Zwei Petitionen - Rammstein-Konzerte in Berlin: Zehntausende fordern Absage
Drei Mal will Rammstein im Juli im Berliner Olympiastadion auftreten. Dagegen formiert sich immer größerer Widerstand im Netz, aber auch in der Politik. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fordert ein deutliches Signal.
- Zwei Online-Petitionen fordern Absage der Konzerte in Berlin
- Rammstein wollen am 15., 16. und 18. Juli im Olympiastadion auftreten
- Innensenatorin Spranger sieht keine Möglichkeit einzuschreiten
- Auch Antisemitismusbeauftragter hält Konzerte für "fragwürdig"
Nach den Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann machen sich zwei Online-Petitionen gegen die Konzerte der Band stark, die an drei Juli-Abenden im Berliner Olympiastadion geplant sind. Dabei sind bis Montag bereits zehntausende Stimmen zusammengekommen.
Unter dem Petitionstitel "Keine Bühne für Rammstein" [campact.de] werden Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Kultursenator Joe Chialo (CDU) sowie der Geschäftsführer des Austragungsortes Olympiastadion, Timo Rohwedder, aufgefordert, die drei Berliner Konzerte abzusagen. Diese sind mit jeweils 75.000 Zuschauern ausverkauft.
"Spranger und Chialo müssen handeln!"
"Solange die Vorwürfe nicht geklärt sind, sind Konzerte der Band kein sicherer Ort für Mädchen und Frauen. Jetzt gilt es zu zeigen, dass Berliner*innen mutmaßlichen Tätern #KeineBühne bieten", heißt es in der Petition.
Da das Olympiastadion im Besitz des Landes Berlin sei, sei die rot-schwarze Landesregierung in der Verantwortung: "Sie kann sich dafür einsetzen, dass das Olympiastadion die Verträge mit Rammstein kündigt. Die zuständigen Senator*innen Spranger und Chialo müssen jetzt handeln. Die Übergriffe dürfen sich nicht wiederholen“, so die Petition, die innerhalb einer Woche von über 56.000 Menschen (Stand Montagnachmittag) unterzeichnet wurde.
Unter den Erstunterzeichnern sind die Vereine und Organisationen "Gender Equality Media e.V.“, Women For Change und "Gynformation".
Zweite Petition fordert Pausierung der Auftritte
Die zweite Petition mit dem Titel "Berlin: Stoppt die Rammstein-Konzerte!" [innn.it] wurde vom "The Sirens Collective" gestartet, eine von zwei Frauen gegründete Plattform, auf der Berichte von Opfern sexueller Gewalt gesammelt und archiviert werden. Hier haben bis zum Montagnachmittag knapp 32.000 Menschen unterschrieben.
Gefordert wird auch hier die Absage der drei Berliner Rammstein-Konzerte. Die Petition ist ebenfalls adressiert an Innensenatorin Spranger, an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sowie auch in diesem Fall an Timo Rohwedder.
Im Petitionstext heißt es, "sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Gewaltfantasien dürfen keinen Platz auf oder hinter Deutschlands Bühnen bekommen! Wer mutmaßlichen Täter*innen das Gefühl gibt, mit solchen perfiden Machenschaften einfach davonzukommen, macht sich mitschuldig!" Gefordert wird eine Pausierung der Auftritte, bis zur Klärung der Vorwürfe.
Zu den Erstunterzeichnerinnen sind die Autorin Kristina Lunz, die Aktivistin Lady Bitch Ray aka Dr.in Reyhan Şahin sowie die Musikerin Malonda.
Spranger sieht keine Handhabe
Innensenatorin Spranger sagte zu den Petitionen am Montag auf rbb-Anfrage, sie könne nur bei Liegenschaften einschreiten, die direkt von ihrer Senatsverwaltung verwaltet werden. In diesen Bereichen werde es keine Aftershowpartys der Band Rammstein geben, wiederholte Spranger ihre Ankündigung aus der vergangenen Woche.
Ein Konzert im Olympiastadion könne sie aber nicht untersagen, denn: "Bei den wie im vorliegenden Fall durch landeseigene Gesellschaften betriebenen Sportanlagen ist es mir in der Form nicht möglich. Hier bin ich Aufsichtsratsmitglied." Für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied bestehe grundsätzlich "keine Möglichkeit, eine Veranstaltung zu verbieten, abzusagen bzw. den Vertrag zu kündigen", so Spranger weiter.
Vom landeseigenen Betrieb, der Olympiastadion Berlin GmbH, hieß es ebenfalls auf rbb-Anfrage, vom Konzertveranstalter läge keine Absage vor. "Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt auch davon aus, dass aufgrund von Anzeigen eingeleitete strafrechtliche Ermittlungen nicht zu einer Absage führen. Insofern gilt nach wie vor der zwischen Tour-Veranstalter und Betreiber geschlossene Vertrag", teilte das Unternehmen mit. Pre- und Aftershowpartys würden "auf unserem Gelände nicht stattfinden".
"Antisemitismus und Frauenverachtung gehen Hand in Hand"
Auch von anderer Stelle gibt es die Forderung, die Berliner Rammstein-Konzerte abzusagen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte am Montag den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er halte es "für fragwürdig, ob die geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin im vom Land betriebenen Olympiastadion so stattfinden sollten".
"Antidemokratische Diskriminierungen wie Antisemitismus, Frauenverachtung und Rassismus gehen oftmals Hand in Hand. (…) Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter verschoben werden, auch wenn das unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geschieht."
Klein kritisierte in den Funke Medien zudem ein Musikvideo zu dem Rammstein-Song "Deutschland", in dem sich Lindemann und weitere Mitglieder der Band als Häftlinge eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers inszenierten. Rammstein habe damit "mit perfider Vernichtungslager-Optik die Opfer der Schoah verhöhnt", sagte er.
Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt
Mehrere Frauen hatten - teilweise anonym - in den vergangenen Wochen schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann erhoben. Gegenüber dem NDR und der "Süddeutschen Zeitung" beschrieben sie, wie junge Frauen offenbar gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert wurden.
Zwei Frauen berichteten zudem von mutmaßlichen sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Lindemann selbst bestreitet die Vorwürfe und lässt seine Interessen anwaltlich vertreten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.06.2023, 16:31 Uhr
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