärtet, das sieht auch Anwohner Andreas Kobow so: "Ich denke nach heute nicht, dass es zu einer Einigung kommt. Da werden jetzt die Messer gewetzt, jetzt geht's zur Sache."
Das letzte Wort hat die Kreisverwaltung von Ostprignitz-Ruppin, sie muss in den kommenden Monaten über den Bauantrag für die Bio-Hähnchenmastanlage entscheiden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.02.2023, 14:40 Uhr