Zwei Petitionen - Rammstein-Konzerte in Berlin: Zehntausende fordern Absage

Di 20.06.23 | 22:00 Uhr
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Rammstein Frontsänger Till Lindemann (r) feuert auf der Bühne mit einem Flammenwerfer auf Band-Mitglied Christian Lorenz (l) bei einem Konzert im Rahmen der Deutschland-Tournee am 18.06.2022 mit dem Album "Zeit":(Quelle:dpa/M.Krudewig)
Video: rbb24 Abendschau | 19.06.2023 | F. Michaelis | Bild: dpa/M.Krudewig

Drei Mal will Rammstein im Juli im Berliner Olympiastadion auftreten. Dagegen formiert sich immer größerer Widerstand im Netz, aber auch in der Politik. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fordert ein deutliches Signal.

  • Zwei Online-Petitionen fordern Absage der Konzerte in Berlin
  • Rammstein wollen am 15., 16. und 18. Juli im Olympiastadion auftreten
  • Innensenatorin Spranger sieht keine Möglichkeit einzuschreiten
  • Auch Antisemitismusbeauftragter hält Konzerte für "fragwürdig"

Nach den Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann machen sich zwei Online-Petitionen gegen die Konzerte der Band stark, die an drei Juli-Abenden im Berliner Olympiastadion geplant sind. Dabei sind bis Montag bereits zehntausende Stimmen zusammengekommen.

Unter dem Petitionstitel "Keine Bühne für Rammstein" [campact.de] werden Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Kultursenator Joe Chialo (CDU) sowie der Geschäftsführer des Austragungsortes Olympiastadion, Timo Rohwedder, aufgefordert, die drei Berliner Konzerte abzusagen. Diese sind mit jeweils 75.000 Zuschauern ausverkauft.

"Spranger und Chialo müssen handeln!"

"Solange die Vorwürfe nicht geklärt sind, sind Konzerte der Band kein sicherer Ort für Mädchen und Frauen. Jetzt gilt es zu zeigen, dass Berliner*innen mutmaßlichen Tätern #KeineBühne bieten", heißt es in der Petition.

Da das Olympiastadion im Besitz des Landes Berlin sei, sei die rot-schwarze Landesregierung in der Verantwortung: "Sie kann sich dafür einsetzen, dass das Olympiastadion die Verträge mit Rammstein kündigt. Die zuständigen Senator*innen Spranger und Chialo müssen jetzt handeln. Die Übergriffe dürfen sich nicht wiederholen“, so die Petition, die innerhalb einer Woche von über 56.000 Menschen (Stand Montagnachmittag) unterzeichnet wurde.

Unter den Erstunterzeichnern sind die Vereine und Organisationen "Gender Equality Media e.V.“, Women For Change und "Gynformation".

Zweite Petition fordert Pausierung der Auftritte

Die zweite Petition mit dem Titel "Berlin: Stoppt die Rammstein-Konzerte!" [innn.it] wurde vom "The Sirens Collective" gestartet, eine von zwei Frauen gegründete Plattform, auf der Berichte von Opfern sexueller Gewalt gesammelt und archiviert werden. Hier haben bis zum Montagnachmittag knapp 32.000 Menschen unterschrieben.

Gefordert wird auch hier die Absage der drei Berliner Rammstein-Konzerte. Die Petition ist ebenfalls adressiert an Innensenatorin Spranger, an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sowie auch in diesem Fall an Timo Rohwedder.

Im Petitionstext heißt es, "sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Gewaltfantasien dürfen keinen Platz auf oder hinter Deutschlands Bühnen bekommen! Wer mutmaßlichen Täter*innen das Gefühl gibt, mit solchen perfiden Machenschaften einfach davonzukommen, macht sich mitschuldig!" Gefordert wird eine Pausierung der Auftritte, bis zur Klärung der Vorwürfe.

Zu den Erstunterzeichnerinnen sind die Autorin Kristina Lunz, die Aktivistin Lady Bitch Ray aka Dr.in Reyhan Şahin sowie die Musikerin Malonda.

Spranger sieht keine Handhabe

Innensenatorin Spranger sagte zu den Petitionen am Montag auf rbb-Anfrage, sie könne nur bei Liegenschaften einschreiten, die direkt von ihrer Senatsverwaltung verwaltet werden. In diesen Bereichen werde es keine Aftershowpartys der Band Rammstein geben, wiederholte Spranger ihre Ankündigung aus der vergangenen Woche.

Ein Konzert im Olympiastadion könne sie aber nicht untersagen, denn: "Bei den wie im vorliegenden Fall durch landeseigene Gesellschaften betriebenen Sportanlagen ist es mir in der Form nicht möglich. Hier bin ich Aufsichtsratsmitglied." Für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied bestehe grundsätzlich "keine Möglichkeit, eine Veranstaltung zu verbieten, abzusagen bzw. den Vertrag zu kündigen", so Spranger weiter.

Vom landeseigenen Betrieb, der Olympiastadion Berlin GmbH, hieß es ebenfalls auf rbb-Anfrage, vom Konzertveranstalter läge keine Absage vor. "Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt auch davon aus, dass aufgrund von Anzeigen eingeleitete strafrechtliche Ermittlungen nicht zu einer Absage führen. Insofern gilt nach wie vor der zwischen Tour-Veranstalter und Betreiber geschlossene Vertrag", teilte das Unternehmen mit. Pre- und Aftershowpartys würden "auf unserem Gelände nicht stattfinden".

"Antisemitismus und Frauenverachtung gehen Hand in Hand"

Auch von anderer Stelle gibt es die Forderung, die Berliner Rammstein-Konzerte abzusagen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte am Montag den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er halte es "für fragwürdig, ob die geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin im vom Land betriebenen Olympiastadion so stattfinden sollten".

"Antidemokratische Diskriminierungen wie Antisemitismus, Frauenverachtung und Rassismus gehen oftmals Hand in Hand. (…) Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter verschoben werden, auch wenn das unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geschieht."

Klein kritisierte in den Funke Medien zudem ein Musikvideo zu dem Rammstein-Song "Deutschland", in dem sich Lindemann und weitere Mitglieder der Band als Häftlinge eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers inszenierten. Rammstein habe damit "mit perfider Vernichtungslager-Optik die Opfer der Schoah verhöhnt", sagte er.

Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt

Mehrere Frauen hatten - teilweise anonym - in den vergangenen Wochen schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann erhoben. Gegenüber dem NDR und der "Süddeutschen Zeitung" beschrieben sie, wie junge Frauen offenbar gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert wurden.

Zwei Frauen berichteten zudem von mutmaßlichen sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Lindemann selbst bestreitet die Vorwürfe und lässt seine Interessen anwaltlich vertreten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.06.2023, 16:31 Uhr

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206 Kommentare

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  1. 206.

    Das ist Schwachsinn. Was willst Du? Ganz ehrlich, sag es. Direkt und ohne Schnörkel. Was ist Deine Lösung?

  2. 205.

    Typisch deutsch. Da finden Anschuldigungen statt und die Masse der Menschen bildet sich ein Urteil. Anschuldigungen sind nicht mehr und nicht weniger als Anschuldigungen, keine Beweislage. Sowas nenne ich Missbrauch sozialer Medien weil einfach eine sehr große Anzahl
    an Menschen damit nicht umgehen kann.

  3. 204.

    Das mit dem Glauben behalten Sie sich für die Kirche vor. Beschuldigter ist der Sänger. Dessen Schuld müssen Sie beweisen, wenn Sie sich hinter die Anschuldigungen stellen. Ihr Umkehrschluss, man würde damit die Frauen vorverurteilen geht nach hinten los. Im Gegenteil. Die Sache muss geklärt werden. Bedeutet, beide Seiten werden angehört. Erst danach kann objektiv geurteilt werden. Ihr letzter Satz beweist nur, dass Sie nach Gefühl handeln. Und damit unser System der Rechtsfindung kritisieren. Schade.

  4. 203.

    "Es gilt laut Gesetz auch für Till Lindemann die Unschuldsvermutung..." Das habe ich nicht infrage gestellt!

  5. 202.

    "Es gilt laut Gesetz auch für Till Lindemann die Unschuldsvermutung..." Das habe ich nicht infrage gestellt!

  6. 201.

    Stimmt - warum nicht gleich in Vilnius vor Ort angezeigt - ohne mediales Bohai zu machen. Irgendwie stinkt mir dies alles.

  7. 200.

    Es wurden ca. 90.000 Karten pro Berlin-Konzert verkauft und keiner will seine Karten verkaufen bzw. los werden. D.h. 270.000 Besucher WOLLEN zu den Konzerten.
    Die, die die Petition unterschrieben haben, sind wahrscheinlich eh nur Leute, die nie Rammstein-Fan waren oder sich je die Mühe gemacht haben, den Sinn und Inhalt der Texte und Inszenierungen zu versehen.
    Weder Journalisten noch Social Media sollten hier sowohl Richter als auch Geschworener spielen und jemanden (egal wen) eine Stempel für das Leben aufdrücken. Wir leben in einen Rechtsstaat, wo es Richter, Staatsanwälte und Co gibt, die für solche Angelegenheiten zuständig sind.
    Auch ich will als Frau (wohl gemerkt) zu einem der Berlin-Konzerte zusammen mit zwei weiteren Frauen. Wir fühlen uns NICHT unsicher und sind selber in der Lage dazu, zu entscheiden, ob wir hin gehen wollen. Wenn in unser heutigen Gesellschaft in Deutschland Frauen vorgeschrieben wird, ob sie irgendwo hingehen dürfen oder nicht, läuft was verkehrt!

  8. 199.

    Diese ganze Diskussion war völlig unsinnig. Solange Til Lindemann nicht für schuldig befunden wurde/wird, hat für mich niemand das Recht seine Vermutungen öffentlich zu äußern. Das kann noch ganz böse ausgehen für die Menschen, die Til an den Pranger stellen. Einfach abwarten. Die Anwälte werden ihre Arbeit machen.

  9. 198.

    Recht vs. Moral. Jeder Mensch darf es moralisch hinterfragen, die rechtliche Beurteilung aber bitte den Fachleuten überlassen. Recht und Ordnung sind etwas anderes als Moral und Anstand. Das zeigt sich immer, wenn vor Gericht Recht gesprochen wird und ein Gefühl der Ungerechtigkeit bleibt. Und Vorsicht, wenn man Lobbyisten unterstützt. Die sind ebensowenig objektiv, wie mögliche Täter und Opfer.

  10. 197.

    Sorry, die Worte sind klar, aber Du interpretierst sie falsch.

    https://www.mdr.de/brisant/promi-klatsch/rammstein-christoph-schneider-110.html

    Der Schlagzeuger stellt eindeutig klar, dass seiner Meinung nach, nichts strafrechtlich relevantes vorgefallen sein kann.

  11. 196.

    Sie meinen also, der Staat soll sich nicht an die eigenen Gesetze halten? Wenn private Unternehmen die Zusammenarbeit mit Rammstein beenden ist das eine Sache, wenn aber staatliche Seiten quasi vorverurteilen, dann bringt es unser Gesellschaftssystem ins Wanken. Es ist schon schwierig genug, wenn Regierungsmitglieder eine Meinung dazu äußern. Wir haben gerade darüber diskutiert, inwieweit die Justizsenatorin der Staatsanwaltschaft in Sachen LG Weisungen erteilen kann. Bitte lassen Sie uns die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Sollte die Staatsanwaltschaft eine Anklage erheben, können wir neu diskutieren. Bislang stehen Aussagen gegen Aussagen.

  12. 195.

    Diejenigen, die gebetsmühlenartig Till Lindemanns Unschuldsvermutung predigen, bezichtigen zugleich die mutmaßlich missbrauchten Frauen als Lügnerinnen. Den Frauen nicht zu glauben ist auch eine Vorverurteilung.
    Diese blinde Fanliebe hat schon sehr bizarre Auswüchse.
    Ich glaube eben den Frauen, die unabhängig voneinander und teilweise unter eidesstattlicher Versicherung ihre Erfahrungen schildern.
    Strafrechtlich wird Lindemann nur sehr schwer beizukommen sein. Was bleibt ist die gnadenlose Machtausübung von Lindemann und seinen Helfershelfern gegenüber jungen Frauen.

  13. 193.

    Die Aftershow-Orgien zu verhindern, ist legitim, aber die Konzerte? Sie finden in der Öffentlichkeit statt. Straftaten seitens der Band wären unwahrscheinlich. Hier fehlt die Handhabe. Und es würde einen Rattenschwanz an Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Die Band, die Besucher, der Veranstalter, der Ticketverkäufer, das Booking, die Beleuchter, Mixer, Roadies … Wer soll das bezahlen? So lange die Ermittlungen laufen, wäre völlig unklar, ob Berlin ohne finanzielles Desaster abschnitte.

  14. 192.

    Die Staatsanwaltschaft ist Teil der Justiz. Wenn schon korrigieren, dann richtig. Daher habe ich pauschal Justiz gesagt ich meinte nicht nur die Judikative.

  15. 191.

    Es gilt laut Gesetz auch für Till Lindemann die Unschuldsvermutung. Alle Rammstein-Hasser sollten einmal darüber nachdenken! Habt ihr schon einmal gesehen, dass die Band nur aus einem Sänger besteht? Ich nicht!

  16. 189.

    Es gibt Rechtsgrundsätze, die man nicht ohne Grund festgeschrieben hat. Was denken Sie, was dann noch möglich ist, wenn Sie diese Grundsätze jetzt dafür opfern?

  17. 188.

    Zitat: "Immerhin schwächt er diese Illoyalität ab . . ."

    Ähem, Schneider hat keine "Illoyalität" aka Untreue oder Verrat betrieben, sondern seine durchaus differenzierte Meinung zum Thema geäussert. Und es ist nunmal so, dass Lindemann seit Jahren seit eigenes Ding durchzieht, was bspw. den Black- aka "Suck Room" und die Sex-Parties mit z. T. darüber zuvor nicht ausreichend informierten jungen Frauen betrifft, welche von der "Casting Direktorin" Alena Makeeva auch gezielt in Sozialen Netzwerken angeschrieben und mit VIP Tickets geködert wurden.

  18. 187.

    Vorsicht Leute mit Petitionsplattformen wie change.org oder campact.de!
    Die haben keine parlamentarische Reputition und sammeln auch Daten!

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